Bundesliga: Freiburg - Bayern:Streich in der "88. Minüt"

Der älteste Klassenclown der Welt muss in Freiburg eine Jubelquetschung fürchten. Das späte 2:1 durch Franck Ribéry erhält den Bayern die Aussicht auf die Champions League.

Maik Rosner, Freiburg

Es fehlte nicht viel, und Franck Ribéry hätte Laurent Blanc eine schlechte Nachricht übermitteln müssen. "Kann leider doch nicht kommen, habe eine Jubelquetschung. Salut, Franck." So hätte das jedenfalls ausgehen können am Samstagnachmittag, und bei Ribéry weiß man ja nie, ob er sich eine derartige SMS nicht tatsächlich als Scherz erlaubt. Der Filou war jedenfalls derart bestürmt worden von seinen Kollegen und unter einen Knäuel von Spielern in den Freiburger Rasen gedrückt worden, dass ein ungewöhnliches ärztliches Anschlussbulletin gar nicht mehr überraschend ausgefallen wäre. Im Überschwang des Jubels sind ja schon kuriose Verletzungen entstanden. Doch die gute Nachricht für den FC Bayern und den französischen Nationaltrainer war: Ribéry überstand den Ansturm der Mitspieler und ihren Ballast unversehrt, während der von ihnen abfiel.

SC Freiburg v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

"Das ist scheiße, wenn du Europa League spielen musst": Franck Ribéry tut in Freiburg das seine, damit der FC Bayern doch noch die Champions League erreichen kann.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

"Das Tor von Frank war sehr erlösend", sagte Bastian Schweinsteiger. "Die Jungs haben bis an die Grenze gekämpft. Aber die Qualität von Ribéry und seine Einzelaktion haben den Ausschlag gegeben", befand SC-Trainer Robin Dutt und lobte nach der vierten Niederlage in Folge ausführlich das Spiel seiner Mannschaft: "Wir haben in der ersten Halbzeit mehr Ballbesitz gehabt als die Bayern. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das gelingt nicht so vielen Mannschaften. Das war sicherlich mit die beste Halbzeit dieses Jahres."

Quietschfidel war Ribéry nach seinem Diagonalschuss aus rund 20 Metern in der 88. Minute zum glücklichen 2:1 (1:1)-Sieg der Münchner über den halben Platz gesprintet, ehe er auf Thomas Müller traf und die halbe Mannschaft die Gelegenheit nutzte, sich auf den Franzosen zu stürzen. Er lachte, lief und feixte zuvor, als habe er gerade Kirschen aus dem Garten des unbeliebten Nachbarn gestohlen, während der mit seiner angesägten Sonnenliege zusammengeklappt und sich hoffnungslos in ihr verkeilt hatte. In Sachen Pennälerscherze von verknoteten Schnürsenkeln über Zahnpasta unter Türklinken bis zu kurzen Busfahrereinsätzen hat sich Ribéry schon vieles einfallen lassen. Doch in Freiburg sorgte der mit 27 Jahren vermutlich älteste Klassenclown der Welt für sportliche Pointen, an die sie sich im Klub vielleicht noch einmal besonders gerne erinnern werden.

Denn sein viertes Saisontor am Ende eines lange Zeit schwachen, dann zumindest etwas lebhafteren Spiels der Bayern erhielt die Hoffnung auf die Qualifikation für die Champions League. Und das vier Tage nachdem sie sich auf traumatische Weise aus dieser mit einem 2:3 gegen Inter Mailand verabschiedet hatten. Nach einem Gegentor "auch in der 88. Minüt", erinnerte Ribéry nun spitzbübisch und erklärte danach, warum die zwei Punkte Rückstand auf den Tabellendritten Hannover 96 unbedingt noch aufgeholt werden müssen in den verbleibenden sieben Spielen: "Das ist scheiße, wenn du Europa League spielen musst. Wenn du die Champions League kennst, musst du immer in der Champions League spielen."

Zu einem weiteren hübschen Geschenk geriet sein Bekenntnis zum Verein, den er im Herzen trage und auch nicht verlassen wolle, sofern das verbliebene Saisonziel verfehlt werde. "Ein ganz wichtiger Sieg für die Fans, die Spieler und den ganzen Klub", sei das gewesen, sagte Ribéry noch: "Ich bin froh, dass ich der Mannschaft und dem ganzen Verein mit dem Tor helfen konnte." Der zuschauende Bundestrainer Joachim Löw hatte den Mann des Spiels zuvor auch dabei beobachten können, wie er in der 9. Minute einen Freistoß auf den Kopf des deutschen Nationalspielers Mario Gomez zirkelte. Der Stürmer erzielte sein 19. Saisontor.

Und weil Freiburg nur durch Papiss Cisse traf (17.), der mit 18 Saisontoren zweitbeste Stürmer der Liga aber unter anderem einen Elfmeter verschoss (14.) und Daniel Caligiuris Schuss an den Pfosten prallte, konnte Sportdirektor Christian Nerlinger sagen: "Die Erleichterung ist riesengroß." Die Steigerung in der zweiten Halbzeit wertete er zudem als Beleg, "dass die Mannschaft intakt ist".

Trainer-Entscheid am Montag?

Trainer Louis van Gaal war sich aber bewusst, dass dieser Sieg durchaus glücklich zustande gekommen war: "Freiburg war in der ersten Halbzeit klar besser. Ich denke, dass wir noch ein mentales Problem gehabt haben." Ohne Sieg wäre sein ohnehin beschlossener Abschied aus München zum Saisonende wohl vorzogen worden.

Und es war eine weitere Pointe, dass Ribéry dieses Szenario abwendete, der mit dem Trainer ja ein unterkühltes Verhältnis pflegt. Ein "Schlag für alle" sei das Aus gegen Inter gewesen, sagte van Gaal. Dank Ribéry darf er nun auf einen einigermaßen galanten Abgang aus München hoffen. Und darauf, dass die Champions League noch erreicht wird. "Dann kann mein Nachfolger das weitermachen."

Zum diesem Thema, zur erwarteten Rückkehr des Trainers Jupp Heynckes von Bayer Leverkusen, wollte sich Nerlinger allerdings nicht äußern. Er wisse nichts davon, dass Heynckes am Montag seinen Wechsel zur kommenden Saison verkünden werde, sagte er mit einen unverkennbaren Grinsen. Er habe auch nicht mit ihm gesprochen.

Aber Nerlinger kündigte an: "Wir werden das zum gegebenen Zeitpunkt bekanntgeben." Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge hätte da wohl schon konkreter werden können. Während die Bayern in Freiburg weilten, traf er sich in München mit Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler, wurde überliefert. Der soll bereits mit Freiburgs Dutt wiederum einen Wechsel nach Leverkusen vereinbart haben.

Es wird wohl so sein, dass die Nationalspieler aus München und Leverkusen auf ihren Dienstreisen zu den diversen Länderauswahlen erfahren, mit wem sie in der kommenden Saison zusammenarbeiten werden. Und die Profis aus Freiburg, dass sie künftig voraussichtlich Dutts derzeitiger Assistent und A-Juniorentrainer Christian Streich betreut.

Ribéry wird nun sein Comeback für Frankreich geben nach dem Aufstand gegen den ehemaligen Nationaltrainer Raymond Domenech bei der WM in Südafrika. Dort hatte Ribéry fleißig mit am Stuhl des unbeliebten Domenech gesägt. Blanc muss sich auf was gefasst machen. Allerdings nur auf Pennälerscherze des bestens gelaunten Ribéry.

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