Bundesliga:"Ich bin kein Trainer-Killer, aber..."

Fußball 1 Bundesliga 16 Spieltag Borussia Mönchengladbach VfL Wolfsburg am 20 12 2016 im Borussi

Hoch die Hände, Arbeitsende: Mönchengladbachs beurlaubter Trainer André Schubert beim 1:2 gegen Wolfsburg.

(Foto: revierfoto/imago)

...nach einer mäßigen Hinrunde entlässt Gladbach André Schubert. Für ihn kommt Dieter Hecking - der 52-Jährige hat eine besondere Beziehung zur Borussia.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Vor drei Monaten wurde der Vertrag von André Schubert bis 2019 verlängert. Vor einem Monat sagte Vizepräsident Hans Meyer, man sollte Schubert ein Denkmal bauen. Zwischendurch beschwor Manager Max Eberl immer wieder "Kontinuität auch in schwierigen Zeiten". Das hat alles gut geklungen - aber nichts genützt.

Die finalen Akte der Verzweiflung mündeten kurz vor Weihnachten in die Kapitulation: "Am Ende einer kuriosen Hinrunde mit Höhen und Tiefen waren die letzten Wochen ernüchternd", sagte Eberl, "das war nicht mehr die Mannschaft, die wir kennen." Zur akuten Selbstfindung braucht Borussia Mönchengladbach jetzt also einen neuen Trainer.

Nach viereinhalb tollen Jahren mit Trainer Lucien Favre hätten die Gladbacher gern auch viereinhalb tolle Jahre mit Schubert erlebt. Aber Schubert ist nicht Favre. Er konnte eine angeschlagene Elf weniger gut stabilisieren. Er konnte zweifelnden Spielern weniger Selbstvertrauen einflößen. Und er konnte Fußballer nicht in dem Maße besser machen wie sein Vorgänger.

Am Mittwoch hat die Borussia ihren Cheftrainer nach 15 Monaten und 62 Pflichtspielen von seinem Amt entbunden. Der kürzlich verlängerte Vertrag? War dank Klauseln kein Problem. Das Denkmal? Wird nicht gebaut. Die Kontinuität? Wird mit einem neuen Trainer erneut anvisiert.

Der neue Trainer heißt Dieter Hecking und erhält einen Vertrag bis 2019. Der 52-Jährige wurde vor zwei Monaten beim VfL Wolfsburg freigestellt - und hat eine besondere Beziehung zur Borussia. Für sie bestritt er am 30. November 1984 sein erstes Bundesligaspiel: Beim 0:2 gegen Fortuna Düsseldorf wurde er von Trainer Jupp Heynckes in der 75. Minute für Ewald Lienen eingewechselt. Es folgten dann zwar bloß noch fünf Einsätze für Gladbach - aber sein Debüt vergisst man bekanntlich nie. Hecking war damals 20 Jahre alt.

Nun soll er selbst dafür sorgen, dass bei der Borussia weiterhin junge Spieler das Gesicht des Vereins prägen. "Wir werden den Weg mit jungen Spielern weitergehen", sagte Eberl, "aber wir brauchen auch kurzfristig Punkte, damit wir bald wieder in ruhigeren Gefilden stehen." Hecking war mit Wolfsburg 2015 Pokalsieger und Liga-Zweiter. Der erfahrene, bekennend konservative Coach wird wenig Akklimatisierungszeit benötigen. Er kennt den Verein, er wurde in Castrop-Rauxel geboren.

Der Niederbayer Eberl lebt seit 17 Jahren am Niederrhein, er hat sich rhetorisch assimiliert. Nach dem 1:2 gegen Wolfsburg sagte der Sportchef: "Heute Abend haben wir alle den Kappes auf." Kappes ist Rheinisch für "Weißkohl", bedeutet aber auch: "Unsinn". Den Kohl aufhaben heißt: Man kann nicht mehr, man will nicht mehr.

Sieben von 18 entlassen

Die Bundesliga-Trainerwechsel im Herbst 2016

Werder Bremen (18. September) Viktor Skripnik -> Alexander Nouri

Hamburger SV (25. September) Bruno Labbadia -> Markus Gisdol VfL

Wolfsburg (17. Oktober) Dieter Hecking -> Valérien Ismaël

FC Ingolstadt 04 (6. November) Markus Kauczinski -> Maik Walpurgis

SV Darmstadt 98 (5. Dezember) Norbert Meier -> Ramon Berndroth (Interim)

FC Augsburg (14. Dezember) Dirk Schuster -> Manuel Baum (Interim)

Borussia Mönchengladbach (21. Dezember) André Schubert -> Nachfolger offen

Eberl behält sich vor, neue Spieler zu holen

Von den ersten 15 Pflichtspielen unter Schubert hatte die Borussia Ende 2015 nur eines verloren. Sie wurde am Saisonende Vierter und qualifizierte sich gegen Bern für die Champions League. Noch Ende August war die Gladbacher Welt in bester Ordnung. Aber im Fußball kann die Welt schnell aus der Bahn fliegen, von den letzten elf Pflichtspielen hat Gladbach nur eines gewonnen. "Ich bin kein Trainer-Killer, aber die nackten Zahlen sprechen ja für sich", sagt der sonst so kecke Eberl leise. Die beschworene Treue, die ersehnte Kontinuität, der aufwärts strebende Pfeil auf einem Flipchart in Eberls Büro als Symbol für Gladbachs Aufschwung der vergangenen fünf Jahre - all das ist nichts mehr wert, wenn Siege ausbleiben.

Schubert, vormaliger Trainer von Gladbachs viertklassiger U 23, war zunächst als Übergangslösung vorgesehen gewesen, als Favre im September 2015 aufgehört hatte. Der damalige Augsburger Markus Weinzierl war aus Vertragsgründen nicht zu bekommen - und Schubert hatte Erfolg. Unter ihm spielte die Mannschaft plötzlich noch attraktiveren Favre-Fußball als unter Favre selbst. Nach wochenlangem Zögern des Klubs erhielt Schubert daher einen Cheftrainer-Vertrag. Doch der begeisternde Fußball verschwand sukzessive. Über gute Ergebnisse hatte Schubert den Trainerjob bekommen - über schlechte Ergebnisse hat er ihn nun wieder verloren.

Fußball wie eine untalentierte Elf aus lauter Doppelgängern

Seine Arbeit, sein Konzept, seine Persönlichkeit - das alles konnte den Verein nicht überzeugen, an ihm festzuhalten. In seinen letzten Ausführungen versuchte Schubert noch einmal die positiven Seiten seiner Tätigkeit hervorzuheben: "Man darf nicht vergessen, dass wir in der Europa League und im DFB-Pokal verbleiben", sagte er, gestand die verfehlten Erwartungen in der Bundesliga aber ein: "Da hinken wir hinterher, da ist es uns in den vergangenen Wochen nicht gelungen, Selbstvertrauen und Lockerheit zurückzugewinnen. Die Misserfolge haben die Mannschaft immer weiter verunsichert - und ich bin als Trainer dafür verantwortlich."

Dem Sportchef Eberl war die Hinrunde in jeder Hinsicht "zu unruhig - denn Unruhe bedeutet meistens: erschwerte Bedingungen". Das Team hat den Weggang des Anführers Granit Xhaka (FC Arsenal) nicht verkraftet. Relevante Spieler fehlten zwischenzeitlich verletzt. Der dazu gehörende Spanier Alvaro Dominguez wirft dem Klub vor, seine Sportinvalidität verschuldet zu haben. Und in die sportliche Abwärtsspirale hinein soll das Verhältnis zwischen Trainer und Team immer angespannter geworden sein. Am Ende, auch beim 1:2 gegen Wolfsburg, spielten die einst begeisternden Gladbacher einen Fußball wie eine untalentierte Elf aus lauter Doppelgängern.

"Es geht ab sofort darum, dass die Mannschaft wieder stabil wird", sagt Eberl jetzt und behält sich vor, neue Spieler zu holen: "Wir werden auch in dieser Hinsicht versuchen, der Mannschaft neuen Rückhalt zu geben." Von 6. bis 11. Januar trainieren die Gladbacher in Marbella, am 14. Januar spielen sie ein Turnier in Düsseldorf (mit dem FC Bayern), am 21. Januar geht in Darmstadt die Liga weiter. Mit Dieter Hecking.

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