Bundesliga:Nicht mal dieses Spiel gewinnt der HSV

Hamburger SV v 1. FSV Mainz 05 - Bundesliga

Filip Kostic verschießt den Elfmeter gegen Mainz 05.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der Hamburger SV spielt gegen Mainz 05 nur 0:0. Filip Kostic verschießt einen Elfmeter.
  • Mainz zeigt eine schwache Leistung und spielt eine halbe Stunde in Unterzahl.
  • Die Hamburger haben damit sieben Punkte Abstand auf den Relegationsplatz - bei nur noch neun ausstehenden Spielen.

Von Martin Schneider

Keine Szene stand so sehr für dieses 0:0 zwischen Hamburg und Mainz wie der Elfmeter von Filip Kostic. Allein schon, wie er zustande kam. Ein langer Ball nach vorne, der Hamburger Luca Waldschmidt probierte, den Ball zu kontrollieren. Es war zweifelhaft, ob er das geschafft hätte. Aber noch bevor er überhaupt versuchen konnte, den Ball zu stoppen, rannte ihn der Mainzer Verteidiger Leon Balogun einfach um. Was doppelt problematisch war, weil Balogun schon Gelb hatte. So flog er bereits in der 61. Minute vom Platz und ließ seine Mannschaft in Unterzahl zurück. Also Elfmeter für Hamburg, Kostic nahm sich den Ball - und schoss unplatziert und locker nach halblinks, von ihm aus gesehen. Der Mainzer Torwart Florian Müller (eigentlich dritter Ersatz-Torhüter, null Bundesligaspiele, 20 Jahre alt) hatte keine Probleme, den Schuss zu halten.

Und so wie dieser Strafstoß, so lief dieses entscheidende Spiel im Abstiegskampf der Bundesliga. Mainz spielte schwach, teilweise naiv, teilweise grob fahrlässig - und der Hamburger SV konnte es nicht ausnutzen. Es blieb beim torlosen Remis, und obwohl der FSV in diesem Spiel die klar schlechtere Mannschaft war, ist dieses Ergebnis für den HSV fatal. Der Abstand zum Relegationsplatz beträgt sieben Punkte, es sind noch neun Spiele zu spielen, und in einer solchen Situation muss man Heimspiele gegen direkte Konkurrenten gewinnen - vor allem, wenn sie einem die Torchancen quasi schenken. Mainz bot Hamburg den Sieg an. Und der HSV nahm nicht an.

Wie zum Beispiel in einer Szene kurz nach dem Elfmeter: Nach einem eigenen Freistoß stand Mainz ohne Absicherung in der gegnerischen Hälfte, plötzlich liefen fünf Hamburger Angreifer in einem Konter auf drei Mainzer Verteidiger zu. In dieser Situation könnte man den freien Mann suchen (es sind ja rein mathematisch zwei Spieler frei) - aber Waldschmidt vertändelte den Konter im Eins-gegen-Eins. Das war grob das Drehbuch bis zum Ende: Mainz verteidigte, verteidigte oft nicht gut und Hamburg nutzte das nicht aus. "Das ist ein Wahnsinn, dass wir dieses Spiel nicht gewinnen", sagte Sportdirektor Jens Todt direkt nach Spielschluss bei Sky. "Die Enttäuschung ist riesengroß. Wir sind in einer ganz, ganz schlimmen Situation."

Immerhin: Es blieb auf den Tribünen friedlich. Am Ende pfiffen die Zuschauer und zeigten ein Plakat mit der Aufschrift: "Danke für Nichts, ihr Söldner". Aber sie randalierten nicht. Das war gar nicht so selbstverständlich, denn vor dem Spiel zogen sie in Hamburg die Zäune in die Höhe, und zwar nicht nur metaphorisch, sondern auch ganz real. Die Absperrung zwischen dem HSV-Fanblock und dem Rasen ist normalerweise 1,10 Meter hoch, für dieses Spiel wurde sie auf 2,20 Meter erhöht. Aus Protest gegen diese Maßnahme zogen die Ultra-Fans auf den Oberrang und zeigten ein Plakat: "Zäune hoch - Gehälter runter".

Der Grund, warum der Zaun hochgezogen wurde, war ein anderes Plakat von HSV-Fans. "Bevor die Uhr ausgeht, jagen wir euch durch die Stadt", stand da beim Heimspiel gegen Leverkusen, und weil einige Anhänger damals zudem versuchten, den Platz zu stürmen, war es eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung, dieses Vorhaben mit 1,10 Meter zusätzlicher Kletterarbeit zu erschweren.

Vor dem Stadion standen Wasserwerfer, eine Vielzahl von Absperrgittern, Polizisten ritten auf Pferden durch die Menge. Aber es blieb ruhig, auch wenn das Hamburger Stadion bei einem so entscheidenden Spiel erstaunlich leer blieb. Nur 46 739 Zuschauer fuhren in die Arena in Stellingen (Fassungsvermögen: 57 000) - welchen Effekt dabei die Angst vor Randalen hatte, darüber kann man natürlich nur spekulieren.

HSV-Trainer Bernd Hollerbach setzte vor dem Spiel auf ein Trainingslager in Lemsahl-Mellingstedt. Der Ort liegt nördlich von Hamburg, und Boulevard-Zeitungen bezeichneten diese Maßnahme als "Letzte-Hoffnung-Camp". Offensichtlich kam Hollerbach dort auch die Idee, in der Startaufstellung auf Sven Schipplock zu setzen. Das war insofern bemerkenswert, als dass Schipplock das Kunststück fertiggebracht hatte, in bisher 31 Spielen für den HSV kein Tor zu schießen. Das ist keine gute Statistik als Letzte-Hoffnung-Stürmer.

Das Spiel begann dann unspektakulärer, als man befürchten musste. Die Fans feuerten an - und der HSV kam zu Chancen. Schipplock legte den Ball nach ein paar Minuten links am Tor vorbei, der Brasilianer Walace schoss wenig später aus der Distanz aufs Tor. Hamburg begann tatsächlich, wie man im Abstiegskampf so ein Entscheidungsspiel zu Hause angehen sollte: mutig und relativ offensiv. In der 22. Minute setzte Filip Kostic - bis dahin der beste Hamburger - eine Quervorlage von Bakery Jatta an die Latte.

Mainz hätte theoretisch Platz für Konter gehabt, nutzte die Möglichkeiten aber nicht. Robin Quaison hatte noch die beste Möglichkeit, scheiterte aber an Torwart Christian Mathenia.

Die Szene der ersten Halbzeit begann dann mit einem Hackentrick von Schipplock. Der leitete einen Steilpass mit der Ferse durch die Beine zweier Mainzer hindurch auf Filip Kostic, der startete durch, schoss den Ball am Mainzer Torwart Florian Müller vorbei ins Tor, jubelte - und sah dann, wie sich Schiedsrichter Markus Schmidt ans Ohr griff. Hinweis vom Videoschiedsrichter, dass Kostic im Abseits stand. Und zwar deutlich. Der Assistent hob die Fahne offenbar nicht, weil er sich unsicher war, ob nicht noch ein Mainzer den Ball berührt hatte. Da das nicht der Fall war, erkannte Schmidt den Treffer wieder ab.

Zur Halbzeit war der HSV "klar feldüberlegen", wie der HSV-Vorstandvorsitzende Heribert Bruchhagen richtig diagnostizierte. Hamburg hatte 60 Prozent Ballbesitz und Mainz die wirklich bemerkenswerte Fehlpass-Quote von 45 Prozent - was ja nicht anderes hieß, als dass sie tatsächlich kaum zwei Pässe am Stück hinbekamen. "Wir müssen uns belohnen. Man muss zum Erfolg kommen", sagte Bruchhagen dann noch.

Zur Pause wechselte Bernd Hollerbach dann Waldschmidt für Aaron Hunt ein, jener Waldschmidt, der in der vergangenen Saison mit seinem Tor gegen den VfL Wolfsburg die dritte Relegation verhindert hatte (und seitdem auch kein Tor mehr für Hamburg geschossen hat). Das klang immerhin ein bisschen nach Hoffnung. Die Halbzeit begann mit einem Lattentreffer für Hamburg. Rick van Drongelen schoss nach einem zunächst geblocktem Eckball aus dem Hintergrund gegen die Latte. Anschließend streifte ein Freistoß von Daniel Brosinski das Außennetz.

Dann bekam Hamburg den Elfmeter, verschoss den Elfmeter. Und verpasste die drei Punkte. "Das Ding wollte heute nicht rein", sagte Sven Schipplock resigniert. Nächste Woche spielt Hamburg beim FC Bayern.

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