Bundesliga: Bremen - HSV:"Wie auf der Loveparade"

Dramatische Szenen in Bremen: Als die Polizei die Hamburger Fans nach dem Spiel aus dem Stadion lässt, kommt es zu einer Panik. Es gibt mehrere Verletzte, ein Fan befindet sich in kritischem Zustand.

Bei einem Gedränge auf einer Treppe des Weserstadions sind nach dem Bundesliga-Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV (3:2) sieben Fans und 20 Polizisten verletzt worden. Ein 44-jähriger HSV-Anhänger aus Neumünster musste sogar reanimiert und ins Krankenhaus gebracht werden. Am Sonntagabend noch wurde er in der Klinik behandelt. "Sein Zustand ist kritisch", berichtete Bremens Polizeipräsident Holger Münch. Einem weiteren schwer verletzten Fan geht es inzwischen besser, er konnte inzwischen das Krankenhaus verlassen. Ansonsten blieb es bei leichten Gehirnerschütterungen, Prellungen und Schürfwunden.

Fans of Hamburg SV light flares during their German Bundesliga soccer match against Werder Bremen in Bremen

Auch die offenbar unvermeidlichen Bengalischen Feuer fanden ihren Weg ins Weser-Stadion. Später soll es nach dem Spiel Bremen gegen HSV zu Verletzten kommen.

(Foto: REUTERS)

Spiele zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV bewertet die Polizei seit Jahren als so genannte Risiko-Spiele. Die Rivalität der Fangruppen hat in der Vergangenheit eher zugenommen, Fans der Auswärtsmannschaft werden inzwischen von einer starken Polizeieskorte zum Stadion und nach der Partie wieder von dort wegbegleitet.

Diesmal sollten die HSV-Anhänger erstmals sogar per Shuttlebus vom Weserstadion zum Bahnhof gefahren werden. 20 Minuten nach Spielende der packenden Begegnung (Bremen gewann 3:2) sperrte die Polizei wie üblich den Gäste-Block, um einen Zusammenstoß mit den Werder-Anhängern zu vermeiden. Nach einem Bericht im Weser-Kurier, sei es schon während der Wartezeit zu ersten aggressiven Aktionen gekommen. Einige Fans hätten Sprechchöre gegen die Polizei angestimmt und mit Bechern nach den Beamten geworfen.

Die Situation eskalierte, als die Polizei die Sperre öffnete. Die Fans drängten mit Wucht nach draußen, und wollten die Treppe bei einem der drei Aufgänge hinunterlaufen. Laut Polizeisprecher Henning Zanetti fielen einige Fans hin, andere seien über sie hinweg gelaufen, weil von hinten weiter gedrängt wurde. Mehrere Personen verletzten sich dabei, mussten ärztlich betreut werden und kamen ins Krankenhaus.

Laut Zanetti hat die Polizei den Treppenbereich mittlerweile weiträumig abgesperrt, um Spuren zu sichern. "Das ist jetzt ein Tatort, den sich die Kriminalpolizei anschauen muss", sagte der Polizeisprecher dem Weser-Kurier. In der Nacht sei mit den Ermittlungen begonnen worden. Bis zu einer Pressekonferenz am späten Sonntagnachmittag wollten sich Vertreter von Polizei und Werder Bremen zusammensetzen, um Erklärungen für das Unglück zu finden.

Die Polizei glaubt dennoch, alles richtig gemacht zu haben. 4000 Fans seien aus Hamburg nach Bremen gekommen, der Transport der HSV-Fans mit den Shuttle-Bussen vom Hauptbahnhof zum Stadion habe sich bewährt. "Die Fans gehen problemlos in die Busse. Wenn sie Bierflaschen dabei haben, geben sie diese vorher ab."

Veh gegen Trochowski

Vor dem Spiel hatte es allerdings leichtere Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Fangruppen im Viertel gegeben. "Kleine Gruppen sind verbal aneinandergeraten, teilweise haben sie auch versucht, sich körperlich anzugehen. Es war aber nichts Dramatisches", sagte ein Polizeisprecher im Weser-Kurier.

Einige HSV-Anhänger, die im Gedränge standen, zeigten sich entsetzt über die Vorkommnisse. "Die haben in zwei, drei Lagen unten auf der Treppe gelegen und von oben kamen die Leute rüber. Es war wie in Duisburg bei der Loveparade", sagte ein Fan NDR Info. Ein anderer mitgereister Hamburger kritisierte die Polizei: "Das ist eine Riesenschweinerei in der Strategie der Polizei. Im Stadion eine Treppe zu schließen mit einer Kette. Die Leute wurden immer aggressiver. Und dann gab es Verletzte."

Zuvor hatte der Hamburger SV auf dem Platz bereits unschöne Szenen erlebt. Besonders in der 85. Minute. Da verlor Nationalspieler Piotr ein Dribbling - fünf Minuten nach seiner Einwechslung - und leitete damit das Bremer Siegtor zum 2:3 ein. Mit dem vierten sieglosen Match in Serie sieht sich nun Trainer Armin Veh mit einer handfesten Krise konfrontiert und war restlos bedient.

Noch auf dem Platz lieferte er sich einen hitzigen Disput mit Trochowski. "Wenn man ein paar Minuten im Spiel ist, muss man Leistung bringen. Ich habe mich maßlos geärgert, den Zweikampf darf man nicht führen. Wir haben uns alles selbst kaputt gemacht", schimpfte Veh über den Nationalspieler. "Ich steh jetzt hier und muss die Niederlage wieder erklären, die nicht sein muss", sagte Veh und ärgerte "sich maßlos".

Mehr Glück mit seinen Personalien hatte Werder-Trainer Thomas Schaaf. Die Rückkehr der Verletzten Per Mertesacker und Claudio Pizarro erzielte die erhoffte Wirkung. "Sie haben uns geholfen, aber alle haben mehr getan", lobte Schaaf die verbesserte Einstellung. Zwei andere Profis spielten sich in den Mittelpunkt. Der Brasilianer Wesley absolvierte zunächst im neu sortieren Mittelfeld und nach der Verletzung von Clemens Fritz als rechter Verteidiger sein bestes Spiel im Bremer Trikot. Im Angriff überzeugte der Portugiese Hugo Almeida als zweifacher Torschütze.

"Ich spiele da, wo mich der Trainer braucht. Und ich kann und muss mich noch verbessern", teilte "Mehrzweckwaffe" Wesley mit. "Er bringt sich ein, als wäre er seit Jahren dabei", urteilte Schaaf über den Zugang. "Die ganze Mannschaft hat sich zusammengerauft. Für mich war das ein tolles Gefühl", sagte Hugo Almeida zu seinen Toren in der 28. und 85. Minute. Zuvor hatte HSV-Verteidiger Guy Demel (25.) einen Schuss von Marko Marin ins eigene Tor abgefälscht.

Die Freude der HSV-Fans unter den 36 300 Zuschauern über den Doppelschlag von Ruud van Nistelrooy (59.) und Jonathan Pitroipa (63.) zum Ausgleich wurde durch Trochowskis Aussetzer jäh getrübt. "Bremen liegt am Boden und wir spielen Harakiri, das ist unglaublich. Wir machen zu viele Fehler in der Vorwärtsbewegung", analysierte Abwehrchef Heiko Westermann die derzeitige Situation beim HSV.

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