Bundesliga: Borussia Dortmund:Ausdruckstänzer an der Südsee

Nach dem jüngsten 5:0-Sieg stellen sich selbst Dortmund-Kenner die Frage, wann die Borussia jemals eine so spielstarke Elf hatte. Dabei steht das junge Team erst am Anfang.

Freddie Röckenhaus

Mitte der zweiten Halbzeit hatte sich die Rauschwirkung bis auf die Sitzplatztribünen ausgebreitet. Das Adrenalin schwappte ungebremst aus dem frischen 3:1-Ruhrderby-Sieg bei Schalke hinein in die aktuelle 5:0-Vorführung, die Borussia Dortmund gegen den gar nicht schwachen Aufsteiger Kaiserslautern nachlegte. Ohne Rücksicht auf die steten Vorsichts-Mahnungen von Trainer Jürgen Klopp skandierten die Fans auf Dortmunds Südtribüne die lange eingemotteten Songs, in denen die zwei lange verpönten Worte vorkommen: die Worte "deutscher" und "Meister".

Borussia Dortmund  - 1. FC Kaiserslautern

Gefährliche Verteidiger: Die Dortmunder Abwehrspieler Neven Subotic (links) und Lukasz Piszczek (auf Mats Hummels) jubeln mit dem Torschuetzen Mats Hummels über seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 3:0 gegen Kaiserslautern.

(Foto: dapd)

Am Ende der schwarz-gelben Messe herrschte auf dem Rasen und auf der Südtribüne blinder Übermut. Und während seine Spieler in Verbrüderung mit den Fans modernen Ausdruckstanz übten, bügelte Trainer Klopp vor den Fernsehkameras die Fragen nach der tieferen Bedeutung der seriellen BVB-Triumphzüge reflexartig ab: "Freunde der Südsee: Geht mir nicht auf den Sack, mit Fragen nach neuen Zielsetzungen."

Fragen über Fragen

Dabei hatte seine Mannschaft alle Fragen selbst provoziert. Nicht nur mit den fünf Toren (zweimal traf Barrios, je einmal Großkreutz, Hummels und Lewandowski), sondern auch durch die vorangegangen Demonstrationen gegen Stuttgart, Wolfsburg und Schalke. Nach dem 5:0, das Lauterns Trainer Marko Kurz als "bittere Lehrstunde" abhakte, herrschte Ratlosigkeit, selbst unter eingefleischten Borussen-Kennern: Wann hatte Dortmund zuletzt eine so spielstarke Mannschaft? Ist die aktuelle vielleicht sogar spielstärker als die mit geliehenen Millionen eingekaufte, die Mitte der 90er Jahre die Champions League gewann? Wie weit reicht das Potenzial jener verstärkten U21, die trotz eines schweren Startprogramms scheinbar unaufhaltsam auf Platz zwei gestürmt ist - der besten Platzierung seit sieben Jahren, mit dem besten Bundesliga-Start, den Dortmund je hatte?

"Was nützen solche Überlegungen?", fragte etwas altklug der erneut überragende Nuri Sahin, "wir spielen am Samstag einfach in St. Pauli. Und wenn wir wieder alles raushauen, könnten wir da auch gewinnen. Darum geht es." Sahin, gerade 22 geworden, ist der Prototyp der neuen Dortmunder Mannschaft: Leidenschaftlich, kontrolliert, technisch versiert, jung, von frischer, neuer Mentalität geprägt. Nicht nur Marko Kurz fragte sich: Wie sind sie aufzuhalten?

Spottbillige Weltklasse

Dortmunds Innenverteidigung mit den beiden groß gewachsenen 21-jährigen Mats Hummels und Neven Subotic gehört fraglos zu den spielstärksten der Liga und ist bei Standards extrem torgefährlich. Die Doppel-Sechs mit Sahin und dem 20-jährigen Sven Bender ist kaum irgendwo stärker besetzt. Auf der rechten Offensivseite gehört der erst 18-jährige (und gegen Kaiserslautern zunächst geschonte) Mario Götze schon jetzt zum Feinsten, was die Liga zu bieten hat, während auf der linken Seite U21-Europameister Marcel Schmelzer (22) und Dauerrenner Kevin Großkreutz (21) die vielleicht beste linke Seite der Liga stellen.

Borussia Dortmund  - 1. FC Kaiserslautern

Jürgen Klopp und Borussia Dortmund - das passt.

(Foto: dapd)

Dem gebürtigen Dortmunder Großkreutz gelang gegen Lautern ein filigranes Bilderbuchtor. Für das offensive Zentrum schließlich hat BVB-Manager Michael Zorc mit Lucas Barrios (25) und dem Japaner Shinji Kagawa (21) zwei angehende Weltklasse-Spieler zu - im Nachhinein betrachtet - spottbilligen Konditionen geholt. Mit Profis wie Robert Lewandowski, der seine beeindruckende Technik mit seinem Schnipser zum 4:0 demonstrierte, hat Klopp auch noch eine Bank, von der er problemlos einwechseln und rotieren kann.

Ein Trainer nach Maß

Der leidenschaftliche Spaß, den diese junge Mannschaft mit jedem Sieg mehr zu entwickeln scheint, ist derzeit fast physisch greifbar. Klopp hatte schon vor einem dreiviertel Jahr die Parole ausgegeben: "Wir wollen in Dortmund etwas aufbauen. Es soll uns kein junger Spieler mehr verlassen müssen, um sportlich etwas Großes erreichen zu können. Borussia Dortmund ist ein großer Klub, der selbst so einen Anspruch haben darf." Von der Dynamik der Entwicklung scheint allerdings selbst der Begeisterungsmensch Klopp beinahe übermannt. Am Mittwochabend schien es ihm erstmals ein wenig schwer zu fallen, vor lauter Euphorie nicht selbst loszuplatzen. Knapp entging Klopp der Gefahr.

Doch die Tag für Tag ungebrochene Leidenschafts- und Laune-Maschine Klopp scheint tatsächlich perfekt ins vollkommen fußballnärrische Dortmunder Milieu zu passen. Woher Klopp diese Energie nimmt, wie er sie vor allem stets kanalisiert und wie er nun - gemeinsam mit seinem langjährigen Assistenztrainer Zeljko Buvac - auch noch eine verblüffende Handlungskompetenz auf dem Platz nachweist, das erscheint fast ein wenig rätselhaft. Die raue, kumpelige Art von Klopp mutet so an, als habe das raue, kumpelige Ruhrpott-Dortmund eine maßgefertigten Trainer in der Retorte bestellt.

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