Bundesliga: FC Bayern:Noch einer aus Holland

Willkommen in der Eredivisie: Der FC Bayern ist sich mit Abwehrspieler Edson Braafheid einig - und könnte sich Wesley Sneijder als Ribéry-Ersatz vorstellen.

Christof Kneer

Edson Braafheid ist so unauffällig, dass es selbst von seinem größten Erfolg kaum Bilder gibt. Zwar lassen sich eine Menge Schnappschüsse auftreiben, auf denen verschwitzte junge Niederländer zu sehen sind, die mit einer Goldmedaille um den Hals übereinander herfallen. Drei Jahre sind diese Bilder alt, sie stammen von jenem 3:0-Finalsieg, mit dem die niederländische U21 im Sommer 2006 ziemlich lässig die Nachwuchs-EM gewann. Aber man muss sich schon intensiv auf die Jubelbilder einlassen, um Edson Braafheid zu finden. Meistens steht er irgendwo am Rand, freundlich erfreut, aber nicht überschwänglich.

Bundesliga: FC Bayern

Edson Braafheid (rechts) beim Training der niederländischen Nationalelf.

(Foto: Foto: AFP)

Edson Braafheid spielt genauso Fußball, wie er jubelt. Er spielt meistens mit, aber man muss sich immer Mühe geben, ihn zu finden. Auch in Statistiken wird er nie auffällig, was vielleicht daran liegt, dass kein Dienstleister die Rubrik "fehlerfreie Pässe über 5,70 Meter" anbietet. Fehlerfrei, das ist Braafheid wichtig, er ist ein stiller Meister in dieser unterschätzten Disziplin. Einer aber unterschätzt diese Disziplin bestimmt nicht: Louis van Gaal, der neue Coach des FC Bayern.

Vier Tage, nachdem die Münchner die Liga mit dem Erwerb des Kroaten Danijel Pranjic, 27, vom SC Heerenveen überraschten, haben sie sich schon den nächsten Fußballspieler angeschafft, der nicht ins traditionelle Beuteschema passt: Edson Braafheid, 26, wird im Sommer zum FC Bayern stoßen, nach SZ-Informationen sind sich die Münchner mit dem Abwehrspieler einig. Nur mit dem FC Twente Enschede, Braafheids aktuellem Klub, sind noch Details zu klären, aber in Bayerns Kaderplanungen wird der Niederländer bereits als fixer Zugang geführt.

Man darf Braafheid ruhig einen Sensationstransfer nennen, und zwar, weil er kein bisschen sensationell ist. In seiner Vita findet sich keine einzige jener Referenzen, die einen ansonsten zum Bayern-Spieler qualifizieren: Er hat niemals gegen Bayern gespielt, und schon gar nicht überragend. Man kann mit ihm keinen Ligagegner schwächen, indem man den besten Mann wegkauft. Und er wird dank einer Klausel nur zwei Millionen Euro kosten - kann man sich erinnern, dass ein Bayern-Spieler jemals so billig war?

Man kann also sagen, dass der FC Bayern schon recht weit gekommen ist auf seinem Weg, eine Van-Gaal-Mannschaft zu werden. Nach Pranjic kommt nun schon der zweite Spieler aus der niederländischen Eredivisie, und die beiden Transfers erklären fast alles, was man über van Gaals Fußballidee wissen muss: In lustigem Gegensatz zu seinem Vorgänger will der Niederländer nicht seine Spieler, sondern seine Mannschaft jeden Tag besser machen - dafür braucht er Profis, die mehr als Einzelspieler sind.

Am liebsten sind van Gaal Geschäfte, bei denen man für eine einzige Ablösesumme mehrere Profis erhält. Im Fall Pranjic wird Bayern für eine einzige Überweisung (zehn Millionen) einen Linksverteidiger (Pranjic), einen linken Mittelfeldspieler (Pranjic) und einen Linksaußen (Pranjic) geliefert bekommen. Und nun gibt's im Sonderangebot für zwei Millionen immerhin zwei Spieler: den Linksverteidiger Braafheid - und den Innenverteidiger Braafheid.

Es ist van Gaals erklärter Wille, alle Positionen in seiner neuen Elf doppelt hochwertig zu besetzen, und da kommt ihm einer wie Braafheid gerade recht: Der in Surinam geborene und im niederländischen Utrecht ausgebildete Profi ist ein schneller und passsicherer Spieler, der sich auf der Linksverteidiger-Position gerade in die holländische A-Nationalelf hineingespielt hat; er gilt dort als künftige Stammkraft und aktuell als defensiv verlässlichere Alternative für den offensiver gepolten Altmeister Giovanni van Bronckhorst, 34. Aber wer van Gaal kennt, der weiß, dass er in Spielern manchmal etwas sieht, was die Spieler in sich selbst nicht sehen.

Einst hat er den Rechtsaußen Michael Reiziger mit der Einschätzung überrascht, dass es sich bei ihm eigentlich um einen Rechtsverteidiger handle. Reiziger, bis dahin ein stolzer niederländischer Flügelstürmer, hat erst laut gelacht, aber am Ende hat er dann doch nichts einzuwenden gehabt gegen die 72 Länderspiele, die er als Rechtsverteidiger bestreiten durfte. In Edson Braafheid hat van Gaal offenbar auch eine Tauglichkeit zum Innenverteidiger erkannt, und so lässt sich der Neue auch als Drohung an die Innenverteidigung Lúcio/Demichelis verstehen, die zuletzt deutlich mehr Stürmer an sich vorbeirauschen ließ, als das einer Bayern-Innenverteidigung eigentlich erlaubt ist.

Nur zwei Transfers hat es gebraucht, um zu erkennen, dass Bayern nach Klinsmann ein neuerlicher - wenn auch ganz anderer - Kulturbruch ins Haus steht. Van Gaal kann mit Heldenfußball, der über Führungsspieler funktioniert, wenig anfangen, er schätzt Spieler wie Pranjic und Braafheid, die weniges überragend, dafür vieles sehr gut können. Die spannende Frage wird sein, ob sich der Ansatz der Eredivisie mit einem deutschen Rekordmeister verträgt - oder ob jene Kritiker Recht behalten, die van Gaal seit der Zeit beim FC Barcelona (wo er mit acht Holländern spielte) vorhalten, er würde mangels Kenntnis des internationalen Spielermarktes all seine Teams hollandisieren.

Sollte Franck Ribéry gehen, soll als Ersatz übrigens Wesley Snejider kommen. Ein Niederländer.

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