Bundesliga:Hänselei provoziert den BVB

VfL Wolfsburg - Borussia Dortmund

Zum Niederknien: Torschütze Shinji Kagawa (links), Torschütze Marco Reus und Vorlagengeber Henrikh Mkhitaryan (rechts) bejubeln den Siegtreffer in Wolfsburg.

(Foto: Nigel Treblin/dpa)

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Wer sich einen Begriff davon machen wollte, wie massiv das Spiel in Wolfsburg den Dortmunder Trainer Thomas Tuchel aufgewühlt hatte, der kam um die Szenen in den Schlussminuten nicht herum. "Das war ungebührlich!" - so bedauerte der Trainer später seine provokativen Gesten und Worte sowie den Tritt, den er einer Werbebande verpasst hatte. Schiedsrichter Tobias Stieler verwies ihn dafür des Innenraums; er war wohl der Einzige im Stadion, der Tuchels Emotionen nicht nachvollziehen konnte, nachdem dessen Borussia die Neuauflage des jüngsten Pokalfinales noch mit 2:1 gewonnen hatte.

Zu ungeheuerlich war die Wucht des letzten Augenblicks gewesen. Eine Stunde lang hatte die Borussia durch ein Tor von Marco Reus (32. Minute) in Führung gelegen, dann aber pfiff der zuvor schon nach Geltung drängende Referee in der 90. Minute einen Foulelfmeter, der am Wolfsburger André Schürrle verbrochen worden sein sollte. Wolfsburgs Linksverteidiger Ricardo Rodríguez traf zum 1:1, Wolfsburgs Co-Trainer ließ sich, so berichtete es jedenfalls Tuchel, zu einer Hänselei hinreißen, die der Dortmunder Trainer offenbar auf der Festplatte speicherte. Was später seine eigene Genugtuung wohl umso größer werden ließ.

Und so bilanzierte Tuchel am Ende ein "untypisches Tor für eine Auswärtsmannschaft, die in der letzten Minute einen Elfmeter bekommen hatte". In der Tat geriet ebendieser Pfiff nicht zum vernichtenden Nackenschlag, sondern fast schon zum reinigenden Moment - weil er bei den Dortmundern paradoxerweise nicht Frust, sondern Gelassenheit hervorrief: "Wir haben in den letzten drei Minuten noch einmal ruhiger Fußball gespielt und ein wunderschönes Tor herausgespielt", wunderte sich Tuchel; dessen Schütze war nach formidablem Pass von Henrikh Mkhitaryan der eingewechselte Stürmer Shinji Kagawa.

Am Dienstag sollte sich der VfL solche Fehler nicht erlauben - dann kommt Manchester United

Selbst der Gegner staunte. "Das war ein Super-Tor", sagte Wolfsburgs Stürmer Bas Dost: "Die spielen den Ball auf die andere Seite, Direktabnahme, Flanke, guter Abschluss. . . Das ist einfach Qualität." Sie sollte eigentlich ausreichen, um die Hatz auf den FC Bayern anzuführen. Oder?

Gemach, sagte Tuchel, das Saisonziel im Sommer sei gewesen und bleibe, Mannschaften wie Wolfsburg, Leverkusen und Mönchengladbach zu attackieren - also jene, die in der vergangenen Spielzeit hinter den Bayern, aber vor den Dortmundern gelandet waren. Schalke 04 erwähnte Tuchel übrigens nicht. Dafür erinnerte er an jene etwa 60-minütige Phase, in der die Partie in Wolfsburg den Dortmundern trotz Führung zu entgleiten drohte: Das zeige, woran man eigentlich arbeiten müsse, sagte Tuchel.

Allofs: "Das darf nicht sein! Tut mir leid!"

Gleichwohl: Selbst diese schwächere Phase machte nicht vergessen, dass die Dortmunder in der ersten Halbzeit brilliert hatten. Schon in den ersten fünf Minuten fabrizierten sie zwei Querlattentreffer. Tuchel schwärmte von den vielleicht besten Minuten in dieser Saison, Manager Michael Zorc sprach von einem Ausrufezeichen.

Dann allerdings ereilte das erste paradoxe Ereignis diese Partie: Reus' 1:0 führte zu einer derartigen Wolfsburger Dominanz, dass Tuchel sich später gar versprach und das Tor als Gegentreffer bezeichnete. In der Tat spielten die Wolfsburger von nun an derart gute Chancen heraus, dass sie sich hernach nachvollziehbar ärgerten, dass der zwischenzeitliche Ausgleich nur zwei Minuten hielt. "Wenn du in der 90. Minute ein Tor machst, darfst du niemals noch einen Gegentreffer kassieren, sagte der Schütze Rodríguez.

Für die Wolfsburger war die erste Niederlage nach 29 nicht verlorenen Heimspielen in Serie umso betrüblicher, als sie einer Aufsehen erregenden Prüfung vorgeschaltet war. Am Dienstag (20.45 Uhr, live in Sky) gastiert Manchester United in Wolfsburg zum letzten Gruppenspiel der Champions League. Da sollten sich Fehler wie vor dem 0:1, als Mittelfeldspieler Joshua Guilavogui den Ball leichtfertig vertändelt hatte, oder auch die irrsinnig vergebene Großchance durch Bas Dost (62.) besser nicht wiederholen.

"Das darf nicht sein! Tut mir leid!", zürnte Manager Klaus Allofs, "am meisten regt mich aber auf, dass wir am Ende nicht wie eine Spitzenmannschaft agiert haben." Davon ist Wolfsburg, anders als der BVB, derzeit tatsächlich recht weit entfernt.

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