Bremen - Bayern:Überlegen, aber nicht konsequent

Beim aufregenden 0:0 gegen Bremen spielt der FC Bayern lange in Überzahl - vergibt aber zu viele Chancen und rutscht in der Tabelle weiter ab.

Ralf Wiegand

Zweifel hätte man haben können, dass es diesmal nicht für die Ereignis-Kategorie reichen könnte. Da spielte der Letzte gegen den Vorletzten der Rückrundentabelle, so dass es wie eine Anmaßung klang, dass diese Mannschaften sich Namen und Trikots von Werder Bremen und Bayern München geliehen hatten. Ein Spiel drohte das zu werden, das vom Bundesliga-Alltag verschluckt würde wie der Sonntagnachmittag vom tief hängenden Himmel über der Weser.

Bremen - Bayern: Bastian Schweinsteiger vergibt eine der zahlreichen Möglichkeiten des FC Bayern.

Bastian Schweinsteiger vergibt eine der zahlreichen Möglichkeiten des FC Bayern.

(Foto: Foto: Getty)

Aber 15 Minuten nach Anpfiff war klar: Misstraue nie einem Klassiker! Eine Viertelstunde genügte den Teams, um neun Torchancen zu produzieren, der Statistik einen Platzverweis hinzuzufügen und beide Trainer, Münchens Jürgen Klinsmann und Bremens Thomas Schaaf, zu Stehplatzfans ihrer Mannschaften zu machen. 75 Minuten später stand ein 0:0 der exzellenten Art am Ende eines eineinhalbstündigen Dauer-Aufregers.

"Aus unserer Sicht ein Spiel, das wir in den ersten 25 Minuten für uns hätten entscheiden können", haderte Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann hinterher, seine Arbeit wird bis zum Pokalspiel am Mittwoch in Düsseldorf gegen Leverkusen von kritischen Fragen begleitet bleiben - nach dem dritten Ligaspiel ohne Sieg. "Oben hat sich durch die Niederlage des HSV nicht so viel getan, es ist sogar mit Wolfsburg eine Mannschaft dazu gekommen", sagte er dennoch gelassen.

Werder gegen den FC Bayern war die Rückkehr des Spektakels ins Weserstadion. Der Fun-Park der Bundesliga hatte ja ein paar Monate geschlossen. Nicht einmal das unterkühlte 1:1 im später durchs Weiterkommen veredelten Duell mit dem AC Mailand vermochte das durch Gewöhnung längst vergnügungssüchtige Bremer Publikum zu mehr als artigem Applaus zu animieren.

Doch schon in der Pause des Bundesliga-Spiels gegen die Bayern hatten die grün-weißen Fahnen in der Ostkurve wieder Aufwind unterm Stoff, liefen die Spieler zum Klatschmarsch des Publikums in die Kabine und tirillierten auch die Anhänger des FCBayern in der Westkurve vor Entzücken. Alle wähnten ihre Elf jeweils im Vorteil und hatten immerhin gemein, Zeugen eines ausgezeichneten Spiels zu sein.

Die Bayern hatten auf dem Spielberichtsbogen eine überraschende Antwort darauf gegeben, welcher Stürmer anstelle von Luca Toni neben Miroslav Klose stürmen würde: keiner. Podolski und Donovan blieben auf der Bank, dafür rückte Ribéry nach vorne und der ehemalige Bremer Borowski (siehe Text rechts) in die Startelf. Er wurde ohne Häme an alter Wirkungsstätte empfangen, was die einzige Freundlichkeit seitens der Bremer bleiben sollte. Ab dann ging es zur Sache.

Die Schlüsselszene des Spiels ereignete sich dabei schon nach einer Viertelstunde. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Spiel bereits viele Höhepunkte gesehen, etwa Özils Tanz gegen Lúcio mit anschließender unkonventioneller Glücksparade durch Rensing (4. Minute), mehrere schnelle Bayern-Konter, eingeleitet allesamt über den zunächst besten Münchner Hamit Altintop, eine absurd leichtfertig vergebene Chance von Miroslav Klose aus sieben Metern (14.) oder ein feiner Distanzschuss von Bastian Schweinsteiger, der knapp am Tor vorbeistrich (11.).

Überlegen, aber nicht konsequent

Um aus all diesen nennenswerten Situationen herauszuragen, musste schon Bemerkenswertes passieren, und so rutschte Per Mertesacker in der 15. Minute aus, verlor den Ball an Schweinsteiger, der sich alleine Richtung Tor aufmachte, jedoch am Strafraum auf den Brasilianer Naldo traf. Der Body-Check als letzter Mann kostete Werders Innenverteidiger die weitere Teilnahmeberechtigung am Spiel, weil ihm Schiedsrichter Manuel Gräfe regelgerecht Rot zeigte.

Überraschenderweise blieb Werder nach vorübergehender Schockstarre aber ein gefährlicher Gegner. Zunächst musste zwar der sehr starke Torwart Christian Vander, für den noch immer maladen Tim Wiese aufgeboten, seine Elf mit mehreren Paraden im Spiel halten, etwa gegen Klose oder Borowski, doch dann griffen auch bei den Bremern die alten Machanismen wieder. Vor allem Mesut Özil riss in die rechte, vom Italiener Oddo verwaltete Abwehrseite der Bayern bombastische Löcher, und hätte nicht einmal Referee Gräfe Pizarro im Abseits vermutet und ein anderes Mal Diego und Pizarro einen Tango zu viel im Strafraum der Münchner getanzt, es hätte nicht länger 0:0 stehen müssen.

Zur Freude des Publikums hielten in dieser aufregenden Partie beide Klubs, was ihnen die Kritiker seit langem vorwerfen: Sie boten ein weitgehend taktikfreies Rauf- und Runter. Allerdings fehlte den überlegenen Bayern auch mit einem zweiten ausgebildeten Angreifer - Podolski kam zur Pause für den schwachen Schweinsteiger - die Effektivität.

Das lag zum einen daran, dass sich auf Bremer Seite vor allem Per Mertesacker mit einer Leidenschaft in jeden Ball warf, als könne er mit einem gewissen Blutzoll Ablass für seinen Ausrutscher erlangen. Zum anderen waren die Flanken und Pässe, die die ebenso konsequent wie variantenarm über die Außen angreifenden Münchner in die Mitte schlugen, zu unpräzise - auch die von Ribéry.

Der Eindruck, dass die 5:0-Bayern von Lissabon und die 2:2-Bremer von Mailand sich auch im nationalen Alltag freispielen könnten, verfestigte sich am Ende in einer fesselnden Schlussphase. Wie Christian Vander den Brachialschuss von Zé Roberto aus Nahdistanz parierte (74.), dürfte ebenso im Buch der unerklärbaren Phänomene landen wie Pizarros Fehlschuss aus fünf Metern freistehend am Bayern-Tor vorbei (72.). So blieb es am Ende bei einem grandiosen torlosen Remis zwischen Werder Bremen und Bayern - dem immer noch Rückrunden-Letzten gegen den nun Frühlings-Vierzehnten der Liga. Insgesamt ist Bayern jetzt nur noch Fünfter.

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