Bundesliga: HSV und St. Pauli:Sorgen um die Fußball-Hauptstadt

Der HSV stieg vom Champions-League- Aspiranten zur überteuerten Mittelmaß-Mannschaft ab, der FC St. Pauli wird die oberste Klasse wohl zum fünften Mal verlassen müssen.

Jörg Marwedel, Hamburg

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat viele Merkmale: Die zweitgrößte Stadt Deutschlands ist für viele die schönste unter den Metropolen, kürzlich wurde sie gar zur "Green Capital" ausgerufen, der Umwelthauptstadt Europas. Und dann gab es da noch jenen inoffiziellen Titel als "Fußball-Hauptstadt Deutschlands", weil allein sie in dieser Spielzeit zwei Bundesligaklubs beherbergte.

1. FC Kaiserslautern v FC St. Pauli - Bundesliga

Trauer nach der Niederlage gegen Kaiserslautern: Die Fans des FC St.Pauli müssen wohl den fünften Abstieg aus der Bundesliga verkraften.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Den einst ruhmreichen Hamburger SV, der als einziger Verein immer dabei war, seit es die Bundesliga gibt, seit 1963. Und den Stadtteilklub FC St.Pauli, der mit seinen braun-weißen Shirts weltbekannt ist, nicht nur wegen den ungewöhnlichen Vereinsfarben, sondern wegen seines unweit der Amüsiermeile Reeperbahn gelegenen, englisch wirkenden Stadions - und der ungewöhnlichen, eher linken Fan-Kultur.

Jetzt muss Hamburg die Bezeichnung wieder hergeben und vermutlich an die Städte Dortmund (Meister) und Gelsenkirchen (vielleicht DFB-Pokalsieger) abtreten. Zwei Orte, die sich nicht mögen, aber zusammen für die fußballerische Metropolregion Ruhrgebiet stehen. Während der HSV in den vergangenen zwölf Monaten vom Champions-League- Aspiranten zur überteuerten Mittelmaß-Mannschaft abstieg, wird der FC St. Pauli die oberste Klasse wohl zum fünften Mal verlassen müssen.

Gleichwohl muss man sich mehr Sorgen um den HSV machen, den die Fans zuletzt mit Spott überhäuften. In dieser Saison gab es nur einen Erfolg: Die Hamburger liegen mal wieder vor dem Nord-Konkurrenten Werder Bremen, was aber nicht schwer war, denn die anderen Hanseaten spulen gerade die schlechteste Spielzeit seit dem Abstiegsjahr 1979/80 herunter.

Nun muss der HSV (der nach dem FC Bayern und Schalke zuletzt den höchsten Umsatz hatte) auch aus wirtschaftlichen Gründen einen "Umbruch mit jungen Spielern" vollziehen, wie der neue Trainer Michael Oenning betont. Denn das Team, das von den Namen her - van Nistelrooy, Elia, Zé Roberto - nach Champions League klang, ist zu alt (weshalb beispielsweise der auslaufende Vertrag des bald 37 Jahre alten Zé Roberto nicht mehr verlängert wurde). Es ist eher eine nach marketingtechnischen als nach fußballspezifischen Aspekten zusammengestellte Elf gewesen.

Auch deshalb ist der alte Vorstand mit Bernd Hoffmann und Stellvertreterin Katja Kraus geschasst worden. Das ehrgeizige Ziel, einmal unter die Top Ten Europas zu kommen, ist jedenfalls weit entfernt. Das hat auch damit zu tun, dass Hoffmann und Kraus das Konzept gekippt hatten, Talente mit prächtigen Perspektiven wie van der Vaart, de Jong oder Boateng zu holen. Seit der Trennung von Sportchef Dietmar Beiersdorfer hat das Duo zu viele Fehler gemacht, welche den vier im Januar in den Aufsichtsrat gewählten Oppositionellen den Anlass gaben, die Vertragsverlängerung zu verweigern.

Acht Trainer in acht Jahren

Hoffmann hat acht Trainer in acht Jahren verschlissen; die Suche nach einem neuen Sportchef nach dem Abschied von Beiersdorfer im Juni 2009 hat trotz der zwischenzeitlichen Beförderung von Bastian Reinhardt im Grunde bis März 2011 gedauert, als der Däne Frank Arnesen vom FC Chelsea für die kommende Saison verpflichtet wurde. Diese Hängepartie wiederum war weniger Hoffmann anzulasten als dem Aufsichtsrat, der mit zwölf Mann viel zu groß ist und oft halböffentlich plaudert. Zudem hatten auf für den HSV peinliche Weise Urs Siegenthaler und Matthias Sammer abgesagt.

Hamburger SV - SC Freiburg

Wieder enttäuscht: Torwart Frank Rost nach der Niederlage des Hamburger SV gegen Freiburg.

(Foto: dapd)

Die Jagd nach neuem Geld hat Hoffmann wohl den Job gekostet. Seine Vereinbarung mit dem Milliardär Klaus- Michael Kühne, der 12,5 Millionen Euro gab und dafür an den Ablösesummen von sechs Profis zu je einem Drittel profitieren soll, fanden nicht nur die Rebellen fragwürdig. HSV-Ikone Uwe Seeler setzte sich quasi an die Spitze der Hoffmann-Gegner. Nur der neue Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte Bedenken gegen die Ausbootung der alten Führung: Er sei nicht sicher, ob diese Entscheidung "von Experten getroffen worden sei".

Auch dem FC St. Pauli gelang letztlich nur ein Erfolg: Das 1:0 beim HSV im Februar beendete 33 sieglose Derby- Jahre. Ansonsten gab es nach den monatelangen Aufstiegs- und Jubiläumsfeten 2010 (der Klub wurde 100) einen heftigen Kater. Der begann mit dem Rücktritt von Präsident Corny Littmann, es folgte der Streit mit der Fangruppe "Sankt-Pauli-Ultras", die drohte, die Unterstützung einzustellen, weil ihnen der Klub zu kommerziell geworden sei.

Der frühere Spieler René Schnitzler gab zu, in den Wettskandal verwickelt zu sein, und es wurden, vermutlich ohne Grund, weitere St.Pauli-Profis verdächtigt, für Geld Niederlagen in der zweiten Liga begünstigt zu haben. Am Schluss wurde der Abstiegskampf dadurch erschwert, das Coach Holger Stanislawski seinen Abschied nach 18 Jahren ankündigte.

Es ist eine Pointe, dass man das letzte Heimspiel vor dem vermeintlichen Abstieg gegen jenen FC Bayern austrägt, der in den St.-Pauli-Annalen zweimal besondere Erwähnung findet: einmal im Februar 2002, als der damaligen Weltpokalsieger 2:1 besiegt wurde, was als größte Leistung der Geschichte abgelegt wurde; und anderthalb Jahre später, als der Rekordmeister zum kostenlosen Freundschaftsmatch antrat, um den FC St.Pauli vor der Insolvenz zu bewahren. Zumindest diese Gefahr droht dem Klub nun nicht mehr.

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