Bundesliga:Die zweite Welle

Der runderneuerte Tabellenführer FC Bayern München, heute Abend (21 Uhr) im Uefa-Cup zu Gast beim SC Braga, treibt den Umbruch weiter voran.

Markus Schäflein

Porto - Die Fragen auf Portugiesisch fielen noch angenehm aus. Ob der FC Bayern ein Favorit auf den Sieg im Uefa-Pokal sei, wollte ein Journalist bei der abschließenden Pressekonferenz im Sheraton Hotel in Porto wissen, und Trainer Ottmar Hitzfeld durfte milde lächelnd antworten, der FC Bayern sei ein Favorit. Die unangenehmeren Fragen kamen draußen, auf Deutsch, und sie wurden nicht übersetzt - die Fragen nach dem Wirbel rund ums Personal, der den FC Bayern unmittelbar vor der Uefa-Cup-Partie beim SC Braga an diesem Donnerstag (21 Uhr, live im ZDF) erwischt hat.

Dabei sorgt sich Hitzfeld noch am wenigsten um Abwehrspieler Christian Lell, den seine ehemalige Freundin wegen Körperverletzung angezeigt hat, worauf die Polizei am vergangenen Wochenende im Mannschaftshotel Limmerhof aufkreuzte und Lell zum Verhör mitnahm. "Das ist ein Vorfall, der uns sehr stört. Aber so wie es derzeit dargestellt wird, muss man ihn mal in Schutz nehmen. Wer die Hintergründe kennt, sieht die Sache anders", sagte Hitzfeld. Der Trainer sprach Lell prompt schon zwei Tage vor der Partie - was er sonst bei keinem Spieler tut - eine Einsatzgarantie für das Spiel in Braga aus, um ihm demonstrativ den Rücken zu stärken.

Es gibt aber auch sportliche Reizthemen, die den FC Bayern derzeit beschäftigen. Viele Personalien deuten zurzeit darauf hin, dass der Verein den Umbruch keineswegs hinter sich hat, sondern dass er mitten drin steckt - und die zweite Welle zeitnah vor sich hat. Der Argentinier José Ernesto Sosa, der in Braga zum Kader gehört und sich vielleicht bei entsprechendem Spielverlauf zeigen darf, wird intern von vielen bereits nach einem halben Jahr als Fehlgriff gewertet. Innenverteidiger Valérien Ismaël will so schnell wie möglich gehen, weil er nach seiner Verletzungspause nicht mehr zum Kader gehörte. "Mein Abschied im Winter steht zu 95 Prozent fest", sagt der Franzose, "es gibt zwei, drei Möglichkeiten, nur die Unterschrift fehlt noch." Zuletzt zeigte Hannover 96 sehr reges Interesse.

Und Ismaëls Landsmann Willy Sagnol hat via Fernsehen seine Wechselabsichten mitgeteilt. "Ich kenne doch den Willy", konterte Manager Uli Hoeneß, "er ist ein extrem emotionaler Mensch. Gestern will er weg, heute will er bleiben, und morgen will er verlängern." Dann aber deutete der Manager doch eine Fortsetzung des Kurswechsels an, der sich schon am Ende der vorigen Saison abzeichnete. Verträge seien zum Einhalten da, verkündete Hoeneß früher gebetsmühlenhaft, zum Beispiel bei Owen Hargreaves. Jetzt aber sagt er: "Wir haben sowieso zu viele Spieler. Hier bricht nichts zusammen, wenn einer oder zwei im Winter gehen."

Hoeneß hat angekündigt, er werde sich in der Woche vor Weihnachten mit Sagnol zusammensetzen. Was eine mögliche Einwechslung Sagnols in Braga angeht, kündigte Trainer Hitzfeld vor dem Abschlusstraining an: "Das schauen wir mal im Laufe des Spiels." Seinem Unmut über die Äußerungen des Verteidigers machte der Trainer vergleichsweise deutlich Luft. Sagnol müsse akzeptieren, dass er nach seiner langen Pause nicht gleich eingesetzt werde. "Es stört mich, wenn Unruhe hineingetragen wird. Es ist immer damit zu rechnen, dass es ungeduldige Spieler gibt. Junge Leute haben manchmal nicht so viel Geduld." Aber unerfahren ist der Franzose nicht, und so fügte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge an: "Wir haben Willy gesagt, dass wir erwarten, dass er Ruhe gibt. Das, was er am Samstag gemacht hat, war ohne Frage der falsche Weg." Private Gründe könnten dazu beitragen, dass Sagnol seinen Abschied forciert, obwohl die Fans standhaft "Willy, Willy" rufen.

Die zweite Welle

Weil zwei Franzosen gehen wollen, sprießen zu allem Überfluss Vermutungen, auch Franck Ribéry, der Dritte im Bunde, fühle sich beim FC Bayern nicht wirklich wohl. Zu kalt sei es ihm in München, zu regnerisch, und so weiter. Sein belgischer Kollege Daniel van Buyten, von Trainer Magath geholt und womöglich auch ein Kandidat für einen Abschied, weist vorsorglich darauf hin, dass man ihn als Ribéry-Kumpel doch ganz gut im Team brauchen könnte. Ribérys auffällig uninspirierte Leistung beim 1:3 in Stuttgart war aber kein Zeichen generell schlechter Laune, sondern hatte wohl einen ganz anderen Hintergrund. Der Franzose demonstrierte den Verantwortlichen, dass er sich nicht ohne Weiteres auf die rechte Außenbahn zwangsversetzen lässt. Links will er lieber - was direkt zum nächsten Problemfall im Luxuskader führt, zu Lukas Podolski, der in Braga wegen einer Zehenprellung fehlt.

Der FC Bayern will den Offensivspieler unbedingt halten, die Verantwortlichen sind von seinen Fähigkeiten überzeugt - und neuerdings auch von seiner charakterlichen Entwicklung. Auf eine Fortsetzung der Schweini-Poldi-Soap mit Bastian Schweinsteiger, der sich Haare blondieren und die Fingernägel färben lässt, hat Podolski keine Lust mehr - das gefällt Uli Hoeneß, der bei Podolski mehr Ernsthaftigkeit angemahnt hatte. Das Dumme ist nur: So positiv sich der Nationalspieler auch entwickelt, im Team ist irgendwie kein Platz für ihn. Vorne stürmen Klose und Toni unangefochten - bleibt also nur die linke Außenbahn, die Podolski beim Nationalteam zuletzt mit Licht und Schatten bespielte. Aber links will eben Ribéry bleiben.

Angesichts all dessen hofft Hitzfeld umso mehr auf einen Sieg in Braga: "Wir wollen das Weiterkommen schaffen, dann hätten wir mehr Selbstbewusstsein und mehr Luft." Und das bisschen mehr Ruhe, das sie für den zweiten Teil des Umbruchs brauchen.

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