Bremen:Fuß getroffen, Schlüsselbein gebrochen

Schwerer als die 1:2-Niederlage gegen Schalke wiegt für Werder die Verletzung von Stürmer Max Kruse.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Wie cool ein Profi die Verletzung eines Kollegen kommentieren kann, hat Thilo Kehrer, 20, vorgeführt. Der Verteidiger von Schalke 04 hat den Zusammenstoß mit Werder Bremens Stürmer Max Kruse in der 16. Minute als "Zweikampf mit viel Dynamik" beschrieben, natürlich mit der "Absicht, den Ball zu spielen". Dass Kehrer in ungebremster Dynamik auch den Fuß von Kruse traf, der dann so auf die Schulter fiel, dass er sich einen Schlüsselbeinbruch zuzog und mindestens zwei Monate ausfällt, hat Kehrer beinahe so erörtert, als habe er bei seiner rüden Aktion zufällig einen Schrank oder Tisch touchiert. Erst am Ende der Ausführungen rang er sich ein Wünsche-ihm-gute-Besserung ab.

Es war wohl die entscheidende Szene beim Schalker 2:1 in Bremen, einem wegweisenden Spiel, in dem vielleicht schon entschieden wurde, was für eine Saison für die beiden Klubs folgen könnte: für Werder ein weiteres Mal der Abstiegskampf, für Schalke endlich wieder eine Bewerbung um die Europacup-Startplätze. Zu erkennen waren die Unterschiede in einem intensiven Duell mit vielen Fehlpässen allerdings kaum. Zumal Werder zwei Minuten nach dem "extrem bitteren" (Trainer Alexander Nouri) Kruse-Ausfall gar in Führung ging. Lamine Sané hatte nach einem Kopfball von Ludwig Augustinsson an den Pfosten am schnellsten reagiert.

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Pech im Unglück: Max Kruse (rechts), vom Schalker Thilo Kherer hart weggegrätscht, zieht sich beim Sturz eine schwere Schulterverletzung zu. Foto:

(Foto: Cathrin Müller/Imago)

Doch die Erinnerung an den Kruse-Verlust vor einem Jahr schlich sich nun offenbar in die Bremer Köpfe. Damals, im August 2016, zog sich Kruse beim verlorenen Pokalspiel in Lotte eine Außenbandverletzung am Knie zu. In den drei Monaten, in denen er fehlte, kam Werder nicht aus dem Tabellenkeller. Auch jetzt droht Kruses Fehlen die Statik des Werder-Spiels zu unterminieren. "Jeder weiß doch um den Stellenwert von Max für unser Spiel", sagte Nouri. Kruse wird nach der am Sonntag erfolgten Operation einige Tage im Krankenhaus bleiben, anschließend startet er in Bremen seine Reha. Um Abhilfe zu schaffen bei einer Vakanz im Werder-Sturm habe man Ishak Belfodil von Standard Lüttich ausgeliehen, erklärte Sportchef Frank Baumann. Allerdings sieht sich der algerische Nationalspieler mehr als Vorlagengeber denn als klassischer Torjäger. Zudem muss Belfodil trotz einiger guter Ansätze im Spiel gegen Schalke erst hineinfinden ins Bundesliga-Klima.

Die Schalker ließ die Bremer Misere weitgehend kalt. Sie haben selbst noch eine Saison aufzuarbeiten, in die sie unter dem damaligen Trainer Markus Weinzierl mit fünf Niederlagen gestartet waren. Domenico Tedesco, der neue Chef auf Schalke, schult einen offensiveren Stil. Weinzierl hätte wohl auch in dieser Partie beim Stand von 1:1 (Milos Veljkovic besorgte kurz nach der Werder-Führung per Eigentor den Ausgleich) eher defensiv gewechselt. Tedesco hingegen hatte in der Schlussphase nach den Einwechslungen von Franco Di Santo und Breel Embolo sowie mit Guido Burgstaller gleich drei Mittelstürmer auf dem Feld. Diese Alles-oder-nichts-Strategie wurde belohnt. Der Schalker Vorwärtsdrang ermöglichte in der 83. Minute Leon Goretzka die Chance, mit einer "reflexartigen Bewegung" (Goretzka) den Ball zum Siegtreffer über die Linie zu schieben.

Wissenswertes:

Milos Veljkovic unterlief das erste Eigentor in dieser Saison - es war das 57. Eigentor in der Bundesliga für Werder Bremen. Keinem Verein unterliefen so viele Gegentore wie Bremen.

Breel Embolo von Schalke 04 gab nach 336 Tagen sein Comeback in der Fußball-Bundesliga. Der Schweizer hatte sich am 15. Oktober 2016 in der Partie gegen Augsburg einen Bruch des Sprunggelenks und des Wadenbeins zugezogen. Nach Komplikationen beim Heilungsprozess musste er fast ein ganzes Jahr pausieren.

Nun müssen Manager Christian Heidel und Tedesco nur noch die Seelen der Schalker Fans beruhigen. Sie sind nach dem Abschied des zu Juventus Turin vertriebenen, langjährigen Kapitäns Benedikt Höwedes immer noch irritiert. Bei dieser Therapie gehen die Verantwortlichen Schritt für Schritt vor: Er habe "Gänsehaut" gespürt, als Embolo nach 13-monatiger Verletzungspause in der 80. Minute erstmals wieder das Feld betrat, sagte Heidel gefühlig. Tedesco hingegen wollte den Klub schon auf den nächsten Gegner einstellen, am Dienstag kommen die Bayern. Bereits auf der Rückfahrt im Bus werde er "die Bayern analysieren", sagte Tedesco. Er weiß, dass es eine Partie wird, in der die Fans sehen wollen, was der sportlich geglückte Start der Schalker wert ist.

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