Bremens Diego:Die Kraft der zwei Diegos

Scheinbar gibt es beim SV Werder zwei Diegos: den dribbelnden Zauberer und einen wütenden Grätscher. Das ist gefährlich für eine Mannschaft, die aufgrund von zahlreichen Verletzungen abhängig vom Brasilianer ist.

Jürgen Schmieder

Es war vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart, als der Stadionsprecher des SV Werder einen Spieler zitierte: "Ich habe mich sehr schnell sehr wohl gefühlt. Und das positive Gefühl wird immer stärker". Eine Floskel, wie sie Fußballer gerne verwenden. Danach wurde die Vertragsverlängerung des Brasilianers Diego verkündet - und gäbe es im Weserstadion eine Messanlage für den Geräuschpegel, dann wären auf der Anzeige mehr Dezibel angezeigt worden als bei den drei Treffern, die der SV Werder später erzielen sollte.

Diego wird von den Bremer Fans noch stärker verehrt als Andreas Herzog und Johan Micoud, die Vorgänger auf der Spielmacher-Position. Das liegt zum einen an der spektakuläreren Spielweise. Herzog war ein klassischer Regisseur, der eine Mannschaft führte wie ein Quarterback im Football. Micoud war ein Feingeist, der meist mit nur einem Ballkontakt agierte und so gegnerische Abwehrketten sprengte.

Diego dagegen ist ein Dribbler, der ähnlich wie Franck Ribéry immer für eine atemberaubende Aktion gut ist. Gegen Stuttgart etwa nahm er den Ball mit der Brust an, ließ dann seinen kleinen Körper nach hinten fallen und schoss per Fallrückzieher aufs Tor. Raphael Schäfer konnte gerade noch klären. Da stand es jedoch schon 3:1 für den SV Werder, Diego hatte zwei Treffer vorbereitet.

Der zweite Diego

So auffällig er auf dem Spielfeld ist, so bescheiden gibt er sich abseits davon. Er kokettiert nicht mit den Angeboten, die ihm vorliegen sollen. Real Madrid soll mehr als nur Interesse zeigen, spanische Klubs sollen ihn regelmäßig beobachten, auch der FC Bayern soll seine Fühler schon ausgestreckt haben. "Das sind nur Spekulationen", sagt Diego. Punkt. Aus.

Und doch gibt es da diesen zweiten Spieler mit der Nummer zehn im Bremer Trikot, der machmal als Diego verkleidet über den Platz tobt. Beim Spiel in Dortmund etwa war es zu beobachten. Nach einigen Attacken der Dortmunder Spieler ließ er sich dazu hinreißen, nach Gegenspielern zu schlagen. Er schubste. Er trat. Er grätschte wüst über den Platz. In der Halbzeit nahm ihn Trainer Thomas Schaaf vorsorglich vom Feld, um einer Hinausstellung zuvorzukommen. Dieses Temperament teilt er sich mit dem Franzosen Ribéry, der ebenfalls zu Aggressivität neigt, wenn er von den Gegenspielern hart attackiert wird.

Der große Unterschied zwischen Diego und Ribéry liegt derzeit darin, dass der Franzose von Mark van Bommel, Zé Roberto und Hamit Altintop flankiert wird. Bremens Stammspieler auf diesen Positionen - Torsten Frings, Tim Borowski und Carlos Alberto - sind verletzt, sodass die kreative Last allein auf Diego liegt. Gegen Stuttgart gewann Bremen mit einem Diego in Topform 3:1, in Dortmund unterlag die Mannschaft mit einem indisponierten Diego mit 0:3.

Derzeit genügt es, die ersten 15 Minuten eines Spiele anzusehen und herauszufinden, welcher Diego auf dem Platz steht. Schon kann man prognostizieren, wie das Spiel endet. Es ist schön für Bremen, einen Spieler wie Diego im Kader zu haben. Aber es ist gefährlich, von ihm abhängig zu sein.

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