Bundesliga: FC Bayern München:Trostpreis mit Tücken

Eine Kanone für Mario Gomez, mehr nicht: Der FC Bayern beendet die Saison ohne Titel, aber mit dem Ticket für die Champions-League-Qualifikationsrunde. Präsident Hoeneß und Manager Nerlinger geben sich anschließend wild entschlossen, wieder anzugreifen - mit neuen Spielern, aber wohl ohne Stürmer Klose.

Thomas Hummel

Mario Gomez drückte seine Torjägerkanone mit beiden Händen gegen den Bauch. Er stand da wie ein Grundschüler, der seinen Verwandten die Ehrenurkunde von den Bundesjugendspielen zeigt. Gomez musste achtgeben, nicht zu offen und zu häufig zu lachen. Seine Augen blitzten vor Stolz. "Die Torjägerkanone ist ein Kindheitstraum", sagte er, "in einer Reihe zu stehen mit den großen Namen, das macht mich stolz." Er wischte hin und wieder ein Staubkorn von der Kanone. Es sah aus, als würde er sie streicheln.

FC Bayern Muenchen v VfB Stuttgart - Bundesliga

Kanonist im Sturzflug: Mario Gomez. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der 25 Jahre alte Stürmer hat den einzigen Titel für den FC Bayern München in dieser Saison geholt. Torschützenkönig. Für den Rekordmeister, Rekord-Pokalsieger und ambitionierten Champions-League-Dauergast klingt das nicht mal nach Trostpreis. Trostpreis ist eher der dritte Platz und die daraus folgende Qualifikationsrunde für die Champions League. "Wir haben damit das Worst-case-Szenario Europa League verhindert, aber wir sind mit dieser Saison nicht zufrieden", erklärte Sportdirektor Christian Nerlinger.

Dabei hatten sie an diesem sommerlichen Maitag gehofft, die unangenehme Qualifikationsrunde vermeiden zu können. An sommerlichen Maitagen ist in der Bundesliga-Geschichte schon Wunderliches passiert - meistens lachten und jubelten anschließend die Bayern, während die anderen weinten. Diesmal nicht. Diesmal hat sogar Bayer "Vize" Leverkusen standgehalten und 1:0 in Freiburg gewonnen. Die Mannschaft des neuen Bayern-Trainers Jupp Heynckes verteidigte Platz zwei.

Als in München die Nachricht von der Leverkusener Führung eintraf, da war kaum einer im Stadion. Es war zur Halbzeitpause, als der Stadionsprecher verkündete: "Was willste machen, ein Eigentor." Da stand es in München 1:1, die Stuttgarter hatten nach 24 Minuten einen wunderbaren Angriff mit der Führung durch den emsigen Shinji Okazaki beendet. Torschützenkönig Gomez glich nach einer famosen Vorarbeit von Arjen Robben aus (36.).

Weil auch nach der Pause nicht die allseits erwarteten Meldungen von Freiburger Toren eintrafen, plätscherte das Spiel in der Fröttmaninger Arena immer mehr dahin. Erst nach einem Freistoß von Toni Kroos köpfte Bastian Schweinsteiger zum 2:1 für die Gastgeber ein. Das war nach 70 Minuten, offenbar zu spät, um die Leverkusener im Fernduell nervös zu machen.

Dabei hätten die Münchner nach alter Gewohnheit den Konkurrenten schon ganz früh nervös machen können. Doch der Ball fiel nach elf Minuten nicht auf den Fuß von Kanonist Gomez, sondern von Miroslav Klose. Der Nationalspieler schaffte es, nach einer herrlichen Robben-Vorarbeit aus zwei Metern über das leere Tor zu schießen und fand damit Eingang in die Galerie der Tor-Versager der Saison - zusammen mit dem Dortmunder Jakub Blaszczykowski und dem Frankfurter Theofanis Gekas.

Uli Hoeneß stand bei dieser Szene wie die anderen etwa 60.000 Bayern-Fans schon jubelbereit vor dem Sitz und blieb so noch eine Weile stehen, weil er das Geschehene nicht fassen konnte. Gut möglich, dass die Szene beim Bauchmenschen Hoeneß den Ausschlag gibt, Miroslav Klose in den Vertragsverhandlungen nicht mehr entgegen zu kommen. Klose ist der größte Wackelkandidat im Münchner Kader.

Coentrao? Eine Ente!

Sportchef Nerlinger und Klose bestätigten, dass es in der kommenden Woche Gespräche geben wird. Die Vorstellungen liegen weit auseinander: der 32 Jahre alte Stürmer hätte gerne zwei Jahre Vertrag, der Verein bietet nur ein Jahr. Außerdem möchte der Klub gerne das üppige Jahressalär von angeblich acht Millionen Euro mindestens halbieren. Noch ist keine Entscheidung gefallen, doch die Zwischentöne deuteten am Samstag eher auf eine Trennung hin.

Noch wurde Klose nicht offiziell verabschiedet. Dafür erhielten Hamit Altintop, Thomas Kraft und Andreas Ottl ihre Blumensträuße und Umarmungen von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Altintop könnte nächste Woche bei Real Madrid unterschreiben, wo in Nuri Sahin und Mesut Özil zwei Klienten seines Beraters Reza Fazeli warten.

Torwart Kraft verabschiedete sich am Ende von den Fans, die lieber ihn als den Schalker Manuel Neuer als neuen Stammtorhüter gesehen hätten. Doch Kraft wechselt nach Berlin. Und Ottl? "Es gibt mehrere Interessenten, ich werde mir das alles in der nächsten Zeit anschauen." Favorit soll ebenfalls Aufsteiger Hertha BSC sein, der von dem ehemaligen Bayern-Profi Markus Babbel trainiert wird.

In München wird Neuer bald seinen Vertrag unterschreiben. Präsident Hoeneß erklärte schmunzelnd: "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen guten neuen Torwart kriegen, ist nicht klein." Als Impulsgeber im Angriff kommt der Zweitliga-Torschützenkönig Nils Petersen aus Cottbus. Zudem bestätigte Hoeneß das Interesse an Leverkusens Arturo Vidal, dem erklärten Lieblingsspieler des neuen Trainers Heynckes.

Als "Ente" bezeichnete Nerlinger hingegen ein vermeintliches Interesse am portugiesischen Linksverteidiger Fabio Coentrao. Dafür sind der Gladbacher Tempo-Fußballer Marco Reus sowie Jerome Boateng für die Abwehr weitere ernste Kandidaten. Der Fall Boateng birgt aber seine Tücken.

Denn Boateng steht bei Manchester City unter Vertrag und bei derzeitigem Stand könnte der Klub in den Play-off-Spielen zur Champions League auf den FC Bayern treffen. Bei den Partien am 17./18. und 24./25. August werden die Münchner aufgrund ihres Uefa-Koeffizienten gesetzt sein, ManCity nicht. Ob die von einer arabischen Milliardärsfamilie unterstützten Engländer Boateng an einem möglichen Gegner abgeben? Nicht nur deshalb warnt Nerlinger: "Diese Quali ist sehr gefährlich. Die Mannschaften, die in Frage kommen, sind kein Selbstläufer."

Trotz dieser heiklen Ausgangslage blicken die Bayern mit einem Lächeln in die nächste Saison. "Ich freu mich auf die Zusammenarbeit mit Jupp Heynckes", sagte Hoeneß, der den 66-jährigen als "Hauptveränderung" sieht, mit der der FC Bayern "um diese Zeit im nächsten Jahr besser dasteht".

Durch eine freundliche, aber zielgerichtete Atmosphäre in der Chefetage und in der Mannschaft gehen die Münchner davon aus, im kommenden Jahr wieder die Meisterschaft zu holen. Auch das Champions-League-Finale 2012 im eigenen Stadion ist ein Ziel. Bei aller Sympathie der Bayern für Mario Gomez: Er soll in einem Jahr nicht wieder der einzige sein, der eine Trophäe streichelt.

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