Bundesliga: Michael Ballack:Unerwünschte Fürsorge

Training statt Testspiel: Leverkusens Trainer Jupp Heynckes macht bei der Behandlung seiner Spieler keine Unterschiede. Auch für die Rückkehr von Michael Ballack gibt es keine Ausnahme.

Philipp Selldorf

Der Bus nach Osnabrück fuhr am Sonntag gegen viertel vor zwölf ab. Womöglich hat ihm Michael Ballack einen langen sehnsüchtigen Blick hinterher geschickt, er wäre ja gern mitgefahren zum Testspiel von Bayer Leverkusen beim Zweitligisten VfL. Aber der Trainer hatte ihm den Ausflug versagt, er ordnete an, der just genesene Nationalspieler solle daheim an der Fitness arbeiten, und diese überraschende Entscheidung von Jupp Heynckes hat außer beim Betroffenen auch sonst ein einigermaßen lebhaftes Echo ausgelöst. Am schönsten klang es im Express: "Bayer-Dinos zoffen sich um Capitano-Comeback".

Testspiel Bayer 04 Leverkusen - Michael Ballack

Michael Ballack auf der Ersatzbank beim Leverkusener Testspiel in Oberhausen.

(Foto: dpa)

Am nächsten Tag lag jedoch außer bitterer Kälte vor allem Stille und Frieden über dem Leverkusener Trainingsgelände. Der Dino Heynckes hatte seinen Spielern - Dino Ballack inbegriffen - einen freien Tag gewährt, als letzte Verschnaufpause vor dem Start in die Rückrunde, die Bayer am Freitagabend mit dem Spiel gegen Tabellenführer Borussia Dortmund aufsehenerregend eröffnet.

Ob Ballack, 34, dann zum Leverkusener Kader gehört, hat der Trainer noch nicht entschieden, er will die Trainingseindrücke abwarten, aber so oder so empfehlen die wohlwollenden Beobachter dem Capitano a.D., Geduld zu wahren. Wolfgang Holzhäuser, der Geschäftsführer, verweist dabei auf die warnenden Beispiele Simon Rolfes und Stefan Kießling: "Jupp Heynckes hat sie teilweise wochenlang warten lassen, bis sie wieder mitspielen durften. Mit Michael Ballack wird er es vermutlich ähnlich machen."

Ballack war definitiv nicht begeistert, als ihm Heynckes erklärte, er werde ihm die Dienstreise nach Osnabrück ersparen und stattdessen Gelegenheit zu einer Trainingseinheit geben. Das Spiel an der Bremer Brücke sollte, so stand es auch im Fahrplan des Vereins, eine der beiden Etappen auf Ballacks Rückweg in die Bundesliga sein, doch schon bei der ersten Station hatte es Irritationen gegeben: Am Donnerstag bei der Partie in Oberhausen durfte er nur eine Halbzeit mitmachen, nicht weniger als seine Teamkollegen, aber auch nicht mehr.

Heynckes gab damit deutlich zu verstehen, dass er für den Weltstar Ballack keine Ausnahme macht. Dass ihm jedoch der Trainer den zweiten Test am Sonntag glatt vorenthielt, unter anderem mit der Begründung, er wolle die Startelf für das Dortmund-Spiel einüben, überraschte selbst die Leute hinter den Kulissen. Es gab einige aufgeregte Telefonate unter den Verantwortlichen.

"Es gibt keinen Druck der Bayer-AG"

Auch Holzhäuser erhielt einen Anruf. "Als ich das gehört habe, dachte ich: Respekt! Statt sich populistisch zu orientieren, hat der Trainer rational entschieden", erzählt der Manager, "was hätte es dem Spieler denn gebracht, wenn er für ein paar Minuten Einsatzzeit stundenlang nach Osnabrück gefahren wäre." Auch Sportchef Rudi Völler bemüht sich darum, das nicht ungefährliche Thema zu beruhigen. Dem sid sagte Völler am Montag: "Michael ist auf einem guten Weg, aber ihm fehlt halt noch ein bisschen. Und er weiß selbst, dass die Fitness das Maß aller Dinge ist."

Bayer Leverkusen - Training Session

Training statt Testspiel: Ballack soll erst richtig fit werden.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Im Sommer hatten sich die beiden erheblich anstrengen müssen, um Ballack für den Verein zu gewinnen. Die Idee entstand bereits beim Abschiedsspiel für Bernd Schneider Anfang Mai, als Ballack mit einigen Bayer-Leuten bis in die Nacht hinein alte Geschichten aufwärmte, aber geglückt ist seine Heimkehr - er war ja schon zwischen 1998 und 2002 in Leverkusen beschäftigt - nur durch die Eröffnung eines Sonderetats, den der Konzern seiner Fußballtochter gewährte.

Angeblich hat das Engagement ein Volumen von 15 Millionen Euro. Deshalb sind nun im sogenannten Umfeld Mutmaßungen populär, dass jede Entscheidung des Trainers über den Einsatz des Stars ein Politikum bedeute. Holzhäuser widerspricht: "Es ist alles viel harmloser", sagt er, "die Bayer-AG mischt sich nicht ins operative Geschäft, und es gibt auch keinen Druck aus dem Unternehmen."

Holzhäuser heißt es gut, dass Heynckes mit Ballack umgeht wie mit jedem anderem: "Es ist die fürsorgliche Behandlung eines Spielers, der zufällig Michael Ballack heißt." Aber ganz so unzweideutig ist die Sache nicht. Heynckes wird während der Rückrunde eine Reihe von schwierigen Fällen moderieren müssen, der Konkurrenzkampf im nunmehr wieder vollständigen Kader ist größer denn je, nicht nur im defensiven Mittelfeld, wo außer Kapitän Simon Rolfes auch der robuste Chilene Arturo Vidal und der junge Dauerläufer Lars Bender einen Platz beanspruchen.

Auch im Angriff wird Heynckes enttäuschte Kandidaten trösten müssen. Mit seinem rigorosen Vorgehen bei der Heranführung des Weltstars Ballack, gibt der Trainer zu verstehen, dass ihm die Souveränität seiner Position bewusst ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: