Bundesliga: FC Bayern:Heynckes kann durchatmen

Franck Ribérys spätes Siegtor entspannt den um die Champions League bangenden FC Bayern - auch Arjen Robben, dessen Abschiedsszenario der Vorstand "lächerlich" nennt.

Moritz Kielbassa

Die Fußballer des FC Bayern haben auch in unerfreulichen Zeiten das Ansehen von Popstars, in Freiburg warteten wie immer kreischende Fans am Mannschaftsbus. Dessen Kennzeichen verrät das Selbstverständnis des Vereins: M-RM6774. München, RekordMeister, dazu die Jahreszahlen der ersten Triumphe im Europapokal der Pokalsieger und jenem der Landesmeister, dem Vorläufer der Champions League.

SC Freiburg v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Jubel nach dem späten Siegtor: Franck Ribéry und seine Kollegen dürfen durchatmen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

2011 gehen die Titelhamsterer leer aus, es ist ein tristes Jahr, das niemals Briefköpfe oder Busse zieren wird. Die Zulassung zur Champions League ist der einzige Trostpreis, der noch erreicht werden kann, ja muss: "Europa League wäre Scheiße", präzisierte Franck Ribéry nach dem 2:1 beim SC Freiburg - einem Gegner, der im Gegensatz zu den verwöhnten Bayern den Europacup des kleinen Mannes mit Handkuss annehmen würde.

Auch dieser Gegner verlangte den Bayern alles ab - bis Ribéry nach 88 Minuten des Wankens mit einem Schrägschuss aus 18 Metern das Siegtor gelang. Danach sprintete der Franzose feixend bis zur Ersatzbank, dort purzelten die Bayern in einer Jubeltraube übereinander - Ausbruch purer Erleichterung. Gegen Inter Mailand (2:3) in der 88.Minute kollabiert, in Freiburg in der 88. Minute erlöst - diese Woche passte zur Wundertüten-Saison der Münchner, in der nichts vorhersehbar ist. Nicht mal der Verlauf der nächsten fünf Minuten auf dem Rasen.

Prognosen sind unmöglich, permanent wechseln sich Hoffnung und Rückschläge ab. "Wir sind noch nicht über'n Berg", sagte Kapitän Philipp Lahm in Freiburg mit berechtigter Zurückhaltung. Er ist jedoch "sicher, dass wir Hannover überholen und mindestens Dritter werden". Platz zwei, der ohne Playoff-Spiele in die Champions League führt, "wäre für uns jetzt wie eine Meisterschaft", findet Sportdirektor Christian Nerlinger. Nun ist erstmal Länderspiel-Pause. Und ein bisschen Ruhe.

Trainer Louis van Gaal darf weitermachen. Im Juli soll ihn Jupp Heynckes ersetzen, den in Leverkusen der Freiburger Robin Dutt beerbt. Ob die Bayern Heynckes' Verpflichtung - als Co-Trainer ist der frühere Hitzfeld-Vertraute Michael Henke denkbar - bald offiziell verkünden, ist noch unklar. In Freiburg saßen in der Pressekonferenz Heynckes' künftiger Vorgänger und Nachfolger nebeneinander, so kurios ist das deutsche Fußballlehrer-Domino in diesem Frühling.

Dutts Nachfolge beim SC wird intern geregelt: Marcus Sorg, 45, steigt offenbar vom Trainer der Reserve zum Chefcoach auf, unterstützt von Christian Streich (bisher U19 und Dutt-Assistent). Aktuell macht sich Dutt um Freiburg trotz vier Niederlagen in Serie "keine Sorgen". Am Samstag war der SC einer Überraschung nahe, van Gaal sprach zu recht von einem "glücklichen Sieg".

Bayern vor der Pause schwach

Auch in Freiburg war im Schnelldurchlauf vieles von dem zu besichtigen, wofür der FC Bayern 2011 steht: Vorne hochwertige Aktionen, die nur wenige Teams im Angebot haben, mit "individueller Qualität, die Spiele entscheidet", wie Dutt Ribérys 2:1 kommentierte. Dazu jedoch oft gruseliges Defensivverhalten, individuell und als Gruppe. In beinahe jedem Spiel gibt es Phasen der Dominanz und Phasen von Kontrollverlust. Statt souverän, wie früher, wirkten die Bayern erneut arg hektisch, aber immerhin trotzig und mit Stehvermögen: "Die Spieler haben bis zum Schluss um den Sieg gestritten", lobte van Gaal.

Obwohl Dauer-Torschütze Mario Gomez früh das 1:0 (9.) köpfelte, sahen die Bayern bis zur Pause fast kein Land. Freiburg zeigte neben guter Raumaufteilung und läuferischem Eifer auch kultivierten Ballbesitz - eigentlich das Qualitätsmerkmal der Van-Gaal-Elf. In deren Abwehr offenbarte Luiz Gustavo, dass Innenverteidiger nur sein Drittberuf ist (besser: Sechser oder Linksverteidiger).

Er verschuldete durch Nicht-Eingreifen einen Elfmeter, den Torwart Kraft letztlich verursachte, gegen Cissé aber parierte (14.). Trotzdem erzielte Freiburgs Torjäger das 1:1 (18.), weil sich Gustavo erneut ungeschickt anstellte. Wäre in dieser Münchner Zitterphase Caligiuri das verdiente 2:1 für Freiburg gelungen (34.) statt nur ein Pfostentreffer - wer weiß, was den Bayern dann widerfahren wäre.

Die waren ohnehin nervlich angeschlagen: "Das Ausscheiden gegen Inter war ein großer Schlag für uns, das hat man in der ersten Halbzeit gesehen", schilderte van Gaal. Doch das Beruhigende im Tagesgeschäft Fußball ist: Selbst in einem pechschwarzen Tunnel kann schon hinter der nächsten Kurve wieder Licht kommen. Sich steigernde Bayern zwangen gegen nachlassende Freiburger das Wettkampfglück zu sich zurück, zuletzt war ihnen ja auch die traditionelle Fähigkeit zu solch schmeichelhaften Siegen abhanden gekommen. Den Kraftakt unterstützten alle Einwechselspieler: Altintop, Klose und Timoschtschuk, der in der Schlussphase (ab 78.) das Mittelfeld so stabilisierte, wie er es womöglich auch gegen Inter gewinnbringend getan hätte.

Diesmal gab es ein Happy End und - anders als zur Wochenmitte - keine Hinweise auf beginnenden Unfrieden und gegenseitiges Misstrauen der Spieler. "Die Mannschaft ist intakt", versicherte Nerlinger. Der Kitt für diese Gruppe ist das Erreichen der Champions League: "Für Spieler und Verein ist es wichtig, auch nächstes Jahr dort zu spielen", betonte Ribéry.

Dass Arjen Robben ohne Teilnahme an Europas Schwergewichts-Klasse seinen Weggang plane, wies Vorstand Karl-Heinz Rummenigge als "lächerliche, an den Haaren herbeigezogene Geschichte" zurück. Robben schied in Freiburg früh aus (30.), mit muskulären Beschwerden. Sein Comeback in Hollands Nationalelf sagte er ab.

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