Bremen:Wieder wie Werder

Werder Bremen vs Hannover 96, Germany - 19 Nov 2017

„Endlich wieder guter Fußball“: Max Kruse trifft beim Bremer 4:0-Erfolg gegen Hannover 96 dreimal.

(Foto: Suki/EPA-EFE/REX/Shutterstock)

Max Kruse und Fin Bartels wecken beim ersten Bremer Saisonsieg Erinnerungen an die Erfolge im Frühjahr.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Mit schreibenden Journalisten spricht Max Kruse nach einem Spiel eher ungern. Das ist eine Art Grundsatz von ihm, weil der Stürmer von Werder Bremen nun mal sehr gerne verstanden, manchmal aber auch missverstanden wird - und die Kritiker seiner Meinung nach seine Statements zu sehr verkürzen. Nur für die Werder-Mitarbeiter und das Fernsehen steht er also bereit, so auch nach Werders 4:0 gegen Hannover 96 am Sonntag, bei dem er nicht nur als Hattrick-Torschütze (55., 59., 78. Minute) aufgefallen war. Er sagte, unter anderem: "Ich habe heute alles in die Waagschale geworfen und freue mich natürlich über die Tore. Aber viel mehr freut mich der Erfolg des Teams. Für solche Tage spielt man Fußball."

Der Mann, dem zuweilen nachgesagt wird, er sei nicht austrainiert, zog 28 Mal zu Sprints an (so oft wie kein anderer) und hatte als vorderste Angriffsspitze die drittmeisten Ballkontakte. Das ist in dieser Position eher die Ausnahme, aber deshalb logisch, weil er sein Betätigungsfeld keineswegs auf den 96-Strafraum beschränkte. Kruse war überall. Der Spieler des Spiels, der nach einem Schlüsselbeinbruch im Herbst eine zweimonatige Pause hinter sich bringen musste und zuvor 553 Spielminuten lang keinen Treffer erzielt hatte, steuerte das Team zum ersten Sieg dieser Bundesliga-Saison. Die Hoffnung beim bisherigen Tabellenvorletzten ist zurück.

Kruse sagte aber noch mehr. Für den früheren Trainer Alexander Nouri hatte er auch ein paar nette Worte übrig. Man habe unter ihm eine erfolgreiche Rückrunde gespielt, aber am Schluss habe es fußballerisch mit dem "tollen Menschen" nicht mehr gepasst, urteilte er. Dass Nouri mit seinem oft defensiven Spielstil den Werder-Ruf als kreative Angriffsabteilung der Liga gefährdet und die Mannschaft durchaus verunsichert hatte, das sagte Kruse nicht. Wohl aber, dass man jetzt alles umgesetzt habe, was man sich in der Länderspielpause erarbeitet hatte. Werder habe "endlich wieder guten Fußball gespielt".

Den Namen seines neuen Chefs nannte Kruse dabei nicht. Doch Florian Kohfeldt, nur sechs Jahre älter als der 29 Jahre alte Leader auf dem Rasen, hatte zweifellos großen Anteil daran, dass Werder wieder wie Werder spielte und mit zunehmender Spieldauer an Selbstvertrauen gewann. Während unter Nouri angeblich nur noch die Defensivabteilung gecoacht wurde, sorgte Kohfeldt dafür, dass Kruse und sein bester Kompagnon Fin Bartels (Torschütze zum 1:0 mit einem Heber nach Kruse-Pass und Passgeber für Kruse vor dem 3:0 und 4:0) so aufspielten wie zuletzt im Frühjahr, als Bremen fast noch den Europapokal erreichte. Insgesamt 18 Tore und 14 Vorlagen hatten Kruse und Bartels in der Vorsaison geliefert. Kohfeldt sorgte dafür, dass die beiden nicht mehr allein in der Wildbahn vor dem Tor waren, sondern von den aufrückenden und pressenden Mittelfeldspielern Zlatko Junuzovic, Thomas Delaney, Maximilian Eggestein und Philipp Bargfrede bestens assistiert wurden.

Trainer Kohfeldt freut sich nur einen kurzen Moment lang

Kohfeldt hatte in den drei Wochen, die er jetzt als Cheftrainer agiert, häufig vom gegenseitigen Coachen gesprochen - und auch in dieser Sparte hat Kruse noch mehr Verantwortung übernommen, seit Kapitän Clemens Fritz seine Laufbahn beendete. Es sei ein "sehr angenehmes, aber forderndes Arbeiten" mit Kruse. "Max möchte viel erklärt bekommen, stellt viele Fragen. Aber wenn man ihm die Antworten gibt, dann setzt er das sehr gut um", lobte Kohfeldt. Zudem habe er "eine brutale Qualität vor dem Tor", ergänzte Maximilian Eggestein, während 96-Trainer André Breitenreiter hervorhob, wie geschickt sich Kruse "zwischen den Räumen" bewegt habe.

Der Plan, den Kohfeldt seinen Spielern mit auf den Weg gegeben hatte, war durchaus anspruchsvoll. Thomas Delaney etwa musste nicht nur in vorderster Front die 96-Abwehrspieler anlaufen, sondern auch mal von der Position des offensiven Achters auf die defensivere Sechs wechseln. "Thommy musste viel laufen und denken", sagte Kohfeldt dazu und war besonders zufrieden, dass er mit seiner "aufnahmebereiten Mannschaft" stets die richtigen Lösungen gefunden habe auf die taktischen Aufgaben, die sein Kollege Breitenreiter während des Spiels gestellt hatte.

Ob dieser erste Bundesliga-Sieg nach 204 Tagen allerdings ein "Startpunkt" für bessere Zeiten ist, muss natürlich noch abgewartet werden. Nicht nur Kruse wies darauf hin, dass Werder trotz allem ja erst acht Punkte gewonnen habe. Der neue Cheftrainer, dem Geschäftsführer Frank Baumann eine große Zukunft vorhersagt, rechnet schon beim nächsten Spiel bei RB Leipzig mit einer deutlich schwereren Aufgabe als gegen die diesmal weitgehend harmlosen Hannoveraner.

Sein Job sei auch, die Dinge "realistisch" einzuschätzen, sagte der selbstbewusste Kohfeldt, der trotzdem darauf hinwies, als Chef erst bei zwei Bundesligaspielen auf beziehungsweise vor der Bank gestanden zu haben. Und obwohl Kruse, Bartels und ihre Helfer es diesmal gut machten, hat er das 4:0 nicht als "kerzengeraden" oder "rauschhaften" Triumph erlebt. Erst in der 89. Minute, erzählte Kohfeldt, habe er sich das erste Mal umgedreht Richtung Tribüne. In diesem kurzen Moment habe er das Erlebte genossen.

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