Bundesliga:Abstiegskampf beginnt hinter Platz sechs

TSG 1899 Hoffenheim v Bayer 04 Leverkusen - Bundesliga

Plötzlich nur noch vier Punkte vor dem Relegationsplatz: Karim Bellarabi und Bayer Leverkusen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Selbst Leverkusen und Schalke müssen bangen. Die Bundesliga ist damit ausgeglichener denn je - abgesehen von drei Ausnahmen.

Kommentar von Sebastian Fischer

Es ist Wahlkampfzeit, und deshalb ist es Zeit für steile Thesen und dazu passende Bilder. Eine der Thesen der gerade ja ziemlich steilen SPD ist es etwa, dass Deutschland mehr in Europa investieren sollte. Nur braucht es für diese unpopuläre Forderung noch ein geeignetes Bild. Es könnte helfen, dass SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz ein bekennender Fußballfan und Unterstützer des 1. FC Köln ist. Denn die Fußball-Bundesliga ist ja gerade das beste Beispiel für eine steile These: Jeder, der nicht um seinen Platz in Europa kämpft, kann absteigen.

Die Stimmung nach dem Kölner 4:2 gegen Hertha BSC war euphorisch. Die Sehnsucht, mal wieder im Europapokal zu spielen, ist ja in Köln so groß wie nirgends sonst: Fast 25 Jahre ist es her, dass der FC mit Spielern wie Littbarski und Illgner im Uefa-Cup antrat, und seitdem haben die Kölner stets, wenn der Klub nicht in unmittelbarer Abstiegsgefahr schwebte, zu träumen begonnen. Am Samstag hat die Mannschaft um den famosen Stürmer Anthony Modeste beides gleichzeitig unterstrichen: dass es in dieser Saison tatsächlich klappen kann mit der Qualifikation für die Europa League. Und dass der FC nicht absteigt. Wahrscheinlich.

Gleich hinter Platz sechs, den die Kölner jetzt belegen, kann das kein Verein mit ähnlicher Sicherheit behaupten. Bis zum Relegationsplatz 16 tummeln sich ganze neun Klubs in Abstiegsgefahr, darunter die prominenten Europa-Verweigerer Bayer Leverkusen und Schalke 04, einst stolze Europäer, die in diesem Jahr vergebens Millionen am Unternehmensstandort investiert haben. Es scheint nur festzustehen, dass die Aufsteiger von 2015, Darmstadt und Ingolstadt, in diesem Jahr wieder absteigen.

Wenn Martin Schulz übrigens in seiner Wahlkampfrede das Thema Gerechtigkeit nicht mit dem Beispiel der Steuervermeidung eines amerikanischen Kaffeekonzerns erläutern würde, könnte er es auch mal mit einer Geschichte über Ingolstadt versuchen, etwa so, über die 0:1-Niederlage beim BVB: "Wenn ein kleiner Verein aus Oberbayern mehr Chancen herausspielt als ein börsennotiertes Unternehmen in Dortmund, aber weniger Tore schießt" (hier müsste er eine Kunstpause einlegen, um mehr Eindruck zu schinden) "dann ist - das - nicht - gerecht!" Manchmal erzählen Politiker im Wahlkampf ja gerne Quatsch.

15 Mannschaften sind, je nach Tagesform, auf Augenhöhe

Sportlich seriös ließe sich das enge Tabellenmittelfeld als Argument für das ausgeglichene Leistungsvermögen von 15 der 18 Bundesligisten deuten. Vorne die Bayern, hinten die beiden Absteiger, und dazwischen ein ganzer Haufen Mannschaften, die sich je nach Tagesform gegenseitig schlagen können. Selbst RB Leipzig stützt diese steile These neuerdings, nach dem 0:3 in Bremen ist die Champions-League-Qualifikation für den Aufsteiger, der in der Rückrunde die Hälfte seiner Spiele verloren hat, in Gefahr.

Es scheint jeder dieser 15 Mannschaften an Konstanz zu mangeln, im Guten wie im Schlechten. Die momentane Rückrundentabelle liest sich in Teilen wie ein Spiegelbild der Hinrundentabelle: Bremen, Hamburg und Gladbach sind jetzt plötzlich gar nicht mehr so übel. Die Gründe sind vielfältig: Ein Trainerwechsel in Gladbach, wichtige Transfers in Hamburg, taktische Änderungen in Bremen.

Und selbst beim lange so biederen VfL Wolfsburg geht es wieder aufwärts. Einer, wie soll es anders sein, europäischen Lösung sei Dank: Der neue holländische Trainer Andries Jonker und sein schwedischer Assistent Freddie Ljungberg, vor kurzem noch in England tätig, setzen auf einen deutschen Stümer mit spanischen Wurzeln. Mario Gomez ist deshalb derart gut drauf, dass man sich als Betrachter daran erinnert fühlt, wie er in der Vorsaison 26 Tore erzielte.

Wo der Europäer Gomez im vergangenen Jahr so glücklich war? Bei Besiktas Istanbul. In der Türkei. Manchmal wäre es ja ganz schön, wäre der Fußball tatsächlich ein Beispiel.

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