Bremen:Spitzenteam in der "Kohfeldt-Tabelle"

Bilder des Tages SPORT GER 1 FBL Werder Bremen vs Eintracht Frankfurt 01 04 2018 Weserstadion

Die „Verhexung“: Frankfurts Torwart Lukas Hradecky schätzt die Flugbahn des Balls falsch ein – und verschuldet das Tor zum 1:2-Endstand.

(Foto: Ewert/Nordphoto/imago)

Dank eines Torwartfehlers schlägt Werder Frankfurt. Doch Trainer Florian Kohfeldt ist der Garant für den Erfolg.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Über Jiri Pavlenka sind später alle ins Schwärmen geraten, einschließlich des Frankfurter Trainers Niko Kovac. Der Torhüter des SV Werder Bremen hatte in der ersten Halbzeit mindestens zweimal nach schier unhaltbaren Schüssen von Ante Rebic und Marco Russ den Ball am Überqueren der Linie gehindert. Kaum schwächer war der Eintracht-Torwart Lukas Hradecky - jedenfalls bis zur 79. Minute. Dann passierte ihm ein Fehler, nach dem er selbst von einer "Verhexung" sprechen sollte. Hradecky hatte den 2:1-Sieg der Bremer eingeleitet, indem er die von Abwehrchef David Abraham per Kopf verlängerte Flanke von Werder-Kapitän Zlatko Junuzovic "unterschätzt" habe, wie er sagte. Der Ball, eine halbe Ewigkeit in der Luft, ging jedoch nicht über die Torlatte, sondern senkte sich über Hradeckys Kopf zwischen seinen Händen hindurch ins Netz - offiziell ein Eigentor von Abraham.

Hradecky, 28, spielt eine starke Saison, weshalb sein Verbleib in Frankfurt eher unwahrscheinlich ist, er wird wohl von Bayer Leverkusen umworben. Der Fehler am Sonntag war sein erster dieser Art, doch er war ein besonders ärgerlicher für Frankfurt. Auch wenn Kevin-Prince Boateng das Missgeschick recht großzügig behandelte ("Ach, der trinkt ein Bier, und dann ist es wieder gut"), auch wenn Sportvorstand Fredi Bobic zwar von einer "Gurke" sprach, Hradecky aber mit Blick auf dessen Saisonleistung verteidigte: Mit der Niederlage verlor die Eintracht vorerst den vierten Platz, der die Qualifikation für die Champions League bedeuten würde. Und das in einem Spiel, das auch Werder-Trainer Florian Kohfeldt höchsten Respekt gegenüber dem Gegner abverlangte. Er habe "einen der besten Gastauftritte erlebt", pries er die Frankfurter. Er wäre sogar mit einem Punkt zufrieden gewesen, sagte er. Doch vielleicht wollte er auch einfach nur bescheiden sein. Denn für gewöhnlich geraten sie in diesen Tagen in Bremen ja über ihn ins Schwärmen.

Werder ist nun im neunten Heimspiel in Serie ungeschlagen

Kohfeldt kann auf eine prächtige Entwicklung hinweisen. Seit er Anfang November seinen Einstand mit einer 1:2-Niederlage in Frankfurt gab, sind die Bremer in der Summe der 17 Spiele danach unter seiner Regie das viertbeste Team der Liga. Werder ist in der sogenannten "Kohfeldt-Tabelle" also vom Tabellenvorletzten zum Spitzenteam mutiert, das nun im neunten Heimspiel in Serie ungeschlagen blieb.

Es ist Kohfeldts Ziel, "von den Spitzenmannschaften zu lernen", vor allem fußballerisch und in Mentalitätsfragen. Er selbst stellt sich derweil den Taktik-Zweikämpfen am Seitenrand, auch einem sehr anspruchsvollen mit dem von ihm geschätzten Kollegen Niko Kovac ("Ein toller Trainer") am Sonntag. Mehrere Male änderten beide während der Begegnung das System. Kovac wechselte in der Abwehr von einer Vierer- auf Dreierkette und später auf einen Dreier-Angriff. Kohfeldt stellte im Mittelfeld auf eine Rauten-Formation um. Kovac sagte, man könne an solchen Maßnahmen den Fortschritt im Fußball erkennen. Vor 20 Jahren, sinnierte er, hätten die Trainer das Spiel einfach laufen lassen.

Neben Trainer Kohfeldt ist Zlatko Junuzovic ein Erfolgsgarant

Egal, wie man das neue Werder betrachtet, es geht dabei eigentlich immer um Fortschritt. Am Anfang der Saison unter Kohfeldts Vorgänger Alexander Nouri versuchte Bremen stets, den Gegner auf ein schwächeres Niveau hinunter zu ziehen. Inzwischen aber ist das Team so aggressiv und vorwärts gewandt, dass es auch eine extrem gut gestaffelte Mannschaft wie die Eintracht in die Bredouille bringt - weshalb Kovacs Formulierung von einem "Spiel auf Augenhöhe" mehr zutraf als jene von Bobic, der das Resultat als "Witz" empfand. Die Eintracht agierte reifer, aber wirklich nur ein kleines bisschen.

Wer Hradecky als Verlierer der Partie einstufte, der musste Zlatko Junuzovic als Gewinner hervorheben. Der Österreicher habe, so Kohfeldt, die "Tore erzwungen", habe "viel gearbeitet" und sei "immer dort gewesen, wo wir ihn sehen wollten". Zum Beispiel in der 28. Minute, als er einen Tick schneller war als Makoto Hasebe und die Hereingabe von Thomas Delaney zum 1:0 ins Tor beförderte. Der Trainer hat sich längst für eine Vertragsverlängerung mit dem Kapitän ausgesprochen. Junuzovic, sagte Mittelfeld-Kollege Maximilian Eggestein, sei "auch für die jüngeren Spieler ein wesentlicher Ansprechpartner".

Weder Junuzovic noch Delaney ("Ich spreche nicht über Europa") und schon gar nicht Kohfeldt reden über veränderte Ziele. Der Trainer sagt nur: "Der direkte Abstieg ist inzwischen sehr unwahrscheinlich." Dabei steht Werder nun schon zehn Punkte vor dem Relegationsplatz, aber nur noch sechs hinter Rang sieben, der eventuell zur Europa-League reichen könnte. Die Frankfurter, bei denen Boateng mit einem sehenswerten Hackentrick das 1:1 durch Luka Jovic (53.) vorbereitete, stellen sich auf einen engen Wettbewerb um die internationalen Plätze ein. Womöglich ist schon das nächste Frankfurter Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim ein vorentscheidendes.

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