Bundesliga:Dortmund grummelt über Tuchels Hin und Her

Borussia Dortmund - FC Augsburg

Marc Bartra, Mario Götze und Julian Weigl (von links nach rechts) sind nach dem 0:1 des FC Augsburg bedient.

(Foto: dpa)
  • Mit elf Punkten weniger als vor einem Jahr schleppt sich der BVB in die Winterpause.
  • Zunehmend macht es den Eindruck, dass sie in Dortmund vorzeitig urlaubsreif waren und manche sich überfordert fühlen.
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Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die Fragen nach Marc Bartra drängten sich auf - auch bei Thomas Tuchel. Ein Verteidiger, der vom FC Barcelona kommt, der es dort an jedem Trainingstag mit Messi, Neymar und Suarez zu tun hatte, der aktueller spanischer Nationalspieler ist und dazu auserkoren, bei Borussia Dortmund den großen Mats Hummels zu ersetzen: Wie kann so einem so viel Einfaches misslingen, wie kann so einer verunsichert sein wie ein entnervter A-Jugend-Spieler? Der Trainer wies seinem Abwehrchef nach 45 miserablen Minuten lieber gleich einen Platz unter der Dusche an.

Am Gegentor, das dem FC Augsburg zu einem 1:1 in Dortmund reichte, war der Katalane Bartra natürlich auch beteiligt gewesen, mit einem haarsträubenden Fehlpass und falschem Stellungsspiel. Daran, dass Dortmund danach 20 Torschüsse hatte und dabei nur einen Treffer erzielte, konnte man Bartra allerdings keine Schuld geben. Und natürlich nahm ihn Tuchel in Schutz - jedenfalls so, wie man einen in Schutz nehmen kann, dessen Leistung man während des Spiels mit Kopfschütteln und Abwendung beurteilt hatte.

Dortmunds Hochbegabte wirken verwirrt und verkrampft

Da können Worte die Körpersprache nur noch bedingt korrigieren: "Marc ist es nicht gewohnt, alle drei Tage zu spielen und alle drei Tage für das Spiel große Verantwortung zu tragen", sagte Trainer Tuchel also. Bartra sei manchmal überengagiert, wolle aber immer das Beste. In ein normales Arbeitszeugnis hätte Tuchel so etwas nicht schreiben dürfen.

Eine halbe Stunde vorher, nach dem Abpfiff, gab es etwas, was in Dortmund nur die älteren Zuschauer noch kennen: Pfiffe für die eigene Mannschaft, wenn auch nur ein paar Herzschläge lang. Gemeint war längst nicht nur Bartra, der ein bisschen der Sündenbock des Abends war. Gemeint war das ganze undurchschaubare fußballerische Dickicht des Spiels, die Verwirrtheit und Verkrampftheit einer hoch begabten Elf, die sich im bedauernswerten Bartra nur am deutlichsten zu spiegeln schien.

Auch dies destillierte Tuchel aus den letzten Spielen heraus. Er stehe bisweilen vor einem "Rätsel", warum seine Mannschaft von Spiel zu Spiel oder, wie gegen Augsburg, auch innerhalb von 90 Minuten so oszilliere zwischen Genie und Irrsinn. "Absoluter Wahnsinn, dass wir das siebte Mal in Folge in Rückstand geraten", klagte Tuchel über die fatale 0:1-Serie seiner Elf.

Tuchel muss den Reset-Knopf drücken

Auch den Hinweis eines Reporters, dass seine Mannschaft satte elf Punkte weniger auf dem Konto hat als zum gleichen Zeitpunkt 2015, musste Tuchel ertragen. Platz eins und zwei, vor der Saison das freilich nicht öffentlich ausgerufene Ziel, liegen zehn, zwölf Punkte entfernt. Das 1:2 in Frankfurt mit Tuchels Wut-Rede und danach nun drei Unentschieden gegen Köln, Hoffenheim und den FCA - all das addiert sich auf neun verlorene Punkte binnen der jüngsten fünf Spieltage. Da hellte nicht einmal die vor dem Spiel verkündete Vertragsverlängerung mit Jung-Nationalspieler Julian Weigl (bis 2021) die Laune auf.

Gegen biedere, aber solide Augsburger registrierten Tuchels Spieler vier Systemwechsel in 90 Minuten. Nachvollziehen konnten die taktisch geschulten Dortmunder Spieler das vermutlich noch, umsetzen offenbar nicht mehr. Zunehmend macht es den Eindruck, dass sie in Dortmund vorzeitig urlaubsreif waren, manche sich überfordert fühlen, sich nach mehr Stabilität und Einfachheit sehnen - so, wie es die Augsburger mit ihren begrenzteren fußballerischen Mitteln vorführten. Schon vor ein paar Tagen hatte BVB-Kapitän Marcel Schmelzer angemerkt, es mache die Dinge nicht leichter, wenn man "mit dauernd wechselndem Personal in der Vierer- oder Fünferkette spiele" und "nie eine richtige Abstimmung" hinbekomme.

Das Grummeln über zu viel Hin und Her

Schmelzer ist nicht der Typ, der öffentlich den Trainer angehen oder mehr Kontinuität fordern würde. Das Grummeln über zu viel Hin und Her, über Überforderung und Überfrachtung nimmt aber durchaus zu in Dortmund. Gegen Augsburg gab es im Wechsel Dreier- und Viererketten und im Zentrum eine Ballung von De-Luxe-Fußballern wie Mario Götze, Ousmane Dembélé und Shinji Kagawa, die oft nicht zu wissen schienen, für welche Aufgabe und welche Laufwege sie gerade zuständig waren.

Trotzdem erspielten sich die hoch überlegenen Borussen eine Reihe von sehr guten Torchancen. Aber nicht mal Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang versenkte den Ball. Und als nach einer knappen Stunde Augsburgs Paul Verhaegh Shinji Kagawa elfmeterreif foulte, mochte nicht einmal der ansonsten ordentlich pfeifende Schiedsrichter Winkmann helfen.

Tuchel wird in der Rückrunde, die mit dem Prolog des letzten Hinrunden-Spiels in Bremen beginnt, einen Reset-Knopf drücken. Voraussichtlich sind dann alle Spieler gesund, alle nehmen an der Vorbereitung in Andalusien teil - und keiner will dann mehr die Worte "Hummels", "Gündogan", "Mkhitaryan" oder "Umbruch" hören. Für ein Verpassen der Champions League mit Dortmunds funkelndem Kader gäbe es nicht mal für Tuchel ein Pardon.

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