Bundesliga-Kommentar:Auf Erfolg folgt Erwartung

Stuttgart hat die Meisterschaft verdient, weil es in Rekordzeit seine Mannschaft umgebaut hat. Nun muss der VfB zeigen, ob er auch in Europa und mit aufgerüsteten Bayern mithalten kann.

Ein Kommentar von Thomas Hummel

Die deutschen Fußballfreunde müssen den Vereinen in dieser Saison dankbar sein. Dankbar dafür, dass die Meisterschaft bis zum letzten Spieltag spannend war, zum ersten Mal seit 2002. Dazwischen lähmte oft die Dominanz des FC Bayern, und einmal auch die des SV Werder Bremen, jede Stimmung an der Bundesliga-Spitze. Im vergangenen Jahr moserten die Bayern selbst, dass sie sich bei ihrem Double kurz pflichtbewusst mit Weißbier duschten, aber danach früh ins Bett gingen, weil ohnehin nichts anderes zu erwarten war.

Bundesliga-Kommentar: Meister, zum fünften Mal: der VfB Stuttgart, an der Schale Kapitän Fernando Meira.

Meister, zum fünften Mal: der VfB Stuttgart, an der Schale Kapitän Fernando Meira.

(Foto: Foto: ddp)

Jetzt ist der VfB Stuttgart Meister geworden, und wer die VfB-Fans in der vergangenen Woche erlebte, konnte ermessen, was dieser Titel für den Verein und sein Umfeld bedeutet. Die Schwaben waren kaum ansprechbar ob ihrer Vorfreude. Natürlich, die Schalker sagen, ihre Vorfreude wäre noch größer gewesen, ihr Jubel noch lauter. Nun ist eben ihre Enttäuschung noch tiefer. Das ist kein Grund zur Häme. Aber die Schalker Trauer machte dieses Bundesliga-Finale wieder einmal noch besonderer.

Vom WM-Urlauber zum Leistungsträger

Wer zum Schluss vorne steht, hat es auch verdient. Es ist eine Phrase, aber eine, die stimmt. Titel wie "Meister der Herzen" werden erfunden, um dem Zweiten das Dasein als Zweiten zu erleichtern. Stuttgart ist vor allem deshalb ein hoch verdienter Meister, weil es der Verein in Rekordzeit geschafft hat, aus einer mittelmäßigen Mannschaft eine sehr starke Mannschaft zu bauen. Vor dieser Saison haben Manager Horst Heldt und Trainer Armin Veh einen ungewöhnlich harten Umbruch riskiert - und dabei viel Sachverstand bewiesen.

Dabei haben die klischeehaft sparsamen Schwaben eine Menge Geld in die Hand genommen, für die Mexikaner Pardo und Osorio, für da Silva, Hilbert, Boka zahlten sie Millionen. Doch die eigentliche Leistung vollbrachte Trainer Veh: Unter seiner Regie wurden viele Spieler besser. Zum Beispiel Thomas Hitzlsperger, der sich vom WM-Urlauber zum Leistungsträger entwickelte. Oder Cacau, den der VfB schon abgeben wollte und der inzwischen einer besten Stürmer der Liga ist. Oder Matthieu Delpierre, oder Roberto Hilbert, und auch Mario Gomez war nicht immer so stark.

Selbstvertrauen, Zusammenhalt

Dazu führte Veh die jungen Sami Khedira und Serdar Tasci an die Liga heran. Er vermittelte seinen Spielern großes Selbstvertrauen und schaffte es, den Zusammenhalt im Team zu stärken. So verkraftete die Elf immer wieder Rückstände, am letzten und vorletzten Spieltag drehte sie die Spiele.

Dennoch hat Stuttgart auch von der Schwäche der Konkurrenz profitiert. Vor allem von der Schwäche des FC Bayern natürlich, der für seine jahrelang missratene Einkaufspolitik bezahlte und nun den Umbruch vornehmen will, den der VfB vor einem Jahr vormachte. Werder Bremens Startruppe scheiterte an inneren Querelen, und der FC Schalke, na ja, der FC Schalke scheiterte an den Nerven. Die Erwartungen des Umfelds waren zu viel für die Mannschaft, die zwischenzeitlich sechs Punkte Vorsprung hatte.

Negativ-Beispiel HSV

Die Stuttgarter müssen nun allerdings beweisen, dass sie auch in der europäischen Spitze mithalten können. Bis auf die Bayern und hin und wieder Bremen hat das zuletzt kein deutscher Verein geschafft. Keine Überraschungsmannschaft konnte in der darauffolgenden Saison mit den gestiegenen Erwartungen umgehen. Man erinnert sich mit Schaudern an den Champions-League-Auftritt des Hamburger SV in dieser Saison. Und der VfB muss zeigen, dass er nicht wie von Uli Hoeneß angedroht die aufgerüsteten Bayern bald wieder mit dem Fernglas an der Tabellenspitze suchen muss. Damit die deutschen Fußball-Freunde auch im kommenden Jahr ein spannendes Bundesliga-Finale sehen.

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