Bundesliga: FC Bayern:Die Beine der Bayern

Mit Braafheid und Timoschtschuk, ohne Lúcio? Unabhängig vom Ribéry-Poker entwickeln die Münchner ihre neue Elf - und planen einen spektakulären Transfer.

Christof Kneer

Vor ein paar Tagen wurde ein Anruf zu Uli Hoeneß durchgestellt, der ihn nicht überraschte. Am anderen Ende der Leitung stellte sich ein Mittelsmann vor, den Florentino Pérez, der Präsident von Real Madrid, mit einem Mandat ausgestattet hatte. Der Mittelsmann bot 50 Millionen für Franck Ribéry - die Offerte wiederum überraschte Hoeneß durchaus. Da war er jetzt seit 30 Jahren in diesem Geschäft, aber er hatte noch nie gehört, dass Fußballer auch in Teilen transferiert werden können.

Bundesliga: FC Bayern

Einer der Neuen beim FC Bayern: Anatolij Timoschtschuk.

(Foto: Foto: dpa)

Sicherheitshalber fragte Hoeneß nach: "Wollt Ihr wirklich nur ein Bein von Ribéry?" Der Transfermarkt treibt es ja recht wild zurzeit, aber mit dieser Volte könnte er sich selbst nochmal übertreffen. Was wäre das für eine Schlagzeile: "Bayern verkauft Ribérys linkes Bein für 50 Millionen an Real Madrid." Und: "Bayern erhält im Gegenzug rechtes Knie von Wesley Sneijder."

In Wahrheit ist der FC Bayern weiter wild entschlossen, um seinen Ribéry zu kämpfen, und zwar um den ganzen Ribéry. Der Mittelsmann von Real Madrid beherrscht bestimmt die Grundrechenarten, weshalb sich die Spanier nun ausrechnen können, was Ribéry kostet. Ein Bein kostet 50 Millionen, das andere Bein kostet auch 50 Millionen, und bei nur zwei Beinen gibt's noch keinen Mengenrabatt. Macht also: 100 Millionen.

Das ist die Summe, die Bayerns Willen brechen könnte - zumindest ist es das, was Real denken soll. Am Ende könnte es ja vielleicht doch einen (kleinen) Mengenrabatt geben oder eine Verrechnung mit dem Real-Profi Wesley Sneijder (sofern dieser vollständig geliefert würde, mit beiden Knien). Zwar hat Sneijders Berater, der alte Bayern-Spezl Sören Lerby, der Zeitung Sportweek gerade erzählt, sein Klient wolle lieber in Madrid bleiben - eine Aussage, die aber unter Tarnen&Täuschen abgebucht werden dürfte. Wer sich ziert, steigert seinen Marktwert.

Bei Bayern jedenfalls gilt Snejider weiterhin als erste Option für den Fall, dass Real beim nächsten Telefonat vielleicht doch beide Beine von Ribéry bestellt. Seit der Stratege Louis van Gaal die Geschäfte übernommen hat, versuchen die Bayern, die Planungs-Unsicherheit im Fall Ribéry durch Planungssicherheit auf allen anderen Positionen zu kontern. Drei Wochen vor van Gaals offiziellem Dienstbeginn lassen sich schon erstaunlich klar die Koordinaten jener Elf erkennen, die dem Niederländer vorschwebt.

Zu den van-Gaal-Transfers Danijel Pranjic (27, SC Heerenveen) und Edson Braafheid (26, FC Twente) könnte sich bald noch eine prominentere Personalie gesellen: Nach SZ-Informationen machen sich die Bayern berechtigte Hoffnungen auf eine Verpflichtung des Portugiesen José Bosingwa - jenes Rechtsverteidigers, der es bei der EM 2008 ins All-Star-Team schaffte. Der 26-Jährige, derzeit beim FC Chelsea angestellt und angeblich für zwölf Millionen zu haben, ist ein Spieler nach van Gaals Geschmack: Er ist kein reiner Offensivverteidiger wie der zuvor gehandelte Kroate Darijo Srna. Bosingwa ist ein Außenverteidiger jener kostbaren Sorte, die sich nicht entscheiden kann, ob sie nun defensiv oder offensiv stärker ist.

José Bosingwa wäre ein durchaus spektakulärer Transfer für die Bayern - aber die wahre Dimension dieser Personalie ergibt sich erst, wenn man ihre Folgen für die Statik der gesamten Elf prüft. Bosingwas Verpflichtung wäre der Beweis, dass Philipp Lahm eben doch nicht nach rechts wechseln soll, wie nach dem Einkauf des Abwehrallrounders Braafheid umgehend spekuliert wurde. Offenbar hat van Gaals Kaderanalyse ergeben, dass den Bayern in der Zentralverteidigung ein Profi guttäte, der das Spiel mit dem linken Fuß eröffnen kann. Braafheid kann das, anders als Lúcio, Martin Demichelis oder Daniel van Buyten, bei dem bis heute nicht vollständig geklärt ist, ob er überhaupt einen starken Fuß besitzt.

Offenbar zielt die Anschaffung des Linksfußes Braafheid, obwohl nur 1,76m groß, direkt auf die Innenverteidigung - und wer van Gaal kennt, kann davon ausgehen, dass Lúcios wilde Leidenschaft seinem niederländischen Fußballideal nicht sehr nahekommt. Aus der Beraterszene ist schon zu hören, dass Lúcio, ernstgemeinte Zuschriften vorausgesetzt, für andere Klubs durchaus zu haben sei.

Sollte das Geschäft mit Bosingwa glücken, hätten die Bayern den zentralen Wunsch ihres neuen Fußballlehrers erfüllt: jenen, alle Positionen auf möglichst hohem Niveau doppelt zu besetzen. Der Rest bliebe der taktischen Kreativität des Trainers überlassen; er darf dann prüfen, ob er Ribéry künftig zentraler verwendet, ob er einen Kampf um die Nummer sechs eröffnet (Timoschtschuk gegen van Bommel) oder ob er ein System erfindet, das beiden ein warmes Plätzchen in der Anfangself bietet. Vom ungewissen Ausgang des Ribéry-Pokers abgesehen, könnten die prägenden Personalien bald festgezurrt sein, zumal sich die Bayern von der Idee verabschieden, Manuel Neuer zur Bewachung ihres Tores zu überreden - die Schalker bleiben einfach zu stur. So könnte van Gaal erstmal Jörg Butt und Michael Rensing vertrauen, auch wenn Bayerns Scouts angeblich in Udine gesichtet wurden, wo der slowenische Torhüter Samir Handanovic, 24, die Bälle fängt.

Und Luca Toni? Er hat nach dem Gomez-Transfer inzwischen begriffen, dass seine Dienste in etwa noch so gefragt sind wie die von Tim Borowski, Andreas Ottl und Christian Lell. Aber die Bayern werden ihren Ohrschrauber nur gehen lassen, wenn sie eine sozialverträgliche Abschiedsvereinbarung hinbekommen. Und eines muss allen Interessenten klar sein: Den teuren Toni gibt's nicht preiswert mit nur einem Bein. Die Bayern verkaufen ihn nur am Stück.Christof Kneer

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