Bundesliga: Leverkusen:Ein Ständchen für Toni

"Wir haben Potential": Nach Leverkusens Sieg gegen Mainz kündigt Coach Heynckes an, bis zum Schluss oben mitzuspielen - und die Fans feiern Bayern-Leihgabe Toni Kroos.

Philipp Kreutzer, Leverkusen

Als Spieler war Rudi Völler früher einzig und allein dafür zuständig, Bälle in gegnerische Tore zu schießen. Er hat das bekanntlich sehr häufig getan, und so ist aus ihm ein beliebter Nationalspieler geworden. Später hat Völler auch als Trainer gewirkt, dann ist er schließlich Sportdirektor von Bayer 04 Leverkusen geworden. In dieser Funktion, das wurde beim 4:2 (3:1) der Leverkusener über Mainz und der damit verbundenen Rückeroberung der Tabellenführung deutlich, sind seine Aufgaben ein wenig vielfältiger als früher auf dem Platz.

Bundesliga: Leverkusen: Leverkusens Toni Kroos (l.) winkt nach dem Spiel neben Manuel Friedrich zu den Fans. Das Spiel endete 4:2.

Leverkusens Toni Kroos (l.) winkt nach dem Spiel neben Manuel Friedrich zu den Fans. Das Spiel endete 4:2.

(Foto: Foto: ddp)

Rudi Völler hat nach dem Spiel nicht nur den Mainzer Offiziellen Harald Strutz und Christian Heidel den Weg durch die frisch renovierte Leverkusener Arena Richtung Pressekonferenz gewiesen ("Ihr geht zum Aufzug da vorn, und die nette junge Dame sagt euch, wo ihr hin müsst"), sondern gleich darauf den Journalisten erläutert, wie der Auftaktsieg einzuordnen sei: "Man hat nicht das Gefühl, dass es einen Einbruch geben könnte. Wir sind stabil, ein Rückstand wirft die Mannschaft nicht um. Mit drei Toren in der ersten Halbzeit war Mainz gut bedient."

"Wir haben Potential, wir haben Klasse"

In der Tat beeindruckte es, wie Bayer das 0:1 durch Tim Hoogland (8. Minute) spielerisch beantwortete. Michal Kadlec (15.), Tranquillo Barnetta (19.) und Toni Kroos (30.) trafen zur 3:1-Pausenführung. Was Jupp Heynckes, den Trainer der Unbesiegten, zum Schwärmen anregte: "Für uns ist klar, dass wir bis zum Ende oben mitspielen werden. Wir haben Potential, wir haben Klasse. Es ist ein Phänomen meiner Mannschaft, dass sie zulegen kann." Auch Thomas Tuchel war von Leverkusen angetan. "Um hier etwas mitzunehmen, hätten wir neben einer ausgezeichneten Leistung auch Matchglück haben müssen", sagte der Mainzer Trainer. Torschütze Niko Bungert meinte: "Wir sind realistisch genug, um zu wissen, dass wir bei einer sehr guten Mannschaft gespielt haben."

"Tollen Fußball" seiner Leverkusener hatte auch Völler gesehen. So euphorisch wie Heynckes mochte er sich dennoch nicht äußern. Die von Völler empfohlene Lesart: Auftritt und Resultat möge man bitteschön auffassen als Bruch mit der quälenden Leverkusener Tradition verkorkster Rückrunden und zweiter Plätze, meisterlich allerdings sei die Darbietung der Werkself noch nicht gewesen. Siehe Anfangsphase, siehe zweite Hälfte, als Leverkusen nach dem Mainzer 2:3 durch Bungert (67.) in Turbulenzen geriet, die erst mit Eren Derdiyoks 4:2 (88.) beendet waren.

Man hätte meinen können, die Schwächeperioden seien Völler sogar gelegen gekommen. Ließ sich doch mit ihrer Hilfe die Leistung relativieren. Der Sportdirektor achtet grundsätzlich darauf, den Druck auf die Mannschaft nicht durch allzu forsche öffentliche Aussagen zusätzlich zu erhöhen.

Als Bezugspunkt wählte Völler denn auch statt des FC Bayern lieber seinen Ex-Verein Werder Bremen, Tabellen-Sechster und nach dem 0:1 in Frankfurt "jetzt schon zehn Punkte hinter uns". Ganz glaubhaft wirkt es allerdings nicht, auf Platz fünf und die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb als Ziel zu verweisen, zugleich aber eine noch nie erlebte Stabilität zu rühmen, die alles möglich erscheinen lässt. Es war ein Spagat, den Völler in den Interviews nach Spielschluss vollführte. Eine vielfältige Aufgabe eben.

Drei Stars auf der Bank

Wie Leverkusen abschneiden wird, hängt auch davon ab, ob der innere Frieden erhalten bleibt. Gegen Mainz trugen die zuvor verletzten Simon Rolfes, Patrick Helmes und Arturo Vidal zunächst Mützen und dicke Jacken. Die Stars saßen auf der Bank. Die Frage ist, ob sie - zumal im WM-Jahr - weiterhin so konstruktiv mit der Reservistenrolle umgehen werden, wie es Rolfes' Aussage vermuten lässt: "Wir gehen entspannt damit um, es ist doch positiv, dass Qualität von der Bank kommt."

Heynckes wird darauf achten müssen, dass sich diese offizielle Sprachregelung nicht zu sehr vom tatsächlichen Umgangston innerhalb des Teams unterscheidet. Mehr denn je in seiner Leverkusener Zeit ist er nun als Moderator der Gruppe gefordert. Vielleicht wird sogar der Allrounder Völler gelegentlich eingreifen müssen.

Es wird schließlich nicht so leicht darstellbar sein, Kräfte wie Stefan Reinartz, Arturo Vidal oder Toni Kroos aus der Startelf zu nehmen. Die drei sind inzwischen viel mehr als Lückenfüller, sie gehörten gegen Mainz zu Bayers Besten. Im Fall des kreativen und treffsicheren Kroos wurde erneut klar, weshalb der FC Bayern auf seine Rückkehr im Sommer pocht.

Fan-Empfehlung an Toni Kroos

"Ein Fünkchen Hoffnung" auf den Verbleib des von den Münchnern ausgeliehenen Talents haben sie bei Bayer noch, verriet Völler: "Es hängt ja davon ab, was bei den Bayern passiert, ob zum Beispiel Ribéry geht." Leverkusens Fans taten ihre Meinung dazu während des Spiels in Form eines Ständchens und in Anlehnung an die "Toten Hosen" kund: "Wir würden nie zum FC Bayern München gehn."

Völler weiß, dass ihm in dieser Angelegenheit die Hände gebunden sind, deshalb kümmert er sich vorerst um andere Dinge. Für Mittwoch hat er ein Testspiel bei Zweitligist Aachen arrangiert, um den drei Bankdrückern Spielpraxis zu verschaffen. Eine weitere Aufgabe besteht darin, einen neuen Rasen zu bekommen. Zwar hatten Bayers technisch Hochbegabte gegen Mainz nur selten Mühe mit dem holprigen Geläuf. Doch der Gedanke drängt sich auf: Was passiert erst, wenn diese Mannschaft ihre Kombinationen auf perfektem Untergrund vorführen kann?

"Wir wollten das eigentlich erst im Sommer machen. Aber es ist jetzt nötig", befand Völler. "Wir geben lieber Geld für einen neuen Rasen als für einen 23. Spieler aus. Der Rasen ist unser 23. Mann." Als Kampfansage an die Bayern wollte er diesen Satz nicht verstanden wissen. So etwas sieht Völler nicht als seine Aufgabe an.

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