Bundesliga:Ausziehen! Ausziehen!

Warum darf ein Fußballer sein Trikot nicht ausziehen, wenn er ein Tor geschossen hat? Ein Plädoyer für die Emotion.

Markus Schäflein

1. In der nichtwestlichen Welt gilt es als unmoralisch, einen nackten Männerkörper öffentlich vorzuführen (Argument der Fifa). 2. In der westlichen Welt gilt es als unmoralisch gegenüber dem Sponsor, wenn sein Logo ausgerechnet im meistfotografierten Moment nicht zu sehen ist (Unterstellung undankbarer, sog. "kommerzkritischer" Fans).

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Nur noch verhaltener Jubel nach der gelben Karte fürs Trikotausziehen: Mladen Petric (links) mit Sebastian Kehl

(Foto: Foto: Getty)

Leicht zu kapieren, bleibt nur die Frage: Warum muss sich ein Fußballer das Trikot ausziehen, wenn er ein Tor geschossen hat? Das könne man "mit einer Tasse Tee in der Hand im warmen Presseraum" nicht kapieren, sagt Thomas Doll, Trainer von Borussia Dortmund, und überhaupt, "der Fußball lebt von Emotionen". Im Moment des maximalen Erfolgs schwellen die Muskeln eines Fußballers in der subjektiven Wahrnehmung derart an, dass es im Trikot einfach zu eng wird. Der Nuklearphysiker Dr. Bruce Banner lässt grüßen, der sich aufgrund eines Unfalls mit einer Gamma-Bombe in Extremsituationen in das muskulöse Monster Hulk zu verwandeln pflegte, wobei ihm immer das Hemd aufplatzte.

Dolls Stürmer Mladen Petric hatte seine hulkmäßigen Emotionen beim Spiel in Cottbus mit einer prima Idee vorbereitet: Er zog einfach zwei Trikots an, um im Falle eines Tores eines auszuziehen und immer noch eines anzuhaben nach Art der Matroschka-Puppe. Da kann doch die nichtwestliche Welt nichts dagegen haben, dachte sich wohl Petric, und der Sponsor auch nicht! Also trug er seinen Einfall vor dem Anpfiff dem Linienrichter vor, der ihm allerdings zu verstehen gab, Trikotausziehen bleibe Trikotausziehen und damit generell strafbar.

Petric fand die Idee so super, dass er sie nach acht Minuten trotzdem umsetzte und eine gelbe Karte erhielt. Ihm gebührt ein ausdrückliches Lob für diese konsequente Haltung, ein kleiner Tadel allerdings für die mangelhafte Vorbereitung: Nach 84 Minuten schoss Petric, das hatte er nicht geahnt, ein zweites Tor. Er sollte in Zukunft drei Trikots tragen. Dann kann er zweimal spontan jubeln und bekommt Gelb-Rot, die Journalisten schütten sich vor Aufregung den heißen Tee übers Sakko, und dann setzt er auch bei Doll jene Emotionen frei, von denen der Fußball lebt.

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