British Open im Golf:Nah dran

145th Open Championship - Day One

Gibts' doch gar nicht: Phil Mickelson hat haarscharf die 62er-Runde verpasst, die historisch gewesen wäre.

(Foto: Mike Ehrmann/Getty Images)

Der Kalifornier Phil Mickelson ist mit einer fast historischen Auftaktrunde zum Favoriten des Traditionsturniers aufgestiegen.

Von Frieder Pfeiffer, Troon

Das Adrenalin, er habe es schon gespürt. Phil Mickelson lachte gequält, als er sich diesen 62. Schlag noch einmal in Erinnerung rief: "Ich dachte, ich hätte es." Seit 1860 wird die British Open gespielt, die diesjährige Ausgabe in Royal Troon, Schottland, ist Nummer 145. Hinzu kommen pro Jahr drei weitere Golf-Majors, die ebenfalls einige ellenlange Siegerlisten haben. 26 Mal gab es in dieser Zeit eine 63. Aber eine 62er Runde, die war den Statistikern bei diesen abertausend Versuchen noch nicht untergekommen. Nun rollte der vermeintlich historische Putt präzise in Richtung Loch und Mickelsons Körper pumpte das Adrenalin ins Blut - zu früh. Zentimeter vor dem Ziel knickte der Ball nach rechts, rollte dann an der rechten und hinteren Kante des Lochs entlang, schaute kurz in den Schlund, bevor er doch eine Handbreit neben dem Loch liegen blieb. "Ich glaube, im Loch saß ein Torwart", witzelte Spielpartner Lee Westwood. "Mir ist das Herz gebrochen", seufzte Mickelson. "Ich könnte heulen."

Es war der Schmerz über diese dramatische Wendung in der jetzt eben nur fast perfekten Golf-Geschichte. Das älteste Golf-Turnier der Welt, offiziell nur The Open Championship genannt, wäre der passende Rahmen für diese historische Wundertat gewesen; und Phil Mickelson der geeignete Wundertäter.

Seine Wohlfühlzone ist die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn

"Phil the Thrill" nennen sie den 46-Jährigen, weil er sich mit Adrenalin auskennt wie kein Zweiter. Seine golferische Wohlfühlzone ist die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn, auf der er wilde Schläge mit noch wilderen rettet. Wird es ruhiger, verschafft er seinem Spiel notfalls eigenmächtig die nötige Spannung - mit hohen Geldeinsätzen. Mickelson ist ein weiterer Beweis, dass das Widersprüchliche eine sehr anziehende Aura besitzt. Über Jahre war der Mann aus San Diego in Kalifornien neben Tiger Woods nicht nur der bestbezahlte Golfer der Welt, er war und ist immer noch einer der reichsten Sportler überhaupt. Dass er dennoch mitunter dunkle Wege sucht, dieses Geld zu vermehren, ist von außen schwer zu erfassen.

In diesem Frühjahr kam er mit einem blauen Auge davon, als ihm die Behörden beim Insiderhandel auf die Schliche kamen. Mickelson hatte von einem Bekannten, bei dem er ordentliche Wettschulden hatte, einen Investment-Tipp bekommen. Mickelson investierte und verdiente knapp eine Million US-Dollar, mit denen er seine Schulden zahlen wollte. Nur aufgrund einer aktuellen Gesetzesänderung war die Sache mit Rückzahlung des Gewinns vom Tisch.

Mickelson zeigte sich reuig, die Sache mit seiner Wettleidenschaft wird das vermutlich aber nicht tangieren, sie gehört als Folklore sowieso schon zur neueren Golf-Tradition. Bereits als Tour-Neuling Anfang der Neunziger soll er regelmäßig um mehrere hundert US-Dollar gespielt haben - auch gegen die Weltbesten. Zu denen zählt er inzwischen selbst. Mickelson gewann fünf Majors, insgesamt 50 Turniere seit 1991. Für viele junge Spieler ist er selbst nun eine Art Mentor. Mickelson füllt diese Rolle gerne auf Proberunden aus - im Spiel um Geld. Er sagt: "Mentor oder Zocker, wie sie es sehen wollen." Einen Einblick in das Wirken Mickelsons gab Anfang des Jahres der australische Rookie Ryan Ruffels, als er erzählte, wie er Mickelson vor einem Turnier auf einer Runde 5000 US-Dollar aus den Taschen gezogen hätte. Das sah dieser gar nicht locker, nicht aufgrund der Niederlage. Über die Wetteinsätze wird normalerweise geschwiegen. "Er ist jung, er hat noch zu lernen", sagte der strenge Wett-Papa.

Trotz all dieser Geschichten, die natürlich zur speziellen Aura Mickelsons beitragen, ist er laut Umfragen der beliebteste Golfer in den USA. Auch in Schottland gehört er zu den Lieblingen, nicht erst seit seinen Siegen dort bei der Scottish und der British Open im Sommer 2013. Am Freitag hängten Anwohner ein Laken auf die Terrasse: "Phil, komm rum auf Scottish Pancakes!", stand darauf. Die Zeit hätte Mickelson gehabt nach seiner ordentlichen 69 im verregneten Freitagmittag, mit der er bei zehn unter Par die Führung vor dem Wochenende vorerst sicherte.

Mickelson weiß, so ein Golf-Wochenende ist lang, vor allem in Wind und Regen. Und es steht viel auf dem Spiel. Seit seinen Siegen in Schottland vor drei Jahren ist er ohne Titel. Für viele war er schon weg. Jetzt könnte er wieder da sein - und wie. Mickelson sagt: "Ich bin nah dran." Dieser Meinung sind auch die Buchmacher. Die Quote für einen Mickelson-Sieg kollabierte bis Freitag auf 3:1. Der Abgeschriebene ist nun Top-Favorit bei einem Major. Auch das wäre eine gute Golf-Geschichte. Doch bei diesen dürftigen Quoten würde der Zocker Mickelson sein Geld wohl selbst anderswo platzieren.

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