Bundesliga:Beim HSV bröckelt der Teamgeist

FC Ingolstadt 04 - Hamburger SV

Ein Team ohne Zusammenhalt? Beim HSV stimmt einiges nicht.

(Foto: dpa)
  • Trotz neuen Innenverteidigern und allgemeiner Aufbruchstimmung liefert der HSV eine schwache Leistung bei der Niederlage gegen den direkten Konkurrenten Ingolstadt.
  • Trainer Gisdol und Sportdirektor Todt wählen drastische Worte.
  • Ein 21-jähriger Brasilianer soll dem HSV nun helfen. Doch noch im Februar sind Bayern und Leipzig die Gegner.

Von Christoph Leischwitz, Ingolstadt

An Flugmeilen gemessen war die Verzweiflung schon vor diesem Spiel recht groß gewesen, Jens Todt war vergangene Woche immerhin schon bis nach Brasilien geflogen. Der neue Sportdirektor des Hamburger SV hatte noch Bedarf gesehen, den Kader zu verbessern. Gute defensive Mittelfeldspieler sind auf dem hiesigen Markt derzeit offensichtlich nicht zu haben.

Am vergangenen Samstag, zurück im kalten Ingolstadt, musste Todt dann mit ansehen, wie dringend der Bedarf tatsächlich ist. Seine Elf wurde vom Tabellennachbarn FC Ingolstadt in die eigene Hälfte gedrückt und hochverdient 3:1 besiegt. Trainer Markus Gisdol sagte nach der Schmach: "Wir waren in der ersten Halbzeit auf der Sechser-Position überhaupt nicht da, überhaupt nicht vorhanden." Er hätten auch sagen können: Jens, sieh bitte zu, dass das noch klappt.

Der Hamburger SV ist mittlerweile schon so etwas wie ein Abstiegskampf-Dino, er vegetiert schon länger am Tabellenende herum, als der 1. FC Ingolstadt in der ersten Liga spielt. Doch eigentlich dachte man nach einem guten Dezember und einem lobumhudelten Trainingslager, dass diese Zeiten endgültig vorbei wären. Jetzt aber wurde die Mannschaft vom 16. auf den 17. Platz geschickt. Da würde bekanntlich nicht mal die Relegation helfen.

Eigentlich ist so vieles neu beim Hamburger SV des Jahres 2017. Doch nach einer schlechten Halbzeit sind die altbekannten Probleme trotzdem wieder da. Die Oberbayern hatten den Hamburgern den Schneid abgekauft, und weil die Mannschaft von Maik Walpurgis diesmal auch ihre wenigen Chancen so gut nutzte, sah es in der 47. Minute sogar nach einer richtigen Abreibung aus, als Almog Cohen per Foulelfmeter das 3:0 erzielte. Selbst dem Glücksschuss der Ingolstädter zum 2:0 durch Markus Suttner (22.) konnte HSV-Coach Gisdol noch etwas Schlechtes abgewinnen: Vor diesem abgefälschten Freistoß habe man sich wieder einmal selbst in die Situation gebracht, überhaupt ein Foul vor dem Strafraum begehen zu müssen.

Auf der Doppelsechs begannen diesmal Lewis Holtby und Matthias Ostrzolek, Letzterer nur bis zur Pause. Insofern dürfte klar sein, wem die Hauptkritik an jenem Nachmittag galt. Doch nach einer passablen Anfangsviertelstunde waren alle Mannschaftsteile von Verunsicherung betroffen, Bälle versprangen, selbst simple, lange Pässe landeten im Seitenaus. "Das war nicht nur vom Ergebnis enttäuschend", fand der neue Sportdirektor Todt. Es sei in einem Mannschaftssport natürlich "schwer, wenn nur einige die Verantwortung übernehmen", sagte der neue Innenverteidiger Mergim Mavraj.

Das Problem mit den Sechsern

Der 30-Jährige wurde auch deswegen vom 1. FC Köln nach Hamburg geholt, weil er sich "da unten" ganz gut auskennt, wie er den Abstiegskampf selbst nennt. Spiele wie jenes in Ingolstadt, in denen man eigentlich gut eingestellt gewesen war auf den Gegner, beschreibt Mavraj so: "Die Gedanken fangen wieder an, eine Rolle zu spielen."

Der neue Vorstandschef Heribert Bruchhagen hatte Anfang Januar die ersten beiden Partien nach der Winterpause als "Königsspiele" im Kampf gegen den Abstieg bezeichnet. Die knappe Niederlage in Wolfsburg nach 57 Minuten Unterzahl (verursacht ausgerechnet durch einen Sechser, Albin Ekdal) vermittelte das Gefühl, dass man noch nicht vom rechten Weg abgekommen war, auf dem vor Weihnachten viele Punkte gesammelt worden waren. In Ingolstadt aber gab es keine Ausreden. Der Spielaufbau hatte diesen Namen nicht verdient, entscheidende Zweikämpfe um den freien Ball gingen verloren.

"Es wirkte so, als sei der Gegner aggressiver", sagte Todt. Leider habe man nur von den Ingolstädtern gesehen, wie Abstiegskampf geht. "Ingolstadt war voll auf Sendung", sagte Gisdol. Doch seine Mannschaft hatte abgeschaltet, was "nicht zu tolerieren" sei. Dabei habe man ausführlichst über die Ingolstädter Spielweise gesprochen. Einige hätten die Erfolgsphase vor der Winterpause offenbar falsch gedeutet und gedacht, vieles klappe nun von selbst. "Herber Rückschlag" (Todt), "Rücken zur Wand" (Gisdol), viele Appelle an den Teamgeist - es war den Verantwortlichen anzuhören, dass sie den Grund für besagten Rückschlag noch nicht ausmachen konnten.

Der Jüngling aus Porto Alegre: Das Feilschen um Walace läuft

Ein 21-jähriger Brasilianer soll nun Übersicht und Ordnung ins Spiel bringen. Todt war sich am Wochenende noch nicht sicher ("50:50"), ob Walace tatsächlich kommt. Der Nationalspieler des Erstligisten Gremio Porto Alegre scheint sich den Wechsel vorstellen zu können, sein Verein pokert noch. "Natürlich braucht jemand erst einmal Zeit, wenn er aus einem anderen Kulturkreis kommt", gibt Todt zu bedenken, doch man hoffe natürlich auf eine möglichst schnelle Eingewöhnung. Der zweifache Nationalspieler könnte sich schnell austoben: Noch im Februar warten RB Leipzig und der FC Bayern. Dann dürfte er die Bundesliga schon recht gut kennengelernt haben.

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