Bundesliga:Die Rückkehr der Li-La-Laune-Bayern

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Torschützen: David Alaba, Robert Lewandowski und Arturo Vidal. (Foto: dpa)
  • Beim 8:0 gegen den Hamburger SV überzeugt neben Müller und Lewandowski auch das Senioren-Duo Lahm/Robben.
  • Der FC Bayern nutzt in diesem Spiel einfache taktische Mittel.
  • Unter Carlo Ancelotti ist es sowieso wichtiger geworden, wie die Mannschaft sich fühlt und weniger, welches System sie spielt.

Von Christof Kneer, München

Für einen kleinen Moment überlegte Arjen Robben, ob er vielleicht ..., nein, wahrscheinlich überlegte Arjen Robben nicht. Es ging alles viel zu schnell in dieser 54. Minute, für den HSV sowieso, aber auch für die Spieler des FC Bayern. Die Bayern waren natürlich selber schuld, dass sie nicht mehr denken konnten, sie spielten so schnell, dass höchstens noch ihre Füße mitkamen, ihre Köpfe aber keineswegs. Nein, Robben konnte nicht mehr überlegen, ob er jetzt seine Hacke nehmen sollte, er nahm sie einfach. Er lenkte den Ball weiter in den Strafraum, mitten rein in den Lauf von Robert Lewandowski, der, ebenfalls ohne zu überlegen, sehr trocken das 3:0 erzielte, oder vielleicht war es auch schon das 5:0. Es war halt eines dieser vielen Tore, die der HSV kassierte und die man später kaum mehr auseinanderhalten konnte.

Für alle Pedanten, Statistiker und Freunde des HSV-Katastrophentourismus: Das Tor, das Robbens Hacke entsprang, war das 4:0 (54.), und laut Berichten von Augenzeugen war es zu schön, um wahr zu sein.

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Der Müllerthomas hat wieder nicht getroffen, nicht mal gegen den hilflosen Sportverein aus Hamburg. Trotzdem hat er es beim 8:0 geschafft, bester Münchner zu sein. Wie geht das?

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Er habe "die Hacke eigentlich gar nicht mehr im Programm", sagte Robben später mit einem beachtlichen Grinsen, "diese Bewegung ist gefährlich für meine Muskulatur, ich habe mich bei einem Hackentrick mal schwer verletzt". In diesem Moment aber, sagte Robben, habe er sich "getraut".

Es war so etwas wie der Satz des Spiels. Der FCB traut sich was - er traut sich sogar wieder, ein bisschen Spaß zu haben.

Es war fast egal, welchem Bayern-Spieler man nach dem 8:0 gegen den bemitleidenswerten HSV in der Interviewzone begegnete, im Grunde sagten eh' alle das Gleiche. Alle sagten Sätze, in denen Begriffe aus dem Wortfeld Spaß/Freude/ Lust/Laune vorkamen. Es habe "richtig Spaß gemacht, heute zu spielen", sagte stellvertretend Thomas Müller, dieser Nachmittag habe das gebracht, "wonach wir in jedem Spiel suchen, Spielfreude pur".

Immer "Lust aufs nächste Tor" habe man gehabt, ergänzte Robert Lewandowski, der diese Lust nach Arturo Vidals Führungstor (17.) mit dem 2:0 (Elfmeter, 24.), 3:0 (42.) und 4:0 (54., siehe oben) befriedigte. Zusammengefasst lässt sich also festhalten, dass die Bayern an diesem Tag so viel Spaß/Freude/Lust/Laune hatten, dass Robben sogar seine Hackenphobie vergaß und sich mitreißen ließ von diesem Flow, der die Tore am Ende fast selbst erzielte. Aber weil man einen Flow nicht auf die Anzeigentafel schreiben und auch nicht in die offizielle DFL-Torjägerstatistik aufnehmen kann, wurden stattdessen halt noch David Alaba (56.), Kingsley Coman (65., 69.) sowie Arjen Robben (87.) gelistet.

Ist das nun eine banale Erkenntnis, dass die Bayern Bock aufs Kicken hatten? Oder ist das eine Geschichte, die mehr erzählt, außer dass es halt gegen einen HSV in seiner FC-Bayern-Normalform ging?

Zwar wirkte die Veranstaltung am Ende wie ein Stadioneinweihungskick irgendwo auf dem Land, aber für den aktuellen FC Bayern könnte dieses Spiel gegen eine Hamburger Hobbymannschaft noch eine größere Sache werden. Seit Pep Guardiola die Stadt verlassen hat, definiert sich diese Elf weniger über ausgefeilte taktische Automatismen, sondern eher übers eigene Gefühl fürs Spiel. Mit anderen Worten: Für den Erfolg ist es viel entscheidender als in den vergangenen drei Jahren, wie diese Mannschaft sich gerade so fühlt. Zuletzt haben sich die Spieler ihr gutes Gefühl eher aus späten Siegtoren als aus herzerfrischenden Leistungen holen müssen - nun aber, da Trainer Ancelotti die Bayern in eine Li-La-Laune-Elf zurückverwandelt hat, ist die innerbetriebliche Eigendynamik von acht Toren nicht zu unterschätzen. Oder von 13 Toren, wenn man die fünf Tore gegen den FC Arsenal mitrechnet.

Wer dem FC Bayern unter Carlo Ancelotti zusieht, muss keine Proseminare belegt haben, um den Geheimnissen des Spiels auf die Spur zu kommen. Ancelotti hat die Bayern taktisch geschrumpft und in der Offensive vor allem auf ein, zwei klassische Moves reduziert, die man auch in Ligen zu sehen bekommt, in denen die Spieler kein Geld mit Fußball verdienen. Werden diese Spielzüge aber von Spielern ausgeführt, die durchaus etwas Geld mit Fußball verdienen, dann können sie bei aller Einfachheit auch recht unwiderstehlich aussehen: wenn Arjen Robben etwa nach innen biegt und den Ball nach außen legt, wo in seinem Rücken garantiert Philipp Lahm angeflitzt kommt, der dann eine Flanke schlägt.

Robben ist übrigens 33, Lahm ebenfalls. Aber wer sie gegen den HSV auf ihrem Flügel herumwetzen sah, hätte sie vielleicht auf 34 geschätzt - zusammen veranschlagt. 17 Jahre der eine, 17 der andere.

"Einmal haben wir mitten im Spiel selber fast lachen müssen", hat Robben später erzählt und an eine Szene erinnert, in der er und Lahm Seite an Seite demselben Ball hinterher sprinteten. Ein Beispiel für kluge Raumaufteilung dieser Elf war das eher nicht, aber die Lust der alten Männer stand an diesem Tag exemplarisch für die neue Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Das war am Ende wohl die Geschichte dieses Spiels: Die Münchner haben ihren Tank vor den entscheidenden Saisonwochen mit Lust und Laune gefüllt.

Klar, hat Robert Lewandowski später gesagt, er hätte gern weitergespielt, aber die frühe Auswechslung sei auch okay. Für die Konkurrenz muss das bedenklich klingen, wenn jetzt schon Stürmer, die man am Tore schießen hindert, gute Laune haben.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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