Bundesliga:Borussia Dortmund verpfändet den eigenen Namen

Die Krise um den Bundesligisten erreicht eine neue Qualität - im Jahr 2000 wurde sogar die eigene Tradition verschachert.

Von Freddie Röckenhaus

Dortmund - Der Finanzskandal um Borussia Dortmund nimmt eine neue Dimension an. Offenbar hat der hochverschuldete Bundesligist bereits im September 2000 seinen Vereinsnamen, das Vereinsemblem, das Kürzel BVB 09 und weitere beim Patentamt geschützte "Marken" rund um den Markennamen Borussia Dortmund an den Gerling-Versicherungskonzern verpfändet.

Bundesliga: Borussia Dortmund hat wichtige Rechte verpfändet.

Borussia Dortmund hat wichtige Rechte verpfändet.

(Foto: Foto: dpa)

Es ist das erste Mal, dass bekannt wird, dass ein Bundesligist nicht mehr uneingeschränkt über seinen Traditionsnamen verfügen kann. Der Vertrag trägt die Unterschrift des BVB-Managers Michael Meier.

Die Verpfändung, im Juristendeutsch "Sicherungsübereignung", fand im Rahmen eines Vertragswerkes statt, den der BVB rund um seine Sportartikelmarke "Goool.de" mit Gerling abgeschlossen hat.

Dortmund hatte im "Verkaufen-und-zurückleasen"-Verfahren Goool an Gerling verkauft und die Nutzungsrechte zugleich zurück geleast. Dabei erhielt der Klub kurz vor seinem Börsengang im Oktober 2000 eine Zahlung von 20 Millionen Euro.

Pro Jahr, so fixiert der Vertrag, müssen 7,35 Prozent dieser Summe als Leasinggebühren für die weitere Nutzung des Markennamens Goool an Gerling bezahlt werden, also gut 1,4 Mio. jährlich.

Verkappter Kredit?

Dass man die gesamte Vereinbarung für einen verkappten Kredit halten könnte, war im Zug der Enthüllungen um den BVB bereits bekannt geworden.

Nun stellt sich heraus, dass Dortmund als Sicherheit für die Pünktlichkeit seiner Ratenzahlungen an Gerling, den eigenen Vereinsnamen verpfändet hat. Vereinspräsident Reinhard Rauball: "Die Problematik dieses Vertrages aus dem Jahr 2000 ist erst über die Medien an mich herangetragen worden. Es werden sich daraus jetzt emotionsgeladene Diskussion ergeben."

Rauball war von seinen beiden Geschäftsführern Gerd Niebaum und Meier offenbar nicht über den Vertrag und dessen Klauseln informiert worden.

Auch der Finanzmakler Stephen Schechter, der seit Monaten mit Dortmund über eine eventuelle Anleihe zur Rettung des Klubs verhandelt, bestreitet, dass ihm das Papier zugänglich gemacht worden sei.

Nach Informationen aus Finanzkreisen weigert sich Schechter deshalb, mit dem Geschäftsführer-Duo Meier/Niebaum weiter über eine mögliche Anleihe zu reden.

"Call/Put-Option"

Die eigentliche Zeitbombe in dem 14-seitigen Gerling-Vertrag ist eine so genannte "Call/Put-Option" auf Seite 9, die "erstmals zum 30. Juni 2005" gezogen werden kann. Diese Klausel bedeutet, dass der Gerling-Konzern bereits zum Sommer dieses Jahres das ganze Geschäft rückgängig machen kann.

Gerling könnte dann die sofortige Rückzahlung der 20 Millionen Euro fordern - oder ersatzweise über den Vereinsnamen von Borussia Dortmund und alle anderen Markenrechte des Klubs verfügen.

Aus Kreisen jener Unternehmensberater, die in den vergangenen Monaten im Auftrag von Banken und Anlegern die Details des Dortmunder Finanzchaos durchleuchtet haben, wird behauptet, Gerling habe mündlich die Option zum 30. Juni 2005 bereits gezogen und dies der BVB-Geschäftsführung mitgeteilt.

Gerling-Sprecher Christoph Groffy bestreitet dies: "Gerling hat den Vertrag nicht gekündigt. Wir sind in Gesprächen mit der Geschäftsführung. Eine Entscheidung wird es nicht geben, bevor konkrete Rettungspläne für Borussia Dortmund vorliegen."

Fragt sich nur, warum es überhaupt "Gespräche mit der Geschäftsführung" gibt, wenn an Aufkündigung des Vertrages nicht gedacht ist. BVB-Geschäftsführer Niebaum hat bereits verlautbaren lassen, dass es in dem Vertrag mit Gerling lediglich um eine Verpfändung von Merchandising-Rechten gehe.

Markenrechts-Experten halten dies, angesichts der hohen Vertragssumme von 20 Millionen Euro, für unwahrscheinlich. Der Vertragstext spricht ausdrücklich von "Marken im Hinblick auf den Vereinsnamen Borussia Dortmund und das Vereinsemblem".

Zwei Punkte machen den Deal für den BVB noch brisanter: Nach Einschätzung der britischen Presse wurde die letztjährige Pleite des Traditionsklubs Leeds United maßgeblich durch die Maklerfirma Benfield Grieg, einen britischen Gerling-Partner, herbeigeführt.

Gerling hatte über dieses Unternehmen hatte riskante Transaktionen von Leeds United besichert und angesichts der Finanzkrise von Leeds seine Forderungen fällig gestellt.

Pikant aber auch ein weiterer Punkt: Der Goool-Deal wurde im September 2000, kurz vor dem Börsengang des BVB abgewickelt. Den Börsengang leitete als so genannte Konsortialbank die Deutsche Bank.

Unternehmerisch das Sagen hatte beim Gerling-Konzern zu dem Zeitpunkt des BVB-Vertrags ebenfalls die Deutsche Bank. Die Anleger, die zum Startkurs von elf Euro BVB-Aktien zeichneten, werden sich nun fragen, ob sie seinerzeit tatsächlich alle wichtigen Informationen über die wirtschaftliche Situation des BVB erhalten haben.

Im Schatten der neuesten Entwicklungen hat es dieser Tage erste betriebsbedingten Kündigungen und Änderungskündigungen gegeben. Betroffen sind etwa ein Dutzend Mitarbeiter des Bundesligisten. Weitere Maßnahmen sollen in Vorbereitung sein.

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