Bundesliga:Grenzerfahrung für Frankfurt

Bundesliga: Gebannte Blicke: Der Augsburger Ja-Cheol Koo (Zweiter von rechts) erzielt das 1:0 gegen Eintracht Frankfurt.

Gebannte Blicke: Der Augsburger Ja-Cheol Koo (Zweiter von rechts) erzielt das 1:0 gegen Eintracht Frankfurt.

(Foto: Guenther Schiffmann/AFP)

Von Sebastian Fischer, Augsburg

Am Sonntagnachmittag begann ein Fußballspiel in Augsburg, doch wer um 15.30 Uhr in der Arena saß oder stand und kurz die Augen schloss, der konnte auch denken, er sitze oder stehe in Frankfurt. Die Fans der Eintracht sangen sehr laut ihre Lieder, sie singen in fremden Stadien in diesen Tagen ja meistens mit durchaus berechtigtem Stolz: Frankfurt ist hinter dem FC Bayern Zweiter der Auswärtstabelle. Und es war die Geschichte dieses Spiels, dass Frankfurt mit einem Sieg auch in der offiziellen Tabelle auf Platz zwei vorrücken und seinen Status als Überraschungsmannschaft festigen konnte.

Besser gesagt: Es sollte die Geschichte dieses Spiels werden. Aber es gibt da noch ein anderes Überraschungsteam, das heißt FC Augsburg. Und das gewann 3:0 (1:0).

Frankfurts Trainer Niko Kovac - selbst aufgrund der Gerüchte um seine mögliche, eher ferne Zukunft als Trainer des FC Bayern im Mittelpunkt des gegenwärtigen Hypes um die Eintracht - hatte seinen Spielern unter der Woche das Träumen vom Europapokal erlaubt, sofern sie dafür auch entsprechend arbeiten würden. Doch die Augsburger, denen das Träumen vom Europapokal von Vereinsseite eher nicht nahegelegt wird, arbeiteten besser. Das Fehlen der verletzten Leistungsträger Jeffrey Gouweleeuw und Alfred Finnbogason sowie des suspendierten Daniel Opare war kaum spürbar. Insbesondere der Rauswurf Opares aus disziplinarischen Gründen (siehe Kolumne rechts) war das Thema rund ums Spiel, doch Raphael Framberger spielte in dessen Vertretung als Rechtsverteidiger so souverän, dass Augsburg keine Probleme bevorzustehen scheinen.

Schon nach sechs Minuten hätte der FCA in Führung gehen müssen, der Innenverteidiger und Gouweleeuw-Ersatz Kevin Danso kam nach einer Ecke von Philipp Max frei zum Kopfball, der Ball flog über die Latte. Doch ähnlich frei kam auch rund eine Viertelstunde später Ja-Cheol Koo im Frankfurter Strafraum an den Ball. Philipp Max hatte einen Freistoß in Richtung Tor getreten, Frankfurts Abwehr nur unzureichend geklärt. Koo kontrollierte den Ball, drehte sich und platzierte ihn in aller Ruhe neben den Pfosten ins Tor.

Zu diesem Zeitpunkt war es dann übrigens sehr wohl zu hören, dass hier der FC Augsburg ein Heimspiel bestritt. Koo, seit der Rückrunde in starker Form, drehte zum Jubeln ab.

Augsburg deckt Frankfurter Schwächen auf

Es war durchaus beeindruckend zu sehen, wie Augsburg die Frankfurter, zuvor fünf Spiele ohne Niederlage und in drei davon siegreich, kontrollierte; wie Augsburg die Schwächen der Eintracht aufdeckte. Frankfurt hatte zwar häufiger den Ball, aber musste sich vom FCA zeigen lassen, wie es funktioniert, schnörkellos und effektiv zum gegnerischen Tor zu gelangen. 12:3 lautete die Torschussbilanz der ersten Hälfte aus Augsburger Sicht. Caiuby (32.) und Michael Gregoritsch hätten zur Pause längst die Führung erhöhen müssen.

Die Eintracht ist in dieser Saison so stark, weil Kovac es gelungen ist, aus einer Vielzahl talentierter, geliehener, neu verpflichteter, teils als schwierig geltender Profis eine funktionierende Mannschaft zu formen, die nicht nur wie in den vergangenen Jahren hart kämpft, sondern auch eine spielerische Linie entwickelt. In Augsburg waren davon aber nur Ansätze zu sehen, die Schnelligkeit des Rechtsaußen Marius Wolf zum Beispiel. Doch sinnbildlich für die Leistung der Eintracht war eher der Auftritt von Kevin-Prince Boateng. Der meist foulende Spieler der Liga war am Sonntag der meist am Boden liegende Spieler - meist mit ausgestreckten, fragenden Armen in der Luft: Was ist hier los?

Ähnlich gestikulierte oft Verteidiger Simon Falette, an dem Augsburgs Finnbogason-Ersatz Marcel Heller immer wieder vorbei sprintete. Einzig Kovac gestikulierte nicht, sondern bedeutete Falette eher, sich zu beruhigen. Es ist ja auch ein Qualitätsmerkmal eines Trainers, die Grenzen einer Mannschaft zu erkennen und realistisch einzuschätzen, wenn es Tage gibt, an denen sie nicht zu verschieben sind.

"Augsburg", sagte er später, "hat uns mit den Basics des Fußballs besiegt." Nach 76 Minuten flog der Ball mal wieder durch Frankfurts Strafraum, Caiuby legte per Kopf quer, Gregoritsch nahm ihn an, jonglierte einmal, drehte sich, traf zum 2:0. Es war ein Tor, das Augsburgs Überlegenheit ausdrückte. FCA-Trainer Manuel Baum sprang so fröhlich jubelnd auf den Rasen, als wäre nun er der Trainer der Mannschaft der Stunde. Und in der 89. Minute erhöhte Marco Richter auf 3:0. Augsburgs Rückstand auf Frankfurt beträgt nun zwei Punkte.

Kostic rettet HSV einen Punkt

Filip Kostic hat dem neuen HSV-Trainer Bernd Hollerbach vor einem völlig missglückten Heim-Debüt bewahrt. Der Serbe erzielte am Sonntag kurz vor Schluss den Ausgleichstreffer für den Hamburger SV zum 1:1 (0:1) gegen Nordrivale Hannover 96. Trotzdem hilft den Hanseaten der Punkt nicht entscheidend weiter, denn bis zum Relegationsplatz sind es immer noch drei Punkte. 46 016 Zuschauern im erneut nicht ausverkauften Volksparkstadion blieb immerhin die sechste Heimpleite des HSV erspart.

In den nächsten Partien erwarten die Hamburger mit Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen zwei schwere Gegner. "Wir werden alles dafür geben, den Dino in der Liga zu halten", sagte HSV-Torhüter Christian Mathenia und ergänzte: "Wir hatten einen anderen Plan und wollten die drei Punkte hier behalten. Wir stecken im Abstiegskampf, da ist das Selbstvertrauen nicht bei 100 Prozent. Moralisch war es aber gut."

Das Führungstor für Hannover 96 erzielte der Norweger Iver Fossum (37. Minute). Das Team von Trainer André Breitenreiter liegt damit in der Tabelle auf Platz zehn, wenngleich die Gäste auswärts seit sechs Spielen ohne Sieg sind. Die Hanseaten verlängerten indes ihre Erfolglosserie auf acht Spiele ohne Dreier. Solch eine Fehlleistung verzeichneten sie schon in der Hinrunde. Dazu sah auch noch Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos die Gelb-Rote Karte wegen wiederholten Foulspiels (90.+3).

Der Grieche hatte Glück, dass er nicht früher in der Partie glatt Rot gesehen hatte. "Das war eine klare Rote Karte", schimpfte 96-Manager Horst Heldt und haderte mit dem Remis: "Es wäre mehr drin gewesen. Wir müssen das 2:0 machen. Wir hatten die Möglichkeiten, haben aber nicht die Konter zu Ende gespielt."

Die Hamburger spielten lange Zeit gehemmt, geradezu ängstlich. Sie wollten nicht wie im Heimspiel gegen den 1. FC Köln (0:2) zwei Wochen zuvor in einen Konter laufen. Nach vorne ging jedoch kaum etwas. In der niveauarmen Partie fehlten den Gastgebern Passgenauigkeit, Ballbeherrschung und Spielidee. Die Hannoveraner brachten zwar auch nicht viel zustande, hatten zumindest aber mehr Spielkultur zu bieten.

Fossum gibt sich zielsicher

Im defensiven Mittelfeld ersetzte der Schwede Albin Ekdal den an einem Hexenschuss laborierenden Gideon Jung, ansonsten vertraute Hollerbach seiner Elf aus der Vorwoche. Der Nachfolger von Markus Gisdol hatte bei seinem Debüt als HSV-Coach acht Tage zuvor ein 1:1 bei RB Leipzig geholt und damit für etwas Aufbruchstimmung bei den Norddeutschen gesorgt. Doch der Wille, diese im Abstiegskampf enorm wichtige Partie zu gewinnen, blieb bei der defensiven Ausrichtung auf der Strecke.

Die Marschroute ging auch nur bis zur 37. Minute auf. Dann servierte Gotoku Sakai einen abgewehrten Eckball Fossum vor die Füße, und der Norweger schoss aus rund 20 Metern platziert ins linke Eck. Bei einem vermeintlichen Foul von Hannovers Salif Sane im 96-Strafraum an Filip Kostic unmittelbar vor der Pause entschied der Videoassistent auf sauberes Tackling. Da kochte das Stadion und zwischen den Profis gab es Hakeleien.

Der HSV-Angriff agierte viel zu zaghaft. Neben Filip Kostic, der mit drei Saisontoren erfolgreichste HSV-Schütze, mühte sich Bobby Wood. Der Amerikaner steckt seit Monaten in einer Formkrise. Er vergab die beste Möglichkeit, als er ein Zuspiel von Aaron Hunt aus Nahdistanz am Tor vorbei setzte (44.). Das 18 Jahre alte Sturm-Talent Fiete Arp durfte erst in der zweiten Halbzeit ran. Für die Erlösung sorgte aber Kostic in der 86. Minute aus kurzer Entfernung.

(dpa)

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