Bundesliga: FC Bayern:Dominanz von Anfang an

Der FC Bayern hat sein Trainingslager am Gardasee bezogen. Jupp Heynckes gibt sich vor malerischer Kulisse als Teamplayer und Moderator, der philosophiefreie Basisarbeit betreibt und sich bei Erfolg sogar von den Spielern duzen lassen möchte. An Louis van Gaal erinnert fast nichts mehr.

Moritz Kielbassa

Zur Ankunft der Fußballer aus München war es am Gardasee malerisch wie auf Postkarten: wolkenloser Himmel, mediterrane 28 Grad. In Riva am Nordufer, wo die Sonnenanbeter derzeit Handtuch an Handtuch liegen, wohnt der FC Bayern im vornehmen Resort Du Lac.

Trainingslager FC Bayern München

Training vor malerischer Kulisse: Bastian Schweinsteiger und seine Kollegen vom FC Bayern München.

(Foto: dpa)

"Ein optimales Ambiente" für acht Tage Trainingslager, sagte Jupp Heynckes, als sein Team auf einem Ausflugsschiff im Hafen von Riva einfuhr, zu einer Willkommenszeremonie auf der größten Piazza des Ortes. Besonders dürfte es den neuen Trainer gefreut haben, dass ihn der Fremdenverkehrsdirektor als "Mister Heynckes" ansprach. Mister, so wurde er auch während seiner Berufsjahre in Spanien genannt. Heynckes mag den Begriff, weil er Wertschätzung für den Trainer zeigt.

Plädoyer für großen Kader

Auch bei den Bayern genießt der Heimkehrer Heynckes, 66, diesen Respekt, denn er tritt selber respektvoll auf: "Wir wollen Erfolg haben, aber auch gewissen Spaß", mit dieser Losung schickte Vorstandschef Rummenigge die Gruppe ins Trentino, und er glaubt: "Mit Jupp ist beides möglich". Sportliche und soziale Führungsstärke im Paket, Arbeit mit Plan und Zug, aber mit Wohlfühl-Klima, ein souveränes Miteinander statt sturer Alleingänge - das erwartet der zuletzt von Umgestaltern und Fußballideologen trainierte Klub von Heynckes. Anders als seine Vorgänger Klinsmann und van Gaal soll er nichts revolutionieren, sondern Ruhe reinbringen beim in der Vorsaison erfolg- und friedlosen Rekordmeister.

Beim Pressetalk am Montag saß Heynckes entspannt im gelben Sessel und lobte fast jeden seiner Spieler und Mitarbeiter. Er sieht sich als "Teamplayer und Moderator", sei "als Mensch geduldiger und zugänglicher als früher". Auch bei den ersten Übungseinheiten im Nachbarort Arco, in Sichtweite einer imposanten Burgruine, fiel die fordernde, aber positive Ansprache auf. Der Trainer trägt eine rote Baseballmütze, beobachtet und erklärt, ohne zu belehren.

Nach van Gaals streng beaufsichtigten Ballbesitz-Seminaren gibt es jetzt philosophiefreie Basisarbeit ohne Showeinlagen - mit neuen Lernzielen. Heynckes verabschiedet den stürmischen Hurrastil: "Für die Gegner muss es wieder schwer sein, gegen Bayern Tore zu erzielen. Das war hier viele Epochen so, das ist das A und O. Wir wollen eine Balance zwischen Offensive und Defensive. Die Abwehr gewinnt Titel!"

FC Bayern 2011: Wieder spielen wie früher

Bayern soll wieder wie früher spielen: kompakt, effizient, in der Wahl der taktischen Mittel flexibler als zuletzt. Auch Solisten wie Franck Ribéry, der nach einer Muskelblessur aus dem Juni erst Montag ins Mannschaftstraining zurückkehrte, "müssen sich ins Kollektiv integrieren" und Zweikampf-bereit am Pressing teilnehmen, verlangt Heynckes, er lässt das bereits üben. Er setzt auf den neuen Torwart (Neuer), neue Flügelpaare (links Lahm/Ribéry, rechts Rafinha/Robben) - und einen Wellenbrecher im Zentrum. Dort soll neben Bastian Schweinsteiger nicht der kreative Toni Kroos zum Einsatz kommen, deutete Heynckes an, eher Timoschtschuk oder Luiz Gustavo.

Trainingslager FC Bayern München

Will Moderator und Teamplayer sein: Bayern-Trainer Jupp Heynckes.

(Foto: dpa)

Oder doch: Arturo Vidal. Heynckes ist bei seinem alten Lieblingsspieler aus Leverkusen weiter "zuversichtlich", ebenso bei Innenverteidiger Jerome Boateng (Manchester City), dessen Kauf Priorität hat. Beide sollen kommen, aber nur, falls ihre Klubs Preisnachlässe gewähren. Die These, das Mittelfeld sei auch ohne Vidal ausreichend besetzt, teilt Heynckes nicht: "Die Nationalspieler haben bis Dezember 34 Spiele. Wir brauchen mindestens 20 Feldspieler, Gedränge im Kader ist nur anfangs problematisch." Auch diese Auffassung entspricht der Klubtradition und hebt sich ab von van Gaals Personalabbau. Talent David Alaba, bisher an Hoffenheim verliehen, will Heynckes im Team haben, selbst wenn Vidal käme.

Denn Aufgaben und Ziele sind groß: Die Bundesliga möchte Sportdirektor Nerlinger diesmal "von Anfang an dominieren", und schon Mitte August geht es im Champions-League-Playoff um die Wurst. Philipp Lahm, der laut Heynckes im Verbund mit Vize Schweinsteiger Kapitän bleibt, hat mit dem Team einen großen Zyklus vor Augen: Was nun am Gardasee, dem südlichsten Stadtteil von München, beginnt, soll im Mai 2012 im Münchner Norden enden: beim Champions-League-Finale in der Arena. Deshalb, sagt Lahm, sei es "wichtig, dass es diesmal eine gescheite Vorbereitung gibt, anders als 2010 nach der WM".

Sollte Bayern einen Titel erringen, verspricht Heynckes, "dann dürfen mich die Spieler für einen Tag duzen". Er selber tut das umgekehrt schon jetzt, "das kann ich mir in meinem Alter erlauben". An den konsequent siezenden van Gaal erinnert fast nichts mehr.

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