Nürnberg - Mainz 0:0:Europa, wir warten noch

Was war das denn? Mainz und Nürnberg spielen phasenweise miesen Fußball - und verpassen die Vorentscheidung über einen sicheren Europa-League-Platz. Der aufregendste Moment: ein mutmaßliches Handspiel in letzter Minute.

Michael König

Wenn der Frühling kommt und die Temperaturen steigen, wird in Nürnberg traditionell heftig gezittert. Üblicherweise muss der 1. FC Nürnberg um diese Jahreszeit um den Klassenerhalt bangen, mit sieben Abstiegen in die zweite Bundesliga ist der Klub in dieser Statistik ganz weit vorn. Nur Arminia Bielefeld hat seinen Fans noch mehr zugemutet.

1. FC Nuernberg - 1. FSV Mainz 05

Nürnbergs Christian Eigler (links) im Kopfballduell mit dem Mainzer Marco Caligiuri.

(Foto: dapd)

Diesmal jedoch ist alles anders. Zwar zittert Nürnberg auch dieses Jahr wieder, aber der Anlass ist ein erfreulicher: Die Teilnahme an der Europa League lockt. Oder lockte? Ganz klar ist das nicht. Weil sich beide Mannschaften nach einem phasenweise sommerlich anmutenden Spiel mit 0:0 trennten, beträgt der Mainzer Vorsprung auf Nürnberg weiterhin zwei Punkte.

Die Trainer beider Mannschaften hatten sich vor dem Spiel ein kleines Scharmützel um die Deutungshoheit geliefert: Thomas Tuchel sagte, sein Nürnberger Kollege Dieter Hecking liege mit der Einschätzung falsch, es handele sich um ein Endspiel um die Europapokal-Teilnahme. Wenn es ein Endspiel sei, dann höchstens für Nürnberg, denn dort herrsche der größere Druck.

Wenn zwei Teams sich ergänzen

Hecking entgegnete genervt, er habe nie von einem Endspiel gesprochen, im Gegenteil, er wolle davon nichts wissen, schließlich habe eine Saison 34 Spieltage und nicht nur 31. Auch die Sache mit dem Druck wollte er so nicht stehen lassen: "Ich weiß nicht, warum wir Druck haben sollten. Das ist eine schöne Belohnung für das ganze Jahr."

Nüchtern betrachtet hat Nürnberg jedoch für "das ganze Jahr" gar keine Belohnung verdient - die Saison begann mäßig, das 0:3 gegen Mainz am 14. Spieltag markierte einen Tiefpunkt, bevor die Mannschaft zu einem anhaltenden Höhenflug ansetzte. Anders herum die Mainzer: Die Liga bestaunte zu Saisonbeginn die "Bruchweg Boys" um André Schürrle und Lewis Holtby, die den ersten Tabellenplatz besetzten und zunächst verteidigten, ehe sich eine gewisse Müdigkeit einstellte.

So gesehen ergänzten sich beide Teams. Entsprechend offen war die Ausgangslage, zumal die Europapokal-Aspiranten Freiburg (1:3 gegen Hannover) und Hamburg (0:3 gegen Stuttgart) bereits gepatzt hatten.

Ekici trifft nur den Pfosten

Auf dem Rasen tat sich allerdings 20 Minuten relativ wenig. Der von beiden Trainern verneinte Druck schien auf beiden Seiten gleich groß zu sein, die Teams tasteten sich ab. Für Fußballspiele ist das selten eine gute Nachricht, und so durfte man dem Nürnberger Mittelfeldspieler Mehmet Ekici dankbar sein, als er in der 20. Minute ein lautes Geräusch zu der bis dato recht eintönigen Partie hinzufügte: Sein Freistoß klatschte an den Außenpfosten. Auf der anderen Seite versuchte es der Jung-Nationalspieler André Schürrle mit einem Weitschuss, traf aber nur die Arme des FCN-Keepers Raphael Schäfer (25.).

Elf Minuten später spielte Mainz so schnell und steil wie zu Beginn der Saison: Schürrle leitete den Ball in den Lauf von Elkin Soto, und der Kolumbianer legte viel Wucht in einen Schuss, der jedoch wenige Zentimeter am rechten Pfosten vorbei strich. Wer nun auf Endspiel-Dramatik hoffte, wurde enttäuscht. Erst ertönte der Halbzeitpfiff, dann errechneten die Statistiker, Nürnbergs Torwart Raphael Schäfer habe in den ersten 45 Minuten mehr Ballkontakte gehabt als die Club-Stürmer Julian Schieber und Christian Eigler zusammen - ein bezeichnender Wert.

Wetklo rettet - außerhalb des Strafraums?

Auf den Trainerbänken hielt sich die Zufriedenheit in Grenzen. Thomas Tuchel schimpfte auf der Trainerbank, nachdem Schürrle einen Freistoß in den Himmel geschossen hatte (57.). Sein Nürnberger Pendant Hecking wechselte den von Manchester City gekommenen Robert Mak für Almog Cohen ein, in der Hoffnung, das Offensivspiel zu beleben.

Es passierte jedoch weiterhin wenig, von einigen gelben Karten einmal abgesehen, und so stellte sich immer mehr die Frage, ob Deutschland nicht besser beraten wäre, einen anderen Verein in die Europa League zu entsenden - etwa die sich stetig unter Wert verkaufenden Hamburger.

Tuchel mag es nicht mehr sehen

Mitten in diese Überlegung platzte erneut Schürrle, der bei einem kleinen Solo im gegnerischen Strafraum zwei Nürnberger austanzte, sich den Ball zurechtlegte, zum Schuss ansetzte - und den Ball weit am Tor vorbei bolzte. Sein Trainer schimpfte jetzt nicht mehr, sondern hielt sich die Hände vor sein Gesicht. Mainz war technisch überlegen, in der Chancenverwertung jedoch kläglich. Nürnberg hingegen spielte bemüht, was auch im Fußball nicht unbedingt eine positive Formulierung ist.

Je näher der Schlusspfiff rückte, desto ängstlicher agierten beide Mannschaften. Mainz schien seinen Zwei-Punkte-Rückstand nicht aufs Spiel setzen zu wollen. Nürnberg machte den Eindruck, das Rennen um Platz fünf lieber in einem Fernduell entscheiden zu wollen. In der Nachspielzeit protestierte der Club heftig, als der Mainzer Keeper Christian Wetklo bei einer Rettungstat seine Hände benutzte - außerhalb des Strafraums. Der Schiedsrichter verwehrte den Nürnbergern jedoch einen Freistoß - und ersparte Wetklo die fällige rote Karte.

Ob Nürnberg die Mainzer in den verbleibenden drei Spielen noch überholen kann, ist fraglich. Während Mainz noch gegen Frankfurt, Schalke und St. Pauli spielen muss, hat der Club das vermeintlich schwerere Restprogramm. Am kommenden Samstag geht es gegen Meisteranwärter Dortmund, dann gegen Hoffenheim und schließlich gegen Hannover 96, das selbst ein Fernduell austrägt: gegen den FC Bayern um eine Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation.

Nürnbergs Trainer gab sich nach dem Schlusspfiff jedoch unbeeindruckt: "Wir können weiterhin ohne Druck auflaufen", sagte Dieter Hecking.

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