Bundesliga:Hamburg klammert sich ans Wunder

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Ist es da? Das Fußballwunder, das dem HSV die Relegation sichert? Lewis Holtby glaubt daran (Foto: REUTERS)
  • Der Hamburger SV hat nach dem 0:3 gegen Eintracht Frankfurt immer noch Chancen auf den Relegationsplatz, ist am letzten Spieltag aber auf den VfL Wolfsburg angewiesen.
  • Gegen Frankfurt treffen die Hamburger zwei Mal, die Tore werden aber beide Male zurückgepfiffen.
  • Frankfurt-Trainer Kovac wechselt den lange verletzten Alexander Meier ein - der bedankt sich prompt mit einem Tor.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Mitten in den ohnehin schon schweren Gang mischte sich der Spottgesang. Von der Mittellinie aus machten sich die Hamburger auf den Weg in die Kurve mit ihren Fans, Lewis Holtby sprang sogar über die Absperrung, um nochmal ganz an den Zaun zu gehen, die anderen klatschten aus etwas sichererer Entfernung zu. Und in diesem Moment schallte es von der anderen Seite lautstark her: "Wir singen Hamburg, Hamburg, zweite Liga", gab Frankfurts Anhang zum Besten.

Nun, ein endgültiger Fakt ist das nach dem 0:3 in Frankfurt noch nicht. Theoretisch ist der HSV angesichts von zwei Punkten Rückstand auf den VfL Wolfsburg auf dem Relegationsplatz 16 noch nicht abgestiegen. Aber es ist eine brutale Konstellation. Hamburg muss am letzten Spieltag gegen Mönchengladbach gewinnen, und zugleich muss der Tabellensechzehnte aus Wolfsburg zu Hause gegen Köln verlieren. Nur wenn beides eintritt, darf der HSV noch in die Relegation - zum dritten Mal in den vergangenen fünf Jahren. Spielt der VfL Remis, wird ihm das wegen der um zehn Treffer besseren Tordifferenz reichen.

Natürlich hat es hinterher keinen einzigen Hamburger gegeben, der sich schon zum offiziellen Absteiger erklärt hat. Sondern alle haben sie beteuert, noch an ein Fußball-Wunder zu glauben, was sollen sie auch anderes sagen. "Wir werden auf jeden, jeden Fall gewinnen", sagte Gotoku Sakai, der Kapitän. "Ich glaube noch an die Rettung", sagte Nicolai Müller, der nach seiner beim Torjubel erlittenen Kreuzband-Verletzung sein Comeback gab. "Ich habe direkt in der Kabine das Wort an die Mannschaft gerichtet. Alle glauben noch daran. Ich traue uns einen Sieg zu und dann schauen wir, was in den anderen Stadien passiert", sagte Christian Titz, der Trainer.

Aber wie wahrscheinlich ist es wirklich, dass das Rettungsszenario eintritt? Es ist eher so, dass sich Hamburg damit abfinden muss, nach 55 Jahren in Liga eins in der kommenden Saison nur zweitklassig zu sein.

Dabei wäre es für die Hamburger in Frankfurt durchaus möglich gewesen, ihre Ausgangsposition zumindest etwas angenehmer zu gestalten. Auch wenn es sicher nicht das beste Spiel der Hamburger war, seitdem dort Titz vor sieben Wochen das Traineramt übernahm und mitten im Kampf um den Klassenerhalt einen verstärkten spielerischen Ansatz verordnete. Zwar hatte der HSV viel Ballbesitz, aber keine zündenden Ideen vor dem gegnerischen Tor. Und als sie mal aufflimmerten, funkte ihnen der Video-Assistent aus Köln dazwischen. Lewis Holtby spielte nach 25 Minuten einen wunderbaren Pass auf Tatsuya Ito, der guckte Frankfurts Torwart Lukas Hradecky aus und schob den Ball ins Tor. Doch mitten in den Jubel platzte das Signal von Schiedsrichter Deniz Aytekin: Ein paar Zentimeter hatte Ito beim Zuspiel im Abseits gestanden.

Kovac bringt den Fußballgott

Das war aus psychologischer Sicht schon bitter genug, aber dann kam auch noch erschwerend dazu, dass die Frankfurter kurz darauf ihre Chancen nutzten. Hamburgs Deckung verteilte sich schlecht, der freistehende Marius Wolf nutzte es aus und tunnelte Julian Pollersbeck zur 1:0-Führung (31.). Nach der Pause wurde der HSV dennoch offensiver und kam zu zwei guten Torchancen. Aber erst scheiterte Bobby Wood an Hradecky, dann lenkte Hradecky einen Distanzschuss von Douglas Santos an den Pfosten. Den Abpraller verwertete Holtby zwar per Kopf, doch wieder kam das Zeichen von Aytekin: Abseits. "In diesen Szenen hätten wir noch einmal zurückkommen können", sagte Titz. Aber als in der 77. Minute die Frankfurter eine ihrer zunehmenden Konterchancen gut ausspielten und Omar Mascarell das 2:0 markierte, war die Partie entschieden.

Dafür war es dann Zeit für einen ungewöhnlichen Auftritt bei den Frankfurtern. Fünf Minuten vor Schluss brachte Niko Kovac tatsächlich den Stürmer Alex Meier. Von den Fans wird der als ewiger "Fußballgott" gepriesen, in dieser Saison war er aufgrund von Verletzungen noch gar nicht zum Einsatz gekommen, und ein weiteres Engagement bei der Eintracht ist eher unwahrscheinlich. Ein Dankeschön für dessen langjährigen Dienste sei das, sagte Kovac. Aber ein bisschen Eigennutz schwang wohl auch mit: Kovac war ja wegen seines Wechsels zum FC Bayern und insbesondere dem konkreten Ablauf bei den Teilen der Anhängerschaft schwer in die Kritik geraten. Da konnte es nicht schaden, als Geste der Versöhnung den beliebten Fußballgott zu bringen und für eine gute Stimmung zu sorgen.

Wie gut diese Geschichte enden würde, konnte er da natürlich noch nicht ahnen. Denn just dieser Alex Meier war es, der nach nicht einmal fünf Minuten Einsatzzeit auch noch das 3:0 erzielte. Und plötzlich wirkte es in Frankfurt so, als sei der ganze atmosphärische Ärger der vergangenen Wochen vergessen und die Zuversicht für die beiden finalen Spiele immens gewachsen: für das letzte Ligaspiel bei Schalke, in dem die Frankfurter ihren Europa-Startplatz absichern können - und für das Pokalfinale gegen den FC Bayern.

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