Bundesliga: Neuer-Wechsel:Münchner Machtdemonstration

Die absehbare Verpflichtung von Torwart Manuel Neuer ist ein Zeichen an die eigenen Fans: Beim FC Bayern entscheidet immer noch Uli Hoeneß, wer im Tor steht. Die Liga muss den Bayern hingegen dankbar sein.

Thomas Hummel

Manchmal, für ganz kurze Augenblicke, verwandelt sich Christian Nerlinger in den jungen Uli Hoeneß. Die Lippen werden dann etwas dünner, das Kinn schiebt sich etwas nach vorne und aus den Augen strahlt diese fast unheimliche Selbstsicherheit. Sie besagt: Sind die Angreifer noch so stark, die Zweifler noch so laut - wir werden es allen zeigen. Der FC Bayern ist bald wieder unbesiegbar.

FILE - Manuel Neuer Leaves Schalke 04

Vor einer titelreichen Zukunft? Manuel Neuer.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Einen dieser Uli-Nerlinger-Augenblicke veredelte zuletzt eine Sendung bei Sport1. Bayerns Sportdirektor erklärte dort: "Ich habe Manuel Neuer in einem weißen Trikot gesehen, in einem blauen Trikot gesehen. Aber ich habe ihn auch schon in einem roten Trikot gesehen. Und im roten hat er mir mit Abstand am besten gefallen." Nerlinger lächelte. Er wusste, dass der beste Torwart des Landes bald für seinen FC Bayern München spielen wird.

Am Mittwoch hat Manuel Neuer den lange erwarteten Wechsel vom FC Schalke 04 zum deutschen Rekordmeister offiziell bestätigt. Er wird seinen aktuellen Vertrag bis 2012 nicht verlängern, bei der Pressekonferenz in Gelsenkirchen wurde deutlich, dass der 25-Jährige am liebsten schon im Sommer nach München umziehen will. Es geht nur noch darum, dass Schalke für das größte Torwart-Talent seiner Klubgeschichte so viele Millionen Euro wie möglich kassieren will. Daran werden es die Münchner nicht scheitern lassen.

Es ist der typischste aller Bayern-Transfers: Die Münchner holen sich die besten Spieler von den anderen Bundesliga-Vereinen, verstärken sich damit selbst und schwächen die Konkurrenz. Es ist eine Machtdemonstration an die Liga. Sie besagt: Wen Bayern wirklich haben will, den bekommt Bayern auch. Arturo Vidal aus Leverkusen könnte der Nächste sein. Umso erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet Meister Dortmund seine Mannschaft zumindest ins nächste Jahr retten kann.

Der Transfer verdeutlicht aber auch, dass Uli Hoeneß immer noch das Innenleben des Vereins bestimmt. Der Präsident hatte schon vor einem Jahr verkündet, dass Manuel Neuer der einzige Torwart ist, an dem der FC Bayern interessiert sei. Als dann Trainer Louis van Gaal den jungen Thomas Kraft im Winter ins Tor stellte, war das ein Affront gegen den Hoeneß-Wunsch eines Neuer-Transfers. Dies konnte für den Niederländer nur schlecht ausgehen.

Und die Fans?

Und die Tausenden Bayern-Fans, die das Schild "Koan Neuer" hochhielten? Die beim DFB-Pokal-Halbfinale den Schalker Torwart wüst beschimpften, weil der 25-Jährige als Jugendlicher der Ultra-Gruppe Buerschenschaft angehörte? Auch an sie ist der Transfer eine Machtdemonstration mit der Nachricht: Hier bestimmt immer noch Hoeneß, wer beim FC Bayern im Tor steht! Und nicht Mitglieder eine Jugend-Kultur, die sich unter dem Dach "Ultras" sammeln und keinen Schalke-Ultra im eigenen Tor sehen wollen.

Es wäre dennoch überraschend, wenn das Thema für die Bayern-Führung und Manuel Neuer nun ausgestanden wäre. Auf die Frage, mit welcher Reaktion er von den Schalker Fans rechne, sagte Neuer mit stockender Stimme: "Ich weiß, es werden nicht alle verstehen." Am 30. April kommt Schalke noch einmal mit Neuer zum Bundesliga-Spiel nach München. Fankultur ist heute auch Protestkultur. Und es wird spannend sein, ob sich die Bayern-Kurve in der kommenden Saison durch ein paar gehaltene Bälle auf Linie bringen lässt.

Denn Bälle wird Manuel Neuer halten. Der 25-Jährige gehört zu den besten Torhütern der Welt, seit der Weltmeisterschaft ist das auch den anderen Bayern-Nationalspielern bewusst, weshalb diese intern stark für eine Verpflichtung Neuers geworben haben. Seit dem Karriereende von Oliver Kahn haben die Münchner nun wieder eine Lebensversicherung im Tor.

Doch das Fußballland muss den Bayern auch danken: Es ist das Verdienst der Münchner, dass die Torwart-Attraktion Neuer demnächst überhaupt noch in der Liga zu sehen ist. Der FC Bayern ist trotz des Schalker Champions-League-Abenteuers der einzige deutsche Klub, der im Kampf um die besten Spieler der Welt mit den Klubs aus England, Spanien und Italien mithalten kann. Erstens finanziell, zweitens in puncto Erfolgsaussichten. Was passiert, wenn die Münchner nicht mitbieten, erlebte das Fußballland nach der WM: Mesut Özil, Sami Khedira und Jérôme Boateng verließen die Bundesliga.

Manuel Neuer ist sehr ehrgeizig. Er will in seiner Karriere möglichst viele Titel gewinnen, deshalb ist sein Wechsel nach München folgerichtig. Für den Rest der Liga heißt das: Es wird in den kommenden Jahren weiterhin sehr schwierig sein, den FC Bayern auf Platz zwei zu schicken.

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