Bundesliga:Die Bayern-Verfolger im großen SZ-Test

DFB-Pokalfinale 2016: Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke

Dieses Bild wird mit 1 Kalle und 1 Aki bewertet.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Gibt es einen Bundesligaklub, der dem FC Bayern in den nächsten fünf Jahren gefährlich wird? Ein SZ-Gutachten beurteilt die Qualität von Teams und Trainern. Hochseriös. Natürlich.

Von Christof Kneer und Philipp Selldorf

Am Wochenende steht der dritte Spieltag einer Saison bevor, die ungewöhnlich spannend zu werden verspricht. In den zentralen Fragen traut sich derzeit kein Experte ein Urteil zu: Wann wird der FC Bayern Meister - erst im April oder endlich mal im November? Und werden die Bayern die Saison mit angemessenem Vorsprung beenden oder wieder nur mit einem Abstand von neun oder 13 Punkten?

Die Antwort können nur die Verfolger liefern, von ihnen hängt es ab, ob von dieser Saison gute Unterhaltung zu erwarten ist. Die SZ hat seriöse Instanzen (TÜV, Fifa, Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten) mit einem Gutachten beauftragt, in dem die Bayern-Verfolger nach wissenschaftlichen Kriterien untersucht werden. Das Potenzial der Verfolger wird in Anlehnung an den Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit dem Qualitätssiegel "Kalle" bewertet. Wer den Bayern in den nächsten fünf Jahren gefährlich werden kann, erhält drei Kalles. Zwei Kalles bedeuten: Kann die Bayern in Hin- und Rückspiel mal ärgern und hat am Ende weniger als zehn Punkte Rückstand. Ein Kalle bedeutet: Kann den Münchner maximal 90 Minuten lästig werden und kommt mit 15 bis 20 Punkten Rückstand ins Ziel. Die SZ präsentiert Auszüge des Gutachtens.

Borussia Dortmund

Anspruch & Erwartung: Im Klub und dessen Umfeld besteht der Anspruch, mal wieder vor dem FC Bayern zu landen. Die Erwartung besteht nicht.

Finanzen: Der BVB hat eine große Fangemeinde an der Börse und genießt gewichtige politische Unterstützung (Peer Steinbrück/SPD sowie Hans-Joachim "Aki" Watzke, CDU/Sauerland). Der Klub hat zuletzt große Geldmengen auf dem Markt bewegt, allerdings leider auch in die falsche Richtung (Hummels, Gündogan, Mkhitaryan). Beim BVB klagen sie, dass sie weniger in Löhne und Gehälter investieren können als Bayern, dennoch war und ist der BVB jederzeit in der Lage, den Bayern wichtige Spieler wegzukaufen (Mario Götze, Sebastian Rode, Michael Rummenigge). Vor allem der drittgenannte Transfer wird mit hohem Kalle-Faktor bewertet.

Sportliche Leitung: Klubchef Hans-Joachim "Aki" Watzke hat in den letzten Jahren den Anspruch entwickelt, der neue Hoeneß der Liga zu sein und dessen Rolle bei Plasberg, Anne Will sowie Sabine Christiansen zu übernehmen. Problem: Der alte Hoeneß kommt jetzt zurück.

Trainer Thomas Tuchel führt die Mannschaft auf versierte und innovative Art, und er besitzt das Potenzial sowie den dringenden Ehrgeiz, in absehbarer Zeit deutscher Meister zu werden. Das wird ihm gelingen, möglicherweise allerdings als Trainer des FC Bayern München.

Das Bayern-Potenzial der Elf: Der sog. "neue BVB" hat bereits seine ganze Bandbreite gezeigt. Einer Niederlage bei Aufsteiger Leipzig folgte ein Auswärtssieg in der Champions League, der höher ausfiel als der des FC Bayern (6:0). In Dortmund ahnen sie aber: Sollten sie häufiger 6:0 gewinnen, wird Kalle bald Angebote für Dembélé, Guerreiro und Aubameyang vorbereiten. Auch der neue Zehner des BVB (Götze) könnte für Bayern interessant werden.

Fazit: Zwei Kalles und ein Aki.

Bayer Leverkusen

Anspruch & Erwartung: Beides ist offiziell beim Patentamt hinterlegt: Der Begriff "Vizekusen" ist geschützt und kann nicht durch "Titelkusen" ersetzt werden.

Finanzen: Stabil und geheimnisvoll. Über die tatsächliche Größenordnung der Unterstützung des Bayer-Werks ist öffentlich wenig bekannt, zuletzt ließ aber ein Transfer der Bayer-Mutter aufhorchen, die für 66 Milliarden Dollar den umstrittenen Amerikaner Monsanto verpflichtete.

Sportliche Leitung: Sportchef Rudi Völler ist berühmt, beliebt und außerdem der Meinung, dass die Bayern "in fünf Jahren sischerlisch auch dann dreimal Meister werden, wenn sie den Platzwart zum Trainer machen". Vor langer, langer Zeit haben sich die Bayern auch mal für den Sportchef Völler interessiert, aber inzwischen hat er seinen Vertrag in Vizekusen bis zur Pensionsgrenze verlängert.

Trainer Roger Schmidt wird die Pensionsgrenze in Leverkusen vermutlich nicht erreichen, aber er ist ja auch erst 49.

Das Bayern-Potenzial der Elf: Hoch. Verteidiger Jonathan Tah und Offensivspieler Julian Brandt werden sich womöglich schon im Sommer 2017 überlegen müssen, ob sie eine Villa im Vorort Grünwald beziehen oder lieber in der Münchner Innenstadt wohnen wollen. Und dem Verteidiger Ömer Toprak sowie dem Offensivspieler Karim Bellarabi wird zumindest BVB-Potenzial nachgesagt; beide werden vom Aki-Watzke-Klub umworben.

Fazit: Nur ein Kalle für Bayer 04, weil sie ihren besten Spieler nicht halten können/wollen. Trost: Zusätzlich gibt's in Leverkusen natürlich für immer einen Calli, und der wiegt mehr als fünf Kalles.

Gladbach und Schalke? Bayern-Potenzial ist indirekt da

Borussia Mönchengladbach

Anspruch & Erwartung: Man dürfe nicht vergessen, wo man herkommt: Das hat der Trainer Favre dauernd gesagt, und nun, da er weg ist, sagt es halt der Sportchef Eberl, nur ohne Akzent. Eberl fügt gern noch den Satz "Wir wollen einen einstelligen Tabellenplatz" an. Das schließt den Meistertitel nur theoretisch mit ein.

Finanzen: Schuldenfrei und solide. Geschäftsmodell: viel Geld für Spieler einnehmen (Xhaka, ter Stegen, Dante, Reus) und ein bisschen weniger, aber immer noch erstaunlich viel Geld für neue Spieler ausgeben. Im Idealfall funktioniert das so gut, dass am Ende Champions-League-Einnahmen dazukommen. In der Champions League werden die Spieler dann so prominent, dass man wieder viel Geld für sie einnehmen kann, worauf man dann ein bisschen weniger, aber immer noch erstaunlich viel Geld für neue . . . Und so weiter.

Sportliche Leitung: Der listige Sportchef Max Eberl (siehe: Geschäftsmodell) hat das Zeug, auch mal große Titel zu gewinnen. Nur wo? Beim FC Bayern vielleicht?

Trainer André Schubert hat sich als Nachfolger von Lucien Favre vom ersten Tag an stets bemüht. Man kann ihn mit allen anfallenden Aufgaben betrauen, die er meist zur Zufriedenheit erledigt.

Das Bayern-Potenzial der Elf: Indirekt sehr hoch. Laut einer Boulevardzeitung sei "der ehemalige Bayern-Trainer Pep Guardiola heiß auf die Gladbacher Dahoud, Hazard und Christensen".

Fazit: Aktuell leider kein Kalle. Allerdings ein Ehren-Kalle fürs Lebenswerk (Fohlen-Elf).

FC Schalke 04

Anspruch & Erwartung: Die Erwartungen seien auf Schalke "grenzenlos", hat der neue Manager Heidel bereits festgestellt. Die Ansprüche richten sich dagegen nach der Tagesform aus - im Anschluss an das 0:2 gegen Bayern geht die Welt nach dem "schlechtesten Saisonstart seit sechs Jahren" mindestens unter; nach dem 1:0-Sieg in der Europa League in Nizza besingen die Fans dann den U-U-Uefa-Cup, und sie werden deutscher Meister.

Finanzen: Hm. Sagen wir so: Sogar Schalke hat jetzt ein Festgeldkonto. Allerdings auch einen Haufen Schulden. Gut allerdings: Die Heizkosten übernimmt der Trikotsponsor (Gazprom).

Sportliche Leitung: Obwohl von Uli Hoeneß einst mit dem (undotierten) "Schlawiner"-Preis geehrt, wird Heidel nicht zum FC Bayern wechseln. Er betreibt, auf höherem Niveau, lieber weiter seine listige Mainzer Nischenpolitik.

Auch Trainer Markus Weinzierl muss nicht nach Bayern. Grund: Da kommt er ja schon her (Augsburg, Regensburg, Straubing). Seine Perspektive: U-U-Uefa-Cup.

Das Bayern-Potenzial der Elf: Schalkes Elf verfügt über höheres Meisterpotenzial als die Bayern-Elf, allerdings wieder nur im A-Junioren-Bereich. Und sonst? Sané ist schon weg und Manuel Neuer schon da.

Fazit: Ein Kalle. Wegen Manuel Neuer - und weil Schalke vor nicht allzu langer Zeit (2001) ja schon mal Meister vor Bayern war, wenn auch nur 4:38 Minuten lang.

Wolfsburg mit einem Kalle, Leipzig bekommt einen Ralle

VfL Wolfsburg

Anspruch & Erwartungen: Minimierung der Rußpartikel sowie am Wochenende drei Punkte in Hoffenheim.

Finanzen: In Zeiten des Abgasskandals umstritten, aber dennoch unerschöpflich und unergründlich. Der Klub hat es sich erlaubt, ein Angebot für Julian Draxler auszuschlagen, das bei 90 Millionen Euro gelegen haben soll. Der offizielle VfL-Etat ist wie der Yeti: Man behauptet, es gebe ihn, aber keiner hat ihn jemals gesehen.

Sportliche Leitung: Es gab Zeiten, da hätten die Bayern den Manager Klaus Allofs am liebsten im Doppelpack mit seinem Trainer verpflichtet (Schaaf/Bremen). Diese Zeiten sind vorbei.

Trainer Dieter Hecking passt auch nicht nach München. Ein seriöser, ruhiger Familienmensch, fünffacher Vater, den man sich im Dirndl nicht vorstellen kann.

Das Bayern-Potenzial der Elf: Der VfL war meist eher Empfänger als Lieferant. Erhielt aus München Luiz Gustavo, Dante und, über Umwege, Gomez; lieferte dafür Mandzukic und Winterkorn. Aktuell ist für Bayern höchstens Draxler interessant, allerdings nicht für 90 Millionen.

Fazit: Höchstens ein Kalle, dafür allerdings garantiert rußpartikelfrei.

Noch jemand?

Die klassische Überraschungs-Elf auf Tabellenplatz fünf wird es weiterhin geben (Mainz, Hertha, etc.), aber über fünf Jahre hinweg verdient nur jener Klub Aufmerksamkeit, der wie der FC Bayern nach der Weltherrschaft strebt. Noch vergeben die SZ-Gutachter an RB Leipzig keinen Kalle, aber immerhin einen Ralle (Rangnick).

Abschluss-Urteil

Der FC Bayern wird auch in den nächsten fünf Jahren Meister werden, aber danach steigen die Chancen für die Verfolger. Weil der FC Bayern dann in seiner eigenen europäischen Superliga verschwindet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: