Bundesliga: Bayern - Leverkusen:Schön spielen? Egal!

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Kein Ballbesitz-Zwang, keine Philosophie, dafür fünf Tore bei sechs Versuchen: Der FC Bayern spielt keineswegs berauschend und geht mit dem 5:1 gegen Leverkusen erstaunlich pragmatisch um.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Am Ende lohnten sich für den verwirrten Besucher doch ein paar prüfende Blicke: Die Arena in Fröttmaning erstrahlte in einem warmen Rot. Die Spieler der Heimmannschaft hatten das Emblem des FC Bayern auf den Trainingsanzügen. Mediendirektor Markus Hörwick leitete die Pressekonferenz und irgendwo draußen sang ein siegestrunkener Fan, dass der Verein der "Stern des Südens" sei.

Endlich wieder der Bayern liebstes Baby: Mario Gomez (links) und Miroslav Klose tragen Franck Ribéry nach dessen Tor zum 5:1. (Foto: dpa)

Ja, das war tatsächlich der FC Bayern, jener Extrem-Verein, bei dem nach jedem Sieg die Mannschaft zur Weltelf stilisiert und nach jeder Niederlage eine Krise ausgerufen wird. Doch an diesem Tag war so vieles anders, dass die prüfenden Blicke durchaus angebracht waren. Die Münchner hatten gerade mit 5:1 gesiegt gegen Bayer Leverkusen, das bis zu diesem Spieltag als möglicher Meister galt und in der Bundesliga gerade fünf Spiele hintereinander gewonnen hatte - und sowohl Spieler als auch Verantwortliche gingen damit um wie mit einem 1:0 beim Freundschaftsspiel gegen einen Oberligisten.

Interimstrainer Andries Jonker etwa beschrieb das Spiel, wie ein General einen äußerst unpopulären Krieg zu erklären versucht. "Ich habe hier eine Aufgabe", sagte er, ohne auch nur einen Muskel oberhalb der Nase zu bewegen. "Ich muss hier keine Philosophie einführen, sondern ich muss kurzfristig Erfolg haben und den Verein auf Platz drei führen. Das ist meine Aufgabe - und die Spieler haben das verstanden."

Die Frage nach der Philosophie war nicht ungerechtfertigt, agierte der FC Bayern an diesem Nachmittag doch so, dass Louis van Gaal - sollte er das Spiel im Fernsehen verfolgt haben - wohl mehrfach sämtliche Gesichtszüge entglitten. Auf gerade einmal 41 Prozent Ballbesitz kamen die Münchner und schafften das Kunststück, mit sechs Torschüssen fünf Treffer zu erzielen.

"Wir waren sehr effektiv, es war immer jemand da, der den Ball ins Tor schießen konnte", sagte Mario Gomez, der drei Mal aufs Tor schoss und drei Mal traf. Franck Ribéry traf ein Mal, der fünfte Treffer war ein Eigentor von Simon Rolfes. Viel mehr prägende Szenen hatte diese Partie nicht, es gab noch zwei gelbe Karten und einen Treffer für Leverkusen durch Eren Derdiyok.

Es war deshalb ein komischer Nachmittag, weil dieses 5:1 mitnichten so begeisternd war, wie es sich anhört. Ja, der FC Bayern inszenierte einige ansehnliche Angriffe. Ja, die Elf agierte deutlich engagierter als Leverkusen, das an diesem Nachmittag eher wie ein Oberligist wirkte denn wie ein Kandidat auf die Meisterschaft. Ja, der FC Bayern stand defensiv äußerst sicher.

FC Bayern: Einzelkritik
:Die Fan-Versteher

Mario Gomez schafft beim 5:1 gegen Leverkusen einen Hattrick, Luiz Gustavo sucht ein sonniges Plätzchen - und nicht nur Thomas Müller weiß, wie man sämtliche Bayern-Fans auf seine Seite bringt. Die Bayern in der Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Aber es war keine begeisternde Leistung der Münchner, die Treffer entstanden nicht nach formschönen Kombinationen, sondern beinahe zufällig und nach teils grotesken Fehlern der Leverkusener - Arturo Vidal etwa legte den Ball im eigenen Strafraum per Hacke derart perfekt auf Thomas Müller, dass man den Eindruck gewinnen konnte, der Chilene bewerbe sich damit um einen Platz an Müllers Seite in der kommenden Spielzeit.

FC Bayern: Einzelkritik
:Die Fan-Versteher

Mario Gomez schafft beim 5:1 gegen Leverkusen einen Hattrick, Luiz Gustavo sucht ein sonniges Plätzchen - und nicht nur Thomas Müller weiß, wie man sämtliche Bayern-Fans auf seine Seite bringt. Die Bayern in der Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Wahrscheinlich gingen die Spieler deshalb so pragmatisch mit diesem Sieg um, weil sie wissen, wie schnell die Stimmung in München wieder kippen kann gegen die Mannschaft. "Als wir zehn Punkte hinter Platz eins waren, sprachen alle von der Meisterschaft, als wir zehn Punkte hinter Platz zwei waren, sprachen alle von Platz zwei", sagte Mario Gomez. "Jetzt haben wir gerade Platz drei zurückerobert. Wir müssen die Kirche im Dorf lassen und diesen Platz verteidigen, damit wir in der kommenden Saison in der Champions League spielen können."

Ähnlich zurückhaltend gaben sich auch die anderen Münchner Akteure, fast alle gaben an, dass dieser Sieg auch nur drei Punkte ergeben würde und dass diese Punkte einzig dazu dienen würden, das Minimalziel dieser Spielzeit noch zu erreichen. "Es ist ja nicht alles wieder gut", gab Philipp Lahm zu Protokoll. "Wir haben neue Impulse bekommen. Andries Jonker hat behalten, was unter van Gaal gut war - und hat einige neue Dinge eingeführt." Und natürlich sagte Lahm auch seinen Lieblingssatz: "Wir müssen gut verteidigen - das haben wir heute getan. Dass wir nach vorne gefährlich sind, das wissen wir."

Der FC Bayern hat sich also dem Pragmatismus verschrieben - und vielleicht ist das genau die richtige Strategie, um das Minimalziel zu erreichen und in der kommenden Saison in der Champions League zu spielen. Ballbesitz? Egal! Chancen kreieren? Egal! Ansehnlich spielen? Egal! "Wir müssen gewinnen, egal wie", sagte Andries Jonker nach dem Spiel, immer noch mimiklos.

Er sprach den Vereinsbossen damit wohl aus der Seele, denn Uli Hoeneß spazierte fröhlich, ja fast pfeifend durch die Katakomben des Stadions. Das lag zum einen am 5:1, es lag am nüchternen Umgang damit - und natürlich lag es auch an den zahlreichen Fangesängen pro Hoeneß ( siehe Text zu den Bayern-Fans), die dem Präsidenten sichtlich guttaten.

Und so kam es, dass die Leverkusener emotionaler auf dieses Spiel reagierten als die Münchner. Auf dem Platz schimpften die Spieler miteinander, danach marschierten sie extrem schlecht gelaunt, extrem schnell und extrem wortlos Richtung Mannschaftsbus.

"Wer mich kennt, der weiß, dass mich eine Niederlage ungemein stört und ich mich über diese vergebene Chance ärgere", sagte Jupp Heynckes auf der Pressekonferenz. Er sagte es gerade in jenem Moment, als Mario Götze das 1:0 für Borussia Dortmund gegen Freiburg erzielte.

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