Bundesliga:Es ist Blödsinn, über den Videobeweis zu schimpfen

Bundesliga: Hört aufmerksam zu: Tobias Stieler nutzte als erster Schiedsrichter den Videobeweis in der Bundesliga.

Hört aufmerksam zu: Tobias Stieler nutzte als erster Schiedsrichter den Videobeweis in der Bundesliga.

(Foto: Günter Schiffmann/AFP)

Auch wenn es am Samstag in einigen Stadien zu Pannen kommt, feiert die neue Technik insgesamt eine gelungene Premiere. Stoff für den Stammtisch gibt es ja weiterhin mehr als genug.

Kommentar von Sebastian Fischer

Die Fans von Bayer 04 Leverkusen hatten da offensichtlich was falsch verstanden. Robert Lewandowski hatte gerade per Strafstoß das zwischenzeitliche 3:0 für den FC Bayern gegen ihre Mannschaft geschossen, das erste Tor nach Eingriff des Video-Assistenten in der Bundesliga-Geschichte. Da riefen die Leverkusener: "Fußballmafia DFB!" Dabei war die Kritik aus den Kurven am Verband wie in jedem Bundesligastadion an diesem Wochenende doch eigentlich für den Spielbeginn vorgesehen, Kritik am Umgang des DFB mit den Ultras und am sogenannten modernen Fußball. Kritik am Videobeweis hat in dieser Debatte nichts verloren.

Das muss man das aber nicht nur den Leverkusener Ultras in Erinnerung rufen, sondern auch so manchem Trainer, Geschäftsführer oder Präsidenten. Bereits vor diesem Wochenende war es eine hippe Beschäftigung, auf den Videobeweis zu schimpfen. Herthas Trainer Pal Dardai sorgte sich, Fußballspiele könnten demnächst aufgrund der Spiel-Unterbrechungen einen ganzen Nachmittag dauern. Und Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern, nannte die Neuerung einfach "Blödsinn". Doch Blödsinn ist es eher, sich nicht differenziert mit der Innovation auseinanderzusetzen und trotzdem drüber zu schimpfen. Auch wenn es nach diesem Wochenende Grund zur Kritik gibt.

Die Gegner bemühen einige alberne Argumente

Bei den Spielen Hoffenheim gegen Bremen und Hertha BSC gegen Stuttgart kam der Video-Assistent erst in der zweiten Halbzeit zum Einsatz, bei der Partie Hamburg gegen Augsburg fiel er ganz aus, bei keinem Spiel stand die Hilfslinie für Abseitsentscheidungen zur Verfügung. Eine glückliche Fügung, dass es in diesen Partien kaum knifflige Szenen gab. Die DFL bestellte die Geschäftsführung des Dienstleisters Hawkeye zum Gespräch in Frankfurt ein, die Situation sei "nicht hinnehmbar". Stoff für den Stammtisch, den Hoeneß so gerne mag und vom Aussterben bedroht sieht - er werde die Diskussionen am Arbeitsplatz vermissen, sagte er. Ziemlich albern.

Der Videobeweis hat nichts mit der durchaus notwendigen Debatte über die Entfremdung des Fußballs von seinen Werten zu tun, er macht ihn in der Spitze, wo er ein Millionengeschäft ist, nur auf zeitgemäßge Art und Weise gerechter. Es könnte bald keine Schwalbenkönige mehr geben und keinen Schlagersänger, der verunglimpfende Lieder über sie singt. Es wird kaum noch Ausreden geben, Schiedsrichter für Niederlagen verantwortlich zu machen.

Für Streitereien gibt es ja immer noch die unteren Ligen

Man sah am Samstag viele Spieler grinsen anstatt schimpfen, während die Schiedsrichter sich den Zeigefinger ans Ohr hielten und mit ihren Assistenten sprachen, die ihnen die Wahrheit näher brachten, herrliche Szenen, die Verzögerungen wurden von erwartungsvollem Raunen begleitet. Skurril ist es natürlich schon, dass Entscheidungen auf dem Fußballplatz aus einer raumschiffartigen Zentrale in einem Kölner Untergeschoss getroffen werden. Doch diese Entscheidungen werden so oft richtig sein, dass die Grundsatzdebatte hinfällig wird. Und wer, wie Uli Hoeneß, Kabbeleien wirklich so sehr vermisst, kann ja immer noch zweite oder dritte Liga schauen, wo der Videobeweis noch nicht eingeführt ist. In Erfurt war in diesem Sinne sehr viel Fußball-Tradition geboten. Dort sah Kapitän Jens Möckel in der 90. Minute Rot, weil er den 27 Jahre alten Schiedsrichter Markus Wollenweber umschubste, nachdem er Erfurt einen Elfmeter verweigert hatte.

Ein Argument der Gegner ist allerdings nur sehr schwer anzufechten: Der Videobeweis muss schon funktionieren, immer und in jedem Stadion. Sonst macht er den Fußball weder moderner noch gerechter, sondern ungerechter.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: