Bundesliga: Relegation:Wahlkampf in Nürnberg

Nach dem Hinspiel der Relegation zur Bundesliga versuchen sowohl der FC Nürnberg als auch der FC Augsburg, das Ergebnis schön zu reden - obwohl keiner so recht zufrieden sein kann.

Jürgen Schmieder, Nürnberg

Wer am Donnerstagabend in der Mixed Zone des Nürnberger Stadions stand, der wusste nicht genau, auf welcher Art Veranstaltung er sich befand: beim obligatorischen Interviewreigen nach Fußballspielen oder doch vielmehr bei der Nachbetrachtung von Politikern zweier Volkparteien, nachdem sie die erste Hochrechnung gelesen hatten.

Bundesliga: Relegation

Nürnbergs Albert Bunjaku nach dem vergebenen Elfmeter.

(Foto: Foto: AP)

"Wir wollten kein Tor kassieren und mindestens eines schießen, das ist uns gelungen - deshalb fahren wir zuversichtlich nach Augsburg", hieß es unisono aus den Mündern der Nürnberger Spieler. Die Konkurrenten aus Augsburg sagten einmütig: "Mit diesem Ergebnis können wir leben, es lässt uns alle Chancen offen für den Sonntag."

Dieses 1:0 für den FC Nürnberg beim Hinspiel der Relegation zur Bundesliga gegen den FC Augsburg ist ein groteskes Ergebnis, weil es sich für beide Seiten positiv verkaufen lässt, obwohl keiner sein Ziel erreicht hat.

Die Nürnberger waren ihrem Gegner mit Ausnahme der ersten Viertelstunde deutlich überlegen, über die gesamte Spieldauer erspielte, erkämpfte und erglückte sich die Elf von Dieter Hecking gut ein Dutzend Torchancen - darunter auch ein Elfmeter von Albert Bunjaku, den Augsburgs Torhüter Simon Jentzsch ebenso formidabel parierte wie die Versuche von Eric-Maxim Choupo-Moting, Andreas Wolf und Ilkay Gündogan.

Es war erstaunlich, wie die Nürnberger Spieler bei all den vergebenen Gelegenheiten nicht wie oftmals in der vergangenen Saison mit dem Gegner, dem Schiedsrichter oder sich selbst haderten, sondern sich so lange von ihren Fans nach vorne treiben ließen, bis dann eben Christian Eigler in eine Flanke von Marcel Risse spurtete und zum Siegtreffer einköpfte. Der Jubel nach diesem Treffer war dann auch nicht frenetisch oder ausgelassen, man hatte vielmehr den Eindruck, als würden 40.509 Menschen gleichzeitig erleichtert ausatmen.

"Wir haben viel versucht, vor allem in der zweiten Halbzeit haben nur noch wir gespielt", sagte Nürnbergs Mike Frantz nach dem Spiel. "Wir sind froh, dass wir noch ein Tor gemacht haben, kein Vorwurf an Bunjaku wegen des Elfmeters." Seine Mimik passte in diesem Moment nicht ganz zu den Worten, die aus seinem Mund kamen - seine Augen und die kleinen Falten auf der Stirn verdeutlichten, dass ein 2:0 oder gar 3:0 eher angemessen gewesen wären.

"Nürnberg hat das Tempo hochgehalten und wir kamen nicht mehr gut raus, weil die Genauigkeit fehlte", sagte Jos Luhukay nach dem Spiel. Diese Aussage ist eine gehörige Untertreibung, die dem Augsburger Trainer nur deshalb nicht vorgehalten wird, weil an diesem Abend alle den Hobby-Politiker gaben, ein wenig über- und untertrieben und sich sowohl Ergebnis als auch Spielweise für ihre Bedürfnisse zurechtlegten.

Bis auf die ersten 20 Minuten nämlich - Daniel Baier, Axel Bellinghausen und Michael Thurk scheiterten jeweils knapp - war es eine skurrile Vorstellung der Gäste. Die offensiven Bemühungen der Augsburger beschränkten sich zumeist darauf, die Bälle irgendwie in die Richtung des unermüdlichen Michael Thurk zu dreschen.

Dies führte dazu, dass Thurk geschätzte 15 Kilometer laufen musste, aber nicht einmal aufs Tor schoss - und dass selbst formidable Dribbler wie Ibrahima Traore und Marcel Ndjeng Mitte der zweiten Halbzeit auf jede Form der kreativen Spielgestaltung verzichteten und sich lieber in den Disziplinen Hinterherlaufen, Grätschen und Bolzen übten.

"Manchmal war es schon brenzlig", sagte Simon Jentzsch nach dem Spiel. "Wir hätten durchaus höher verlieren können, auf der anderen Seite hätten wir das 0:0 auch gerne mitgenommen." Die anderen Augsburger verteidigten die defensive Spielweise und verwiesen darauf, am Sonntag mindestens 90 Minuten lang Zeit zu haben für einen Sturmlauf. "Wir werden alles tun, um das Ding noch zu drehen", sagte etwa Trainer Luhukay.

Sein Gegenüber Dieter Hecking übte sich lieber weiter in Politik-Metaphorik: "Aus der 50:50-Chance haben wir nun ein 51:49 gemacht. Wir dürfen nun nicht überheblich werden, sondern müssen bis Sonntag konzentriert arbeiten und versuchen, auch in Augsburg ein Tor zu schießen."

Augsburgs Chef-Wahlkämpfer Simon Jentzsch mobilisierte das Volk ("Am Sonntag werden uns 27.000 Menschen im Stadion anfeuern") und versuchte sich wie schon so oft im Understatement: "Was haben wir denn zu verlieren?" Irgendwie wollte ihm der neutrale Beobachter in diesem Moment zurufen: Den Aufstieg in die Bundesliga, lieber Simon.

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