Bundesliga:5:1 - doch Dortmund leidet

Lesezeit: 3 min

  • Dortmund schlägt Wolfsburg 5:1, trotzdem sagt Trainer Tuchel: "Wir haben heute leiden müssen."
  • Wolfsburg hätte vor der Halbzeit ausgleichen können, Chancen waren genug vorhanden.
  • Am Ende ist keiner der Dortmunder Torschützen, sondern Torhüter Bürki der gefeierte Mann.

Von Carsten Scheele, Wolfsburg

Wollte man allein am Gesichtsausdruck des Trainers das Ergebnis eines Bundesliga-Spiels ablesen, dann wäre dies bei Thomas Tuchel in Wolfsburg sehr schwierig geworden. Kaum zu sagen, ob er nun wie nach einem glücklichen 1:0-Sieg dreinschaute oder wie nach einem hart umkämpften 2:2. Ganz sicher passte seine Mimik nicht zu der eines Trainers, dessen Team den Gegner gerade auswärts 5:1 vom Platz gefieselt hatte.

Borussia Dortmund baute am Dienstagabend gegen den VfL seine Serie hoher Siege aus, nach den beiden 6:0 in Warschau (in der Champions League) und gegen Darmstadt (in der Bundesliga). Trotzdem musste der Trainer kräftig durchschnaufen. Er sah abgekämpft aus, mental geschafft, als er nach dem Spiel zu einem Kommentar gebeten wurde. "Wir haben heute leiden müssen", erklärte Tuchel.

Wer sich ob des Ergebnisses auf der Anzeigetafel nun im falschen Film wähnte, dem sei versichert, dass der Dortmunder Coach Herr seiner Sinne war. Zwar sind 17:1 Tore in drei Spielen ein starker Beleg für die offensive Wucht des BVB. Wie schwer das Team derzeit auszurechnen ist, zeigt der Umstand, dass sich in dieser Spielzeit bereits 14 (!) Dortmunder Spieler in die Torschützenliste eingetragen haben. Das bekam auch Wolfsburg zu spüren.

Der BVB erwischte - wie so oft zuletzt - einen Blitzstart. Schon nach 193 Sekunden lag der Ball im Wolfsburger Netz, der kurz darauf verletzt ausgewechselte Marc Bartra hatte die Defensive der Niedersachsen mit einem einfachen Ball entblößt, Raphaël Guerreiro entwischte und brachte den Ball vorbei an Torwart Koen Casteels zum 1:0 unter. Das 2:0 war eine Einzelaktion von Pierre-Emerick Aubameyang, der Abwehrspieler Philipp Wollscheid mit einer Körpertäuschung wie eine Slalomstange stehen ließ und den Ball hoch ins Netz schlenzte. 17 Minuten waren da gespielt.

Dann stellten sich jedoch jene Szenen ein, die Tuchel seiner guten Laune beraubten. Denn Wolfsburg spielte keineswegs so schlecht, wie sich das Ergebnis anfühlte. Schon vor der Pause hätte der VfL die Partie ausgleichen können, Chancen genug waren vorhanden, etwa durch Bruno Henrique (8.), Mario Gomez (35.) oder Ricardo Rodríguez (37.), der mit seinem Freistoß an Torwart Roman Bürki scheiterte. "Es hat sich lange nicht nach so einem klaren Ergebnis angefühlt", befand Tuchel später.

Das wurde zu Beginn des zweiten Durchgangs noch schlimmer. Wolfsburg drückte, vergab erst einige Gelegenheiten, ehe die eingewechselten Paul Seguin und Daniel Didavi in Koproduktion den Anschlusstreffer erwirkten (54.). Seguin flankte, Didavi lenkte den Ball ins Netz - ganz einfach sah das aus, und der BVB wirkte plötzlich arg verwundbar. Hätte Gomez den Ball bei seiner Aktion im Dortmunder Strafraum nur Zentimeter weiter über die Linie gedrückt oder hätte Draxler mit einem schönen Distanzschuss Erfolg gehabt, "das Spiel hätte an einigen Stellen kippen können", bemerkte Wolfsburgs Geschäftsführer Klaus Allofs richtigerweise.

Doch so weit kam es nicht. Die paar Zentimeter, die Ousmane Dembélé bei seinem Kontertor auf Pass von Gonzalo Castro in der 58. Minute im Abseits stand, entschieden die Partie. Das gab Tuchel zu, auch Allofs redete nach dem Schlusspfiff lange auf die Schiedsrichter ein, weil er sich betrogen fühlte. Nach dem 3:1 sei das Spiel quasi "beendet" gewesen, schimpfte Allofs, zumindest aus Wolfsburger Sicht stimmte das. Vier Minuten nach dem 3:1 stand es bereits 4:1 (62., Aubameyang), bald darauf 5:1 (73., Piszczek). Dortmund konterte nach Belieben, Wolfsburg war seiner Willenskraft beraubt. "Ein unglaubliches Ergebnis", konstatierte Tuchel, "wir haben heute hart dafür gekämpft."

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Was sagt dieses Ergebnis für den BVB nun aus? Zum einen, dass die Ansammlung hochbegabter Wuselspieler in jedem Spiel in der Lage zu sein scheint, viele Tore zu erzielen. Wie der BVB über Aubameyang, Guerreiro und Pulisic von einer Sekunde auf die nächste das Tempo erhöhen kann, ist bemerkenswert. Zum anderen weiß Tuchel zu gut, dass das Team gegen noch bessere Gegner als Wolfsburg - die bald Real Madrid oder Bayern München heißen werden - diese Offensivwucht umso mehr brauchen wird, da die Mannschaft defensiv immer wieder Torchancen zulässt. Er habe "viele Dinge gesehen, die es zu verbessern gilt", urteilte Tuchel. Da besänftigte ihn kaum, dass der BVB bis zum Spitzenspiel zwischen den Bayern und Hertha BSC am Mittwochabend an der Tabellenspitze steht.

Es passte schließlich zu dieser seltsamen Partie, dass am Ende keiner der Dortmunder Torschützen, sondern der Torhüter der gefeierte Mann des Abends war. Bürki hatte den BVB mit Blitzreflexen vor zahlreichen Gegentreffern bewahrt, fünf oder sechs hochkarätige Chancen vereitelt. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke jubilierte, Bürki habe "überragend" gehalten. Ein "großes Extralob" verteilte auch Tuchel. An seinen Torwart. Nach einem 5:1.

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