Bundesliga:Dem FC Bayern fehlt der Abschluss

Bundesliga: Hertha-Torwart Rune Jarstein schnappt sich den Ball vor Bayerns Robert Lewandowski (r.).

Hertha-Torwart Rune Jarstein schnappt sich den Ball vor Bayerns Robert Lewandowski (r.).

(Foto: AFP)

Von Tim Brack

Als Hertha BSC das letzte Mal beim FC Bayern gewonnen hat, wurden Fußballer noch "Gerdchen" gerufen. Im Oktober 1977 hatten die Berliner in München 2:0 gesiegt, dank der Tore von Bernd Gersdorff und eben "Gerdchen" alias Gerhard Grau. Solche Verniedlichungen gibt es im heutigen Fußball selten, es spielen eher Akteuere, die Krieger genannt werden, so wie Arturo Vidal beim FC Bayern.

Doch die tapfersten Kämpfer standen an diesem Nachmittag auf Seiten der Berliner, die sich in München zwar keinen Sieg holten, aber dafür ein 0:0. "Ich kann meiner Mannschaft gratulieren. Hier einen Punkt mitzunehmen, ist eine großartige Sache. Es war der Kampfgeist und die Laufbereitschaft, damit haben wir einen Punkt verdient", lobte Hertha-Trainer Pal Dardai.

Und das darf als kleine Sensation gewertet werden, denn die Bayern hatten zuvor wettbewerbsübergreifend in 14 Spielen in Folge gewonnen. "Es hätte anders ausgesehen, wenn man 1:0 in Führung geht", sagte Bayern-Trainer Jupp Heynckes. "Wir können auch mit dem einen Punkt leben." Er wolle seiner Mannschaft keinen Vorwurf machen. "Solche Tage gibt es im Fußball, das muss man auch akzeptieren", so Heynckes.

Der Idee von Hertha-Trainer Dardai war aufgegangen, obwohl er sich vor dem Duell noch bescheiden gegeben und von seinem verzweifelten Studium des Gegners erzählt hatte. "Ich war schon in der Bibliothek und habe ein Buch gesucht, in dem steht, wie man Bayern schlagen kann", hatte Dardai berichtet. Die Suche sei allerdings vergeblich gewesen. "So ein Buch gibt es leider nicht", sagte Dardai.

Er versuchte es dann so, wie es viele seiner Trainer-Kollegen in der Bundesliga versuchen: in der Verteidigung eng gestaffelt stehen, auf Konter lauern und auf erfolgreiche Standards hoffen. Das sollte der Drei-Stufen-Plan der Berliner sein. Nichts zu sehen war dagegen von einem furchtlosen Anrennen, das die Berliner noch beim 2:0-Sieg gegen Leverkusen gezeigt hatten.

Hertha verteidigt kompakt

Dass Dardais Konzept in der ersten Hälfte dennoch teilweise aufging, lag weniger an seinen Spielern als am mangelnden Esprit der Münchner. Wie schon gegen Wolfsburg und Besiktas Istanbul fehlte den Bayern Tempo, als würde der eisige Wind im Stadion sie ausbremsen. Auch Arjen Robben und Franck Ribéry, die wieder von Beginn an stürmten, machten den Berlinern wenig Sorgen. Ribéry sprintete fast so selten wie Bayern-Torhüter Sven Ulreich.

Wenn die Münchner gefährlich wurden, gelang das stets, indem sie die beiden vielfüßigen Abwehrriegel der Hertha schnell überwanden. David Alaba führte das nach fünf Minuten vor. Mit einem Diagonalpass setzte er Robert Lewandowski ein, doch der Kopfball des Polen landete an den Beinen von Herthas Torhüter Rune Jarstein.

Nur drei Minuten später hatten die Berliner selbst die Chance, ein Mittel ihres Drei-Punkte-Plans einzusetzen. Nach einem Freistoß kam Niklas Stark zum Kopfball, doch sein Versuch hoppelte links am Pfosten vorbei. Doch dass ein solcher Hoppler mal auf der anderen Seite der Torstange vorbeispringt, das war die große Hoffnung von Hertha. Allerdings taten sie wenig, um solche Situationen zu erzwingen. Den Pass-Stafetten der Münchner schauten sie meist zu, als würden sie sich eine Nachmittagsvorstellung im Kino anschauen. Sie hielten ihre Abstände dabei aber so eng, dass die Bayern kaum Lücken in dem Gebilde fanden.

Ribéry vergibt die größte Chance

Die Münchner versuchten es in Person von Thiago aus der Distanz (13.), doch sein Schuss segelte über das Tor. Eine Minute später setzte sich Javi Martínez nach einer Ecke durch, sein Pass in die Mitte prallte von Mats Hummels in Richtung Tor, doch ein Berliner bekam noch ein Bein dazwischen. Der Spanier Martínez betrieb - neben seinen Defensivaufgaben - auch ab und zu Brainstorming für die Offensive. Einen seiner Steilpässe erlief Lewandowski, sein Schuss wurde aber im letzten Moment von Jordan Torunarigha geblockt.

Die beste Chance der Münchner hatte Franck Ribéry. Die Berliner hatten sich ausnahmsweise mal aus ihrem Abwehrwall getraut und den Ball verloren. Das Team von Jupp Heynckes schaltete so schnell um, wie sich das Pal Dardai von seiner Mannschaft gewünscht hätte. Über einen Vertikalpass von Lewandowski ins Zentrum landete der Ball bei Arjen Robben, der Niederländer trieb nach links, legte seinem Spezi Ribéry den Ball auf. Der Franzose nahm an und setzte seinen Schuss soweit übers Tor, als hätte er den Oberrang anvisiert. Eine Chance von Lewandowski nach einem langen Schlag von Thiago verhinderten Torunarigha und Jarstein in Zusammenarbeit.

Die wenigen Kontermöglichkeiten, die die Bayern zuließen, wurden früh gestoppt. Angeführt von Niklas Süle, der nach einer Bayern-Ecke bewies, dass er nicht nur das Kreuz, sondern auch den Antritt eines Bob-Anschiebers hat. So hielt er nach 24 Minuten einen Hertha-Angriff auf. Auch einen gefährlichen Pass ins Zentrum grätschte Süle in Richtung Ulreich (30.). Doch die Defensive war an diesem Nachmittag nicht das Problem der Münchner. Sie mussten darauf hoffen, dass Heynckes sie wieder in der Halbzeit wachküsst und ihnen eine extra Portion Angriffslust einimpfen würde.

Seine Mannschaft agierte aber auch in der zweiten Hälfte meistens untertourig. David Alaba prüfte Jarstein mit einem Freistoß ins untere linke Eck, der Hertha-Schlussmann war zur Stelle (50.). Ähnlich war es sechs Minuten später gegen Lewandowski, der Torunarigha im Zentrum aussteigen ließ, doch nur einen verkümmerten Schuss zustande brachte, der Jarstein nur ein müdes Schulterzucken entlockte.

Heynckes reagierte und wechselte offensiv. Kingsley Coman kam für Ribéry (68.). Der Franzose verletzte sich aber nach knapp zehn Minuten am linken Sprunggelenk, er zog sich eine Kapselverletzung zu. "Unser Arzt sagt aber, es wäre aus seiner Sicht keine sonderlich schlimme Verletzung", erklärte Heynckes nach dem Spiel. Zum Zeitpunkt von Comans Verletzung hatte der Bayern-Chef schon drei Mal gewechselt, Sandro Wagner für Thomas Müller (71.) und Arturo Vidal für Thiago (75.) gebracht. Doch auch der Krieger der Bayern konnte die Wende nicht mehr bringen, er ist eben kein "Gerdchen".

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