Bundesliga: Die Sonntagsspiele:Werder lebt noch

Gegen Leverkusen sieht Bremen lange wie der sichere Verlierer aus, doch dann bringt sich Bayer selbst um den verdienten Sieg - mit dem 2:2 verhindert Werder den Sturz auf einen Abstiegsplatz. Stuttgart gewinnt in Unterzahl bei Eintracht Frankfurt.

Werder Bremen ist eine Mannschaft, die auch dann für Spektakel sorgt, wenn sie auf dem Weg nach unten ist. Einen eindrucksvollen Beweis dafür lieferten die kriselnden Hanseaten an diesem Sonntag beim Spiel gegen Leverkusen, das sie eigentlich schon verloren hatten - doch in allerletzter Sekunde gelang Thomas Schaafs Team dann doch noch das, was man gemeinhein einen "gefühlten Sieg" nennt. Gegen den Tabellenzweiten aus Leverkusen erkämpften sich die Bremer in einer ereignisreichen Schlussphase ein 2:2 (0:1) und belegen nach diesem Spieltag den 15. Rang, mit drei Punkten Vorsprung auf Abstiegsplatz 17.

Werder Bremen's coach Schaaf reacts during German Bundesliga soccer match against Bayer 04 Leverkusen in Bremen

Dem Himmel sei Dank: Werder-Trainer Thomas Schaaf geriet auch gegen Bayer wieder an den Rande der Verzweiflung - doch sein Team kam zurück und schaffte ein 2:2.

(Foto: REUTERS)

Für die in allen Belangen überlegenen Gäste erzielte Eren Derdiyok (42.) und Nationalspieler Simon Rolfes (67.) die Tore für die Rheinländer. Beim 1:0 übersprang Derdiyok die gesamte Hintermannschaft der Bremer einschließlich Torhüter Tim Wiese und drückte den Ball per Kopf aus vier Metern Entfernung über die Linie. Rolfes traf schließlich mit einem Flachschuss aus rund zehn Metern.

Die seit nunmehr sechs Spielen sieglosen Bremer kamen durch ein Eigentor des eingewechselten Stefan Kießling (83.) zum Anschlusstreffer, bevor der Leverkusener Arturo Vidal wegen wiederholten Foulspiels die Gelb-Rote Karte (87.) sah. Den umjubelten Ausgleichstreffer erzielte Sebastian Prödl (90.+1), der eine weite Flanke einköpfte. "Das kotzt mich richtig an, für mich ist völlig unverständlich, wie wir dieses Spiel noch aus der Hand geben konnten. Hören Sie auf mit der Meisterschaft," sagte Leverkusens überragender Torhüter Rene Adler sichtlich erbost. "Wir haben uns das Glück erkämpft, weil wir nie aufgegeben haben und sind dafür belohnt worden. Nach solch einem Spiel ist das Unentschieden in Ordnung. Ein Sieg wäre nicht verdient gewesen", meinte Prödl. Bayer-Kapitän Rolfes sagte: "Wir hatten den Sieg lange fest in der Hand. Ich kann nicht erklären, warum wir in den letzten Minuten so passiv waren."

Adler ärgert sich

Schon die erste Torgelegenheit erarbeiteten sich die Gäste. In der 10. Minute strich ein Freistoß von Renato Augusto nur knapp am Werder-Gehäuse vorbei. Im Gegenzug kam der junge Florian Trinks, erstmals in der Bremer Startformation, 60 Sekunden später frei zum Schuss, vergab diese Chance aber überhastet. Der U-17-Europameister wurde von Trainer Thomas Schaaf für Aaron Hunt aufgeboten, der zunächst ebenso nur auf der Bank saß wie auch Marko Marin und Marko Arnautovic.

Leverkusen wirkte vor 37.500 Zuschauern im Weserstadion technisch reifer und ballsicherer, die Bremer konnten dieser spielerischen Überlegenheit nur Kampf und gelegentliche Konter entgegensetzen. Eine dieser wenigen Attacken allerdings hätte Tim Borowski in der 19. Minute fast mit einem Torerfolg abgeschlossen, doch Rene Adler konnte den Flachschuss parieren. Sieben Minuten später scheiterte der Ex-Nationalspieler erneut an Adler, es war die bis dahin beste Einschussmöglichkeit der Platzherren.

Nach dem Seitenwechsel änderte sich am Geschehen auf dem Spielfeld wenig. Zwar hatten die Gastgeber durch Mittelfeldspieler Philipp Bargfrede in der 50. Minute eine gute Chance, doch im Großen und Ganzen beherrschten die Gäste weiterhin den Spielverlauf. Schaaf versuchte die Offensive seines Teams zu stärken und wechselte nach exakt einer Stunde Spielzeit Marin für Bargfrede ein.

Daraufhin kam der SV Werder aber zunächst nur zum ersten Eckball in dieser Begegnung und blieben darüber hinaus ohne Durchschlagskraft - aber auch ohne Glück. Bei den Norddeutschen konnte sich lediglich Mittelfeldspieler Clemens Fritz, der allerdings seine fünfte Gelbe Karte kassierte, eine gute Note verdienen. Neben dem Torschützen Derdiyok überzeugte im Team von Coach Jupp Heynckes der auffällige Gonzalo Castro.

Ulreich rettet Stuttgart

Wolfgang Stark zwinkerte Cacau gutgelaunt zu. Das gönnerhafte Zwinkern sollte ungefähr aussagen, dass er, der Schiedsrichter, seinen lustigen kleinen Fehler eingesehen und gleich wieder repariert habe, aber Cacau fand die Sache trotzdem keineswegs lustig, denn auch die korrigierte Entscheidung des Spielleiters war für den VfB Stuttgart eine bittere Entscheidung.

Eintracht Frankfurt  - VfB Stuttgart

Stuttgarter Freude: Durch das 2:0 bei Eintracht Frankfurt hat der VfB wieder Anschluss zu den Nicht-Abstiegsplätzen.

(Foto: dapd)

Zwar hatte Stark den fälschlich verhängten Feldverweis für Verteidiger Khalid Boulahrouz zurückgenommen, dafür schickte er aber, diesmal zurecht, den Verteidiger Matthieu Delpierre mit der Roten Karte vom Platz - und die VfB-Spieler sahen 74 ausbleibenden Minuten entgegen, in denen sie die Partie bei Eintracht Frankfurt ohne ihren Kapitän und Abwehrchef zu überstehen hatten. Nicht nur die Pessimisten im Schwabenland wurden in diesem Moment von der Ahnung ergriffen, dass ihr VfB zur nächsten Saison seine Punktspiele in Paderborn, Aachen oder Cottbus austragen müsste.

Anderthalb Stunden später hat sich der Rest der VfB-Mannschaft im Freudentaumel auf den jungen Torwart Sven Ulreich gestürzt. Es war ein großes ausgelassenes Knäuel, das sich nach dem Schlusspfiff im Stuttgarter Strafraum um ihn fügte, aber ein paar Worte hat Ulreich im Durcheinander verstanden. "Sie haben gesagt, dass es mein Sieg war", erzählte er später und wies diese Würdigungen nach Fußballerart bescheiden zurück. "Es war der Sieg der ganzen Mannschaft", stellte der vorige Woche noch zur Reserve degradierte Torwart klar und hatte ja so recht, denn für diesen mit Zähnen und Klauen aufopfernd errungenen 2:0-Erfolg brauchte der VfB wirklich jeden Mann. "Ein unglaublich wichtiger Sieg für uns", befand Trainer Bruno Labbadia.

Die Verzweiflung war stattdessen auf die andere Seite gewechselt: Die Frankfurter haben auch im siebten Spiel der Rückrunde kein Tor zustande gebracht, obwohl sie nach Ansicht von Vorstandschef Heribert Bruchhagen während der zweiten Hälfte "eine unzählige Anzahl von Torchancen" zur Verfügung hatten, phasenweise sogar "im Minutentakt", wie Michael Skibbe fand, und am Ende wäre der Trainer sogar froh gewesen, "wenn uns wenigstens der Anschlusstreffer in der 90. Minute gelungen wäre". Doch daraus wurde nichts, und Skibbe wollte nichts beschönigen: "Es ist eine absolute Katastrophe, dass wir das Tor nicht treffen."

Dieses Spiel, das wild und hektisch war und manchmal vor lauter Leidenschaft hysterische Züge annahm, bot alle rüden Attraktionen des Abstiegskampfes. Außerdem war es in weiten Teilen eine griechische Tragödie. Das Scheitern des zur Pause eingewechselten Stürmers Ioannis Amanatidis und seines Landsmanns Theofanis Gekas vor dem Stuttgarter Tor war eines der Serienmotive an diesem Nachmittag. Entweder wehrte der reaktionsschnelle Ulreich ab oder es stand eines von scheinbar 1000 Stuttgarter Beinen im Weg, und als Gekas in der 57. Minute im Begriff war, den Fluch der Torlosigkeit zu brechen - da sprang der Ball vom Innenpfosten ins Feld zurück.

Zu dem Zeitpunkt stand es noch 0:0, vermutlich wäre der VfB untergegangen, hätte Gekas sein Ziel getroffen, so aber ergab sich plötzlich die unvermutete Wendung. Es begann mit einem der vielen Freistöße, die Stark anzuordnen gezwungen war (ständig wälzten sich Spieler vor Schmerzen auf dem Rasen). Diesmal für den VfB: Martin Harnik führt aus, kein Frankfurter hindert ihn daran. Er spielt rüber zu Timo Gebhardt. Schuss aufs Tor, Ralf Fährmann klatscht ab, und Harnik nimmt den Abpraller gern entgegen - das 1:0 in der 64. Minute.

Dieses überaus vermeidbare Gegentor war der Grund, warum der Frankfurter Verteidiger Marco Russ später klagte: "Und dann sind wir auch noch zu dumm und zu schläfrig, um hinten zu Null zu spielen." Torwart Ralf Fährmann wird trotzdem keine gnädigen Kritiken erhalten, er hat nicht nur das 0:1 begünstigt, auch beim 0:2 leistete er durch einen verpatzten Abstoß Beihilfe. Tamas Hajnal erzielte das Tor mit einem Heber über den Schlussmann, der eigentlich viel zu fein war für schmutzigen Abstiegskampf.

Apropos Schmutz: Es wurde auch darüber debattiert, ob außer Delpierre nicht auch der gewohnheitsmäßig auffallende Frankfurter Verteidiger Maik Franz die Rote Karte hätte sehen müssen, weil er den Stuttgarter provoziert hatte, indem er ihm auf den Fuß stieg. Boulahrouz jedenfalls war ausnahmsweise unschuldig.

(Philipp Selldorf)

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