Bundesliga:HSV hofft auf das "Wunder von Bernd"

Lesezeit: 3 min

  • Der Hamburger SV verpflichtet Bernd Hollerbach als Nachfolger von Markus Gisdol.
  • Die Erwartungen an den früheren HSV-Spieler sind groß, der von Hamburg als seiner zweiten Heimat spricht.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und zur Tabelle der Bundesliga.

Von Jörg Marwedel und Sebastian Leisgang, Hamburg

Bernd Hollerbach hat sich mit seinem Herzensverein Hamburger SV, für den er zwischen 1996 und 2004 als Linksverteidiger spielte, eigentlich permanent beschäftigt. Und vor dem am Samstag mit 0:2 verlorenen Spiel gegen den 1. FC Köln noch ein bisschen mehr. HSV-Sportchef Jens Todt hatte ihn vorsorglich angerufen für den Fall, dass Markus Gisdol die Wende nicht mehr schaffen würde. Es war also alles vorbereitet, bevor der Franke am Montagnachmittag mit HSV-Mütze und Pfeife gemeinsam mit seinen Assistenten Steffen Rau und Matthias Kreuzer sein erstes Training in seiner "zweiten Heimat" leitete. So nennt er Hamburg gerne. Und der HSV hofft nun auf das "Wunder von Bernd".

Kommentar
:Der Dino muss weg

Weiterwursteln, bis immer wieder der nächste Feuerwehrmann kommt? Es braucht einen Einschnitt, wenn der HSV nicht die größte Geldverbrennungsanlage der Bundesliga bleiben will.

Kommentar von Thomas Hahn

"Ich glaube, groß vorstellen muss ich mich nicht", so begann Hollerbach seine erste Pressekonferenz am Montagabend. Er glaube mehr "an Chancen als an Scheitern", sagte er und sprach von Ordnung, Stabilität und einer Mannschaft, die eine Einheit werden müsse. Er benutzte also schon mal die richtigen Abstiegskampf-Vokabeln. Und trotzdem bleibt zunächst die Frage offen, wen der Abstiegskandidat mit Hollerbach da bekommt, der erstmals als Bundesliga-Cheftrainer arbeitet und einen Vertrag bis 2019 (einschließlich zweite Liga) unterschrieb? Ist Hollerbach, 48, der zwölfte Feuerwehrmann in elf Jahren, ein Trainer, der mehr will als einst als Spieler, als sein Motto lautete: "An mir kommt entweder der Ball vorbei oder der Gegner, aber nie beide"? Ist er mehr als der Spieler, der nach Stefan Effenberg (114) und David Jarolim (96) mit 95 die drittmeisten gelben Karten in der Liga-Geschichte gesehen hat - und den sie "Holleraxt" nannten?

Natürlich ist Hollerbach geprägt von Felix Magath, dem er fünf Jahre als Assistent bei Schalke 04 und beim VfL Wolfsburg diente. Das gefällt Hollerbach nicht, obwohl ihn bis heute eine Freundschaft mit seinem einstigen HSV-Coach verbindet. Regelmäßig spielen die beiden noch Schafkopf. Doch ganz falsch ist diese Analyse nicht. Auch Hollerbach hat - wie einst Magath in Schalke und Wolfsburg - bei seinem letzten Verein Kickers Würzburg alles bestimmt. Er war Trainer und Manager in einem, war für jeden Transfer zuständig und bestimmte knallhart, welche Profis nach dem Spiel in die Mixed Zone durften und welche nicht. Das Hollerbach-Spiel ist extrem physisch, es kommt extrem über die Fitness, wie bei Magath. In Würzburg sah das nicht schön und vor allem defensiv aus, war aber lange erfolgreich.

"Ich reagiere auf das, was die Mannschaft mir anbietet", sagte Hollerbach In Würzburg zog er die Spieler vor einem Spiel auch mal zu einer Bierrunde zusammen. Auf diese Weise stieg er mit den Kickers von der Regionalliga bis in die zweite Bundesliga auf. Höhepunkt war im Dezember 2016 Platz sechs nach einem 3:0 gegen den späteren Aufsteiger VfB Stuttgart. Doch seit Hollerbach intern plötzlich das Ziel Bundesliga-Aufstieg vorgab, ging es bergab mit der spielerisch begrenzten Mannschaft. Am Ende mussten die Würzburger doch wieder in die dritte Liga, ohne Rückrunden-Sieg. Und "Mister Kickers" trat im Mai 2017 zurück. Viele im HSV-Umfeld sind nun skeptisch bezüglich der Trainerwahl, einer aber überhaupt nicht. "Die Mannschaft darf damit rechnen, dass sie besser trainiert und besser geführt wird", sagte Felix Magath der Bild, und dem Abendblatt teilte er mit, Hollerbach sei "kein Anhängsel in meinem Trainerteam gewesen, sondern ein ganz wichtiger Mitstreiter". Sportchef Todt lobte, dass Hollerbach in Würzburg "trotz bescheidener Mittel" erfolgreich gewesen sei - und hob hervor, dass er "Disziplin, natürliche Autorität und Herzlichkeit" verbinde.

Hollerbach muss nun möglichst schnell einige personelle Fragen klären. Ob er weiter auf den Brasilianer Walace setzt, der im Prinzip auf gepackten Koffern sitzt? Ob er stattdessen lieber den Leipziger Mittelfeldspieler Dominik Kaiser verpflichten will, mit dem der Kontrakt angeblich schon ausgehandelt ist? Und welche möglichen weiteren Verstärkungen will er haben? "Wir sondieren ganz intensiv den Markt und sind nicht untätig", sagte Todt. Doch neue Spieler dürften teuer sein - und dieses Problem kann wohl nur von Investor Klaus-Michael Kühne gelöst werden. Allein die vielen Trainerwechsel in den vergangenen sieben Jahren kosteten den HSV einschließlich Gisdols Entlassung mehr als acht Millionen Euro - wobei die Abfindung für Gisdol noch verhandelt werden muss. Theoretisch stehen ihm angesichts des noch bis 2019 laufenden Vertrages mehr als zwei Millionen Euro zu. Bei Hollerbach könnte dem HSV eher der vorzeitige Abschied aus privaten Gründen drohen. Der Franke hat mit seinem Vater eine Vereinbarung, wonach er die Familien-Metzgerei in Rimpar übernimmt, wenn dieser nicht mehr arbeiten kann. Ob es eine "Metzger-Klausel" im Vertrag gibt? In der Umfrage eines fränkischen Radio-Senders am Montag haben es Hörer nicht verstanden, weshalb ihr Idol zum heruntergewirtschafteten Hamburger SV zurückkehrt. Für Hollerbach aber ist es die Chance, etwas für seinen Herzensverein in seiner zweiten Heimat zu tun.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

HSV
:Und wieder nichts mit Kontinuität

Unter Tränen verlässt Markus Gisdol das Vereinsgelände des HSV. Klub-Chef Heribert Bruchhagen wollte vor der Saison die ständigen Trainer-Wechsel beenden - jetzt soll es wohl Bernd Hollerbach versuchen.

Von Jörg Marwedel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: