Bundesliga:Die Alten machen beim FC Bayern einen drauf

Bayern Muenchen v Werder Bremen - Bundesliga

Glückliche "Senioren": Xabi Alonso (Mitte) und Franck Ribéry (vorne).

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Wohin entwickelt sich der FC Bayern unter Ancelotti? Bei seinem Bundesligadebüt schickt der Italiener die älteste Startelf seit 2008 aufs Feld. Die Jugend sitzt zunächst auf der Bank.

Von Sebastian Fischer

Als die Kameras dann endlich mal nur auf ihn zeigten, als er nicht erster Gratulant war oder Vorlagengeber, sondern Torschütze, da schlug sich der eigentliche Mann des Abends zweimal auf die Brust. Was war er kritisiert worden zuvor: Er habe seine Nerven nicht im Griff, er sei aggressiv gegen Mitspieler, im Pokal gegen Jena hatte er sich bereits zum vierten Mal in diesem Sommer mit einem Mitspieler gebalgt. Franck Ribéry antwortete mit einem Abend voller schöner Dribblings, voller kluger Pässe, einer Vorlage zum 2:0 und eben diesem Tor zum 5:0 in der 73. Minute. Nach einem Pass von Thomas Müller hatte er direkt abgezogen, aus zehn Metern Torentfernung, unhaltbar.

Ein Klatscher auf die Brust, er schaute trotzig, als würde er sagen wollen: Ich bin der Franck! Noch ein Klatscher: Ich bin so frei!

Frei von der Last der Kritiker, frei auch von taktischen Zwängen, frei von Sorgen. Nebenbei stützte der Franzose eine These mit, die sich bei der Sechs-zu-Null-Demonstration des deutschen Meisters am ersten Spieltag gegen Werder Bremen bestätigte: Die prägenden Figuren der Bayern, das sind gerade die Alten, die Ribérys und Lahms und Alonsos, die sich unter Carlo Ancelotti noch mal neu erfinden. Die Ü30-Fraktion blüht im Herbst ihrer Karriere noch einmal frühlingshaft auf. Die Startelf der Bayern gegen Bremen war die älteste seit 2008, mit im Schnitt 29 Jahren und 95 Tagen. Der Kader der Bayern ist im Schnitt überhaupt der älteste der Liga.

Ribéry an fast jeder guten Aktion beteiligt

Natürlich hat am Freitagabend Robert Lewandowski, 28, drei Tore geschossen, natürlich hat Thomas Müller, 26, drei vorbereitet und man sollte für den Saisonverlauf noch nichts überbewerten. Was den Bayern gegen die Imitation einer Fußballmannschaft aus Bremen gelang, der jegliche Gegenwehr misslang, angeleitet von Trainer Viktor Skripnik, der die Spieler zumindest am Freitag nicht zu erreichen schien, muss nicht immer klappen. Doch es war schon auffällig, dass Xabi Alonso, 34, die Saison mit einem Traumtor eröffnete; es war auffällig wie Philipp Lahm, 32, auf der rechten Seite wirbelte, ein Tor und insgesamt fünf Torschüsse vorbereitete und erstmals seit Dezember 2015 wieder ein Tor schoss. Und natürlich wie Ribéry, 33, an so gut wie jeder Aktion beteiligt war.

Carlo Ancelotti ist ohne Frage einer der verdientesten Trainer der Welt, er hat sich diesen Ruf bei den besten Vereinen erworben, mit Lob der besten Spieler. Zlatan Ibrahimovic, Cristiano Ronaldo, Toni Kroos, sie alle schwärmen vom gemütlichen Mann aus der Emilia Romagna. Der neue Bayern-Coach ist keiner, der eine Mannschaft in ein vermeintlich unfehlbares Korsett zwängt, wie es die Kritiker Pep Guardiola vorwarfen, er ist kein Psycho-Trickser wie José Mourinho, er ist auch kein Revoluzzer oder mutiger Talente-Entwickler. In Mailand, London und Madrid hat er die guten Mannschaften noch besser gemacht, weil er den verdienten Spielern ihre Freiheiten gab.

Seinen zweiten von bisher drei Champions-League-Triumphen als Trainer feierte er in der Saison 2006/2007 mit einer Milan-Mannschaft, die vom 39-jährigen Paolo Maldini angeführt wurde und für die der damals auch schon fast 34-jährige Filippo Inzaghi beide Tore beim 2:1 gegen Liverpool schoss. Gerade einmal drei Spieler aus der Startelf waren unter 30 Jahre alt gewesen: Gennaro Gattuso, damals 29, Andrea Pirlo, 28, und Jungspund Kaká, 24.

Die Zukunft sitzt auf der Bank

Der FC Bayern denkt nicht kurzfristig, nicht neben und nicht auf dem Platz, das hat zum Beispiel der Transfer des Portugiesen Renato Sanches, 19, im Sommer gezeigt. Doch die Zukunft, sie saß gegen Bremen auf der Bank, Sanches und Nationalspieler Joshua Kimmich haben noch Trainingsrückstand. Das 6:0 gegen Bremen war ein Indiz dafür, dass Ancelotti ein Trainer ist, der aus der Mannschaft der Gegenwart das Beste herausholt, der an Heute denkt statt an Morgen.

Es ist wohl die letzte Saison, in der die Generation um Lahm, Ribéry und Alonso die Mannschaft prägt. Womöglich müssen die Alten gar schon im Laufe der Spielzeit zurückstecken. Douglas Costa, 25, und Kingsley Coman, 20, sind ja noch verletzt und werden dann in die Startelf drängen, während die Reha von Arjen Robben, 32, mit Skepsis beäugt wird. Aber noch gleicht der FC Bayern einer Gruppe Männer mit grauem Haaransatz, die der Midlife Crisis trotzen.

Guardiolas Erbe wirkt weiter

"Wir kennen Carlos Ideen sehr gut", sagte Alonso, und grinsend fügte er hinzu: "Wir müssen noch viel üben." Dabei ist er wohl einer der wenigen Fußballer auf dem Planeten, der eigentlich nix mehr üben muss. Ancelottis System gibt den Individualisten mehr Raum, vor allem in der Offensive. Die Bayern stehen etwas defensiver, spielen etwas behäbiger als unter Guardiola, ohne dessen Ideen außen vor zu lassen. Er habe eigentlich gar nicht viel verändert, sagte Ancelotti, aber gewirkt hatte es trotzdem.

Ribéry profitiert von diesen Freiheiten am meisten, er war überall auf dem Platz zu finden, bereitete das 2:0 durch Robert Lewandowski mit einem Pass in die Tiefe von der Mittellinie vor, kam über links, rückte in die Mitte. Er hatte eine 7 in die Frisur rasiert, er sah ein bisschen albern aus, wie ein Vater, der sich die Sneakers seiner Söhne kauft und mit dem Skateboard zur Arbeit fährt.

"Unsere Positionen sind anders aufgeteilt, wir hatten heute mehr Räume, weil wir von weiter hinten gespielt haben", erklärte Lahm. Und auch er, der stets brave Verteidiger, trug noch etwas zur Geschichte der junggebliebenen Väter bei. Für sein Tor, nach einem formvollendeten Doppelpass mit Thomas Müller, werde er ihm eine Flasche Champagner schenken, sagte Ancelotti. Und Lahm sagte, er erwarte die Flasche in den nächsten Tagen in seinem Spind. Man sollte sich umsehen in den Münchner Nachtclubs am kommenden Wochenende: Die Jungen müssen zur Nationalmannschaft; Franck, Xabi und Philipp haben frei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: