Bundesliga:Bühne ohne Nische

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Die Stürmersuche zeigt, wie eng es für Werder Bremen auf dem Markt mittlerweile geworden ist.

Christof Kneer

Tim Wiese, Clemens Fritz, Sebastian Prödl, Naldo, Petri Pasanen, Torsten Frings, Aaron Hunt, Daniel Jensen, Mesut Özil, Boubacar Sanogo und Hugo Almeida haben sich nicht verletzt am Montagabend im Testspiel gegen den FC St. Gallen. Das ist die eine gute Nachricht für alle Freunde des SV Werder, und die zweite ist, dass auch die nach der Pause eingewechselten Boenisch, Andersen, Tosic, Bargfrede, Baumann, Niemeyer, Vranjes, Huseijnovic, Harnik und Rosenberg die Partie unversehrt überstanden. Auch ist aus Werders Trainingslager in Schruns keine einzige Schlägerei überliefert (Stand Dienstagabend), nicht einmal mit einem klitzekleinen schlechten Blutwert können die Bremer in dieser Woche dienen. Und gewonnen haben sie auch noch gegen St. Gallen, mit 4:0.

Zu Hugo Almeida (links) und Markus Rosenberg werden bei Werder noch Alternativen gesucht. (Foto: Foto: dpa)

Muss man sich Sorgen machen um Werder Bremen? Wer in der schlagzeilenarmen Saisonvorbereitung an fiesen Verletzungen, mysteriösen Krankheiten und wilden Rangeleien interessiert war, der hat sich auf Werder immer verlassen können, aber jetzt? Nichts ist jetzt. "So ein ruhiges Trainingslager habe ich in all den Jahren noch nie erlebt", sagt Vorstandschef Jürgen Born. Diesmal hat sich kein Frings das Knie ramponiert wie im vorigen Sommer und Winter; kein Carlos Alberto leidet an Schlafstörungen; es gibt keinen Micoud mehr, der Kopfnüsse verteilt, und es hat sich nicht mal ein SV Pasching gefunden, der Werder aus dem UI-Cup schmeißt. Okay, es hat den Fall Diego gegeben, der Bremen für Olympia verlassen hat, es gab den Meniskuseinriss bei Per Mertesacker, und es gab den Stürmer Sanogo, der mit Malaria aus dem Urlaub zurückkehrte - "aber für unsere Verhältnisse ist das gar nichts", sagt Born trocken. Wenn alles gut geht, wird Mertesacker in vier Wochen wieder sporttauglich sein, und Sanogo ist ja schon wieder so gesund, dass ihm gegen St. Gallen gleich ein Tor unterlief.

Womöglich ist es den Bremern nicht mal so unrecht, dass sie dauernd nach nach ihrem traditionellen Vorbereitungspech gefragt werden. Sie werden dann schon nicht nach dem neuen Stürmer gefragt, der immer noch nicht verpflichtet ist. Die Bremer gelten wieder als schärfster Herausforderer des FC Bayern, aber zurzeit können sie den Münchner Energiefeldern nur die Stürmer Rosenberg, Sanogo und Almeida (plus das Talent Harnik) entgegensetzen - und es ist nicht auszuschließen, dass es fürs Erste dabei bleibt. "Mir kommt kein Panikkauf ins Haus", sagt Born. Und Manager Klaus Allofs sagt, es sei "denkbar, dass wir erst im Winter reagieren, wenn wir vorher nicht die passende Lösung finden".

Die passende Lösung - sie ist es, die die Bremer zurzeit wirklich umtreibt. Den richtigen Spieler zu finden, ist nie einfach, aber in Bremen hat sich diese Disziplin auf eine Weise kompliziert, die an Unlösbarkeit grenzt. Wenn man so will, haben sich die Bremer dieses Problem selbst ins Haus geholt: Dank ihrer kreativen Personalpolitik sind sie über die Jahre so gut geworden, dass sie jetzt nur noch von Spielern verstärkt werden können, die sie nicht mehr bezahlen können. "Für uns wird es auf dem Markt immer schwerer", sagt Allofs, und es amüsiert ihn fast, dass er dauernd gefragt wird, "ob wir neun oder 15 Millionen für einen Stürmer ausgeben können. Das ist die falsche Frage". Es geht ihm nicht um die absolute Summe. Es geht um den relativen Wahnsinn, der den Kader im Falle einer Promi-Verpflichtung durcheinanderschütteln würde. "Es geht um die Folgekosten", sagt Allofs, "ein Spitzenstürmer kommt nur für ein Spitzengehalt, dann müssen wir die anderen Gehälter angleichen, und am Ende wird der Kader viel zu teuer." Er sei nicht bereit, für so einen Transfer "unser System zu gefährden" - das gilt auch für den alten Bremer Claudio Pizarro, den Chelsea wohl halbwegs preiswert gehen ließe. "Mit ihm haben wir uns mal beschäftigt", sagt Born, "aber er hat sich an so hohe Gehälter gewöhnt, dass es im Moment keinen Kontakt mehr gibt." Sie wollen sich vom Markt zu nichts zwingen lassen - auch um den Preis, dass am Ende selbst semiprominente Stürmer wie der Brasilianer Fred (Lyon) oder der Kolumbianer Falcao (River Plate) als zu teuer verworfen werden. Mit dem als Spitzentalent gehandelten Bolivianer Marcelo Moreno, 20, waren die Bremer fast schon handelseinig - aber dann, ätsch, kam das schwerreiche Schachtjor Donezk ums Eck gebogen, und weg war das Spitzentalent.

Fünfmal hintereinander haben sich die Bremer jetzt für die Champions League qualifiziert, und doch bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihre in Bundesliga-Außenseitertagen kultivierte Nischenpolitik weiter zu pflegen - und das auf der grell ausgeleuchteten Champions-League-Bühne, auf der es kaum Nischen gibt. "Es muss unser Prinzip bleiben, nicht den sogenannten Kracher zu holen, sondern Spieler, die nach zwei Jahren Bremen als Kracher gelten", sagt Allofs. "Mitbieten um des Mitbietens willen, das kann Manchester City machen, aber nicht wir." Der kleinere der beiden Klubs aus Manchester hat gerade den Brasilianer Jo von ZSKA Moskau verpflichtet, für 24 Millionen. Vor ein paar Jahren stand dieser Stürmer auch auf einem Bremer Einkaufszettel. Damals kostete er: vier Millionen.

© SZ vom 30.7.2008/tbc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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