Wenn Marco Reus in einer Art stabilen Seitenlage auf dem Fußballrasen liegt, wenn er dabei sein schmerzverzerrtes Gesicht halb im Gras und halb hinter seiner Hand versteckt und sich zugleich mit der anderen Hand seinen lädierten Fußknöchel hält - dann muss man mit dem Schlimmsten rechnen. Oft schon hat man ihn so daliegen sehen.
Am Donnerstagabend lag Reus wieder in dieser Stellung, nahe der Seitenlinie im Dortmunder Stadion. Der Schiedsrichter Luca Banti zeigte Portos Silvestre Varela die gelbe Karte, und die Dortmunder Zuschauer blickten entsetzt aufs Feld. Varela hatte den ballführenden Reus grätschend attackiert, dabei aber nicht den Ball erwischt, sondern Reus' linken Knöchel.
Sein Fuß war übel umgeknickt. Nach Ansicht der Zeitlupe hatte man fürchten müssen, Reus stehe allein nicht mehr auf, werde den Rest der Saison versäumen, werde für Dortmund weder in der Bundesliga noch im DFB-Pokal noch in der Europa League mehr spielen können und im Sommer sicher auch nicht für Deutschland bei der Europameisterschaft.
Reus gibt Entwarnung: "Nix passiert"
Reus wurde lange behandelt, stand dann sehr vorsichtig auf - und spielte weiter, als sei nichts geschehen. Er schoss sogar noch den finalen Treffer zum 2:0-Sieg. Dortmund und der deutsche Fußball atmeten auf. Marco Reus hat sich nicht verletzt. "Nix passiert", sagte er nach dem Abpfiff mit keckem Blick.
Reus trägt gewissermaßen branchenweite Hoffnungen auf seinen Schultern: mit Borussia Dortmund einerseits das tabellarische Alleinstellungsmerkmal des FC Bayern anzugreifen und andererseits als Kreativkünstler die deutsche Mannschaft bei der EM in relevante K.o.-Runden zu führen. Es ist schon jetzt ein wahrhaft aufregendes Jahr für Reus, und nach dem umjubelten 2:0 gegen Porto blieben ihm und dem BVB auch nur drei Tage, bevor es in der Bundesliga mit dem Gastspiel bei Bayer Leverkusen an diesem Sonntag bereits wieder um ein wichtiges Ergebnis geht.
Leverkusen beeindruckte beim 1:0 bei Sporting Lissabon
Mit dem unverletzten Reus und dem genesenen Nuri Sahin gehen die Dortmunder selbstbewusst in ein Topspiel, das technisch und taktisch das obere Leistungsvermögen der Bundesliga dokumentieren sollte. Auch wenn der BVB auf einen der besten Techniker der Liga, auf Ilkay Gündogan, vermutlich verzichten muss. Von einer Erkältung, die schon seinen Einsatz gegen Porto verhinderte, scheint er sich nicht rechtzeitig erholt zu haben.
Dass die Leverkusener zu einem Qualitätsduell bereit sind, haben sie mit ihrem 1:0-Sieg in der Europa League bei Sporting Lissabon ebenfalls untermauert. Mit hohem Pressing haben sie die Portugiesen immer wieder vom Ball getrennt, eine Strategie, die bei den Dortmundern gegen deren Portugiesen so nicht erforderlich war, weil der FC Porto dazu schon fast zu ungefährlich war.
Sollten Leverkusen und Dortmund ihre aggressiven Attacken so auch im direkten Duell am Sonntag vorbringen können, dann bahnt sich ein spektakuläres Spiel an. Zumal Pierre-Emerick Aubameyang, gegen Porto auffällig unscheinbar, sein Fern-Duell mit dem Münchner Robert Lewandowski an der Spitze der Torjäger-Liste wohl fortschreiben will. Und bei Bayer winkt die schnelle Rückkehr des verletzten Mexikaners Javier Hernandez, mit 13 Treffern immerhin Vierter der Torjägerliste.
Sieben Tore fehlen Reus zum persönlichen Rekord
In der Torjägerliste spielt aber auch Reus noch eine Rolle. Neun Tore hat er in dieser Bundesliga-Saison bereits geschossen, sieben benötigt er noch, um seine persönliche Bestmarke aus der vorvergangenen Saison einzustellen, als er 16 Mal für die Borussia traf. Bis zum Ende der Saison und auch schon diesen Sonntag geht es für Reus und den BVB um die Sicherung des zweiten Platzes.
Die Bayern sind nahezu uneinholbar, und selbst für den Fall einer Niederlage in Leverkusen hätten die Dortmunder immer noch zehn Punkte Vorsprung vor den Bayer-Fußballern. Insofern gehen die Borussen recht entspannt ins Topspiel, mit dem Ziel, die Leistung vom Donnerstag zu wiederholen - und mit einem unverletzten Marco Reus auch aus diesem Spiel wieder herauszukommen.
