Bundesliga: Elf des Spieltags:Kuriose, ernste Fußballwelt

Lehrer Udo Lattek würde in Schalke das Licht ausmachen, Frank Rost enteiert und fackelt weg, zwei Münchner Sorgenkinder therapieren sich selbst. Doch der Fußball erinnert sich auch, dass der Ball nicht alles ist.

Die Elf des Spieltages

11 Bilder

UDO LATTEK WIRD 65

Quelle: DPA

1 / 11

Lehrer Udo Lattek würde in Schalke das Licht ausmachen, Frank Rost enteiert und fackelt weg, zwei Münchner Sorgenkinder therapieren sich selbst. Doch der Fußball erinnert sich auch, dass der Ball nicht alles ist. Die Elf des Spieltags.

Wenn die Welt doch nur so einfach wäre, wie sie sich Udo Lattek vorstellt. Die graue Eminenz der fußballerischen Stammtischparolen ließ an diesem Sonntag wieder einmal das Phrasenschwein links liegen und machte sich seinen eigenen Reim auf die Geschehnisse. Diesmal auf jene in Gelsenkirchen. Wie der Verein die Zerwürfnisse zwischen Fans, Vorstand und Trainer in den Griff kriegen kann, wollte man von Lattek wissen - und der antwortete gewohnt unverblümt: "Felix Magath und Clemens Tönnies sollten eine halbe Stunde in einen Raum gehen, das Licht ausmachen und sich gegenseitig aufs Maul hauen. Dann wäre das Thema durch." Die Welt von Udo Lattek - sie wirkt bisweilen hemdsärmlich gestrickt. Zur Erinnerung: Lattek arbeitete mal als Lehrer für Mathematik und Physik am Gymnasium.

Texte: Jonas Beckenkamp

Angelos Charisteas, Ralf Faehrmann

Quelle: AP

2 / 11

Im Spiel Schalke gegen Frankfurt ereignete sich so manch unglaubliche Geschichte - und eigentlich müsste Raúl mit seiner filmreifen Ballklau-Einlage gegen Eintracht-Keeper Ralf Fährmann ganz oben in der Elf des Tages stehen. Doch später ereigneten sich noch weitaus unwirklichere Dinge: Da wäre zum einen Angelos Charisteas, der tatsächlich ein Tor erzielte. Angelos Charisteas! "Euro Harry", wie sie ihn einst wegen seiner paar EM-Tore für Otto Rehhagels Griechen nannten. Jener Stürmer, wegen dessen Verpflichtung die halbe Liga Felix Magath ausgelacht hatte, traf gegen Frankfurt nach einem Abschlag-Assist von Manuel Neuer mit seinem ersten Ballkontakt  zum 2:1. Wer darauf auch nur einen Pfifferling gesetzt hätte, wäre zum kühnsten Propheten seit Johannes dem Täufer erklärt worden.

FC Schalke 04 - Eintracht Frankfurt

Quelle: dapd

3 / 11

Nicht weniger kurios verhielt es sich an diesem bizarren Nachmittag in der Schalker Arena mit dem Treffer, den Charisteas' griechischer Landsmann Georgios Tzavellas für die Frankfurter erzielt hatte. Weil der 23-jährige Abwehrspieler nicht so genau wusste, was er mit dem Ball einige Meter hinter der Mittellinie anfangen sollte, drosch er das Leder kurzerhand in Richtung Stürmer Theofanis Gekas. Aus Tzavellas' unpräzisem Geschoss wurde ein komischer Flugball, der letztlich an allen vorbeisegelte und nach sagenhaften 74 Metern hinter Manuel Neuer im Schalker Tor einschlug. Es war nicht nur das erste Bundesligator für den Griechen, sondern auch der erste Eintracht-Treffer in dieser Rückrunde.

102931125

Quelle: AFP

4 / 11

Frank Rost konnte, nein er musste einem wirklich leidtun beim 0:6 des HSV in München. Der Torhüter der Hamburger erlebte gegen die Bayern einen Orkan, der mit voller Wucht über ihn hinwegfegte. Rost flogen die Bälle entweder um die Ohren oder durch die Beine. Frank Rost hat häufig schlechte Laune, aber diesmal war sie richtig mies: "Beim HSV ist vieles im Argen, weil die Dinge ausgesessen und nicht geregelt werden. Man muss eine Linie haben, und die muss ich gnadenlos durchziehen. Da muss ich auch diejenigen unterstützen, die das mitziehen und kann sie nicht enteiern!" Diese Tirade konterte Sportdirektor Bastian Reinhardt prompt mit dem Hinweis, Rost solle sich ein bisschen besser im Zaum halten. Doch der legte gleich nach: "Scheißegal, dann sollen sie mich wegfackeln!" Enteiern, wegfackeln - Frank Rost spricht sie an, die unangenehmen Themen.

RODOLFO ESTEBAN CARDOSO LEON KOBIASVILI BJOERN DREYER

Quelle: AP

5 / 11

Rodolfo Esteban Cardoso (vorne) war einmal ein richtig guter Bundesligaspieler. Als Mittelfeldregisseur bildete er in den frühen 1990er Jahren in Freiburg mit unvergessenen Sportclub-Helden wie Andreas Zeyer, Ralf "der Kanzler" Kohl oder Jens Todt eine Einheit, die als sogenannte Breisgau-Brasilianer für Furore sorgten - und das, wo Cardoso doch Argentinier ist. Jetzt ist der mittlerweile 42-Jährige zurück in der Bundesliga: Nach Armin Vehs vorzeitiger Entlassung in Hamburg soll Cardoso dem bisherigen Ko-Trainer Michael Oenning als Assistent zur Seite stehen. Für den bisherigen Regionalliga-Coach der zweiten Mannschaft des HSV ist das eine unverhoffte Beförderung - ob sie lange anhalten wird, ist jedoch so schwer voraussagbar wie das Hamburger Schmuddelwetter.

102931125

Quelle: AFP

6 / 11

Es ist schon eine Geschichte für sich, wie die Bayern nach den Querelen in der vergangenen Woche gegen Hamburg urplötzlich auftrumpften. Kaum ist Louis van Gaal zur lahmen Trainerente heruntergestutzt, entdeckt zum Beispiel der zuvor noch wirkungslose Franck Ribéry wieder seine Zauberfüße. Der Franzose wirbelte und wuselte, er sprintete und spurtete - und er zeigte endlich wieder, warum einst die spendablen Spanier mehr als 60 Millionen Euro ausgeben wollten, um ihn nach Madrid zu holen. Doch der Franzose blieb und er hat diesmal wieder Spaß am schönen Spiel gefunden. Wie er vor dem 6:0 den hilflosen Hamburger Gojko Kacar stehen ließ! Und den Lupfer aus vollem Lauf zum vorherigen 4:0 können auch nicht viele so filigran.

102931125

Quelle: AFP

7 / 11

Arjen Robben betrieb gegen den HSV sein ganz persönliches Wut-Management. Jeder seiner drei Treffer war ein kleiner Schritt zur Rehabilitierung des zuletzt so frustrierten Holländers - man sah es ihm an. Glücklicherweise tat ihm die Hamburger Defensive den Gefallen, die von Hannover und Schalke demonstrierte Abwehrtaktik gegen ihn zu ignorieren, was Robben genügend Platz zur freien Entfaltung bot. Schön ist das, wenn einem nicht ständig zwei Gegenspieler auf den Zehen stehen, muss sich der begabteste Linksfuß der Liga gedacht haben, als er die Verteidiger der Hanseaten reihenweise umkurvte und mal brachial, mal lässig seine Tore erzielte. Und mit jedem Erfolgserlebnis beruhigte sich seine geschundene Spielerseele ein bisschen.

FSV Mainz 05 - Bayer Leverkusen

Quelle: Roland Holschneider/dpa

8 / 11

Leverkusens Renato Augusto scheint am Samstag bei Raúl genau hingeschaut zu haben. Während der Spanier sich hinter Eintracht-Torhüter Fährmann versteckt hatte, tauchte auch Bayers Brasilianer gegen Mainz plötzlich aus dem Nichts auf und stibitzte dem überraschten Mainzer Abwehrmann Bo Svensson den Ball. Doch im Gegensatz zu Raúl wurde Augusto daraufhin nicht ungesenst, sondern er nahm Anlauf und hielt drauf. Sein Schuss landete genau im Winkel des Mainzer Tores - und bevor Svensson sich richtig ärgern konnte, drehte der Leverkusener schon jubelnd ab. Etabliert sich in der Bundesliga etwa ein neuer Trend zum Bälleklauen?

VfL Wolfsburg v 1. FC Nuernberg - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

9 / 11

Wenn Nürnbergs Verteidiger Per Nilsson kein Fußballer wäre, könnte er mit seinem Namen glatt in einer Pippi-Langstrumpf-Geschichte Karriere machen. Herr Nilsson heißt bekanntlich das kleine Äffchen, mit dem die Astrid-Lindgren-Heldin in ihrer Villa Kunterbunt haust. Der Nürnberger Herr Nilsson traf am Wochenende in letzter Minute zum 2:1 für den "Club" in Wolfsburg und sorgte so für eine Fortsetzung der kunterbunten Tage im Frankenland. Der FCN ist derzeit so gut, dass sie sich am Valznerweiher selber ganz verwundert die Augen reiben. Bestimmt könnten die Nürnberger mittlerweile sogar Pferde stemmen - wie Pippi ihren hauseigenen Apfelschimmel.

FC Schalke 04 - Eintracht Frankfurt

Quelle: dapd

10 / 11

Das Wochenende bot Kuriositäten in allen Facetten - von Slapstick-Einlagen bis hin zur Rückkehr von "Robbery" gab es reichlich Unterhaltsames zu bestaunen. Doch die Ereignisse um die Erdbeben-Katastrophe in Japan bescherten der Bundesliga auch einen Moment des Einhaltens: Schalkes japanischer Nationalspieler Atsuto Uchida trug nach der Partie gegen Frankfurt ein T-Shirt mit einer Botschaft an seine Landsleute. "Liebe Freunde in Japan, in der Hoffnung, dass viele Leben gerettet werden - lasst uns zusammenstehen" stand da und wer sich ein bisschen besann, musste unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass es derzeit wohl weitaus wichtigere Dinge gibt, als ein gewonnenes Fußballspiel.

FC Energie Cottbus - VfL Osnabrück 2:0 (0:0)

Quelle: dpa

11 / 11

Diese Erkenntnis fand noch in einem weiteren Spiel ihre Bestätigung: In der Zweitliga-Partie zwischen Cottbus und Osnabrück stieß in der 80. Minute VfL-Stürmer Flamur Kastrati bei einem Zweikampf unglücklich mit Energie-Profi Markus Brzenska zusammen und sackte regungslos zu Boden. Schiedsrichter Marc Seemann unterbrach das Spiel für zwölf Minuten, bevor der vorübergehend bewusstlose Kastrati mit dem Krankenwagen ins Klinikum Cottbus gefahren wurde. Sichtlich geschockt von der Verletzung des Osnabrückers einigten sich alle Akteure auf dem Platz für die verbleibende Spielzeit auf einen Nichtangriffspakt - weil ein Abbruch nach Angaben des Schiedsrichters nicht möglich war. Eine überlegte Entscheidung nach einem tragischen Zwischenfall. Immerhin gab es aus dem Krankenhaus bald darauf positive Nachrichten: Kastrati sei außer Lebensgefahr und habe das Bewusstsein wiedererlangt, hieß es.

© sueddeutsche.de/hum
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: