Braunschweigs Stürmer Domi Kumbela:Torjägerkrone als Karriere-Killer

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Hast derzeit nicht viel zu jubeln: Domi Kumbela, Stürmer von Eintracht Braunschweig (Foto: imago sportfotodienst)

Einst brandgefährlich, heute harmlos: Die Torschützenkönige der zweiten Bundesliga tun sich traditionell schwer damit, die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor auch in der ersten Liga zu zeigen. Der Braunschweiger Domi Kumbela bildet da keine Ausnahme.

Von Boris Herrmann

Domi Kumbela hat noch was gut bei Torsten Lieberknecht. Vor der vergangenen Saison hatten der Angreifer und der Trainer von Eintracht Braunschweig eine Wette abgeschlossen. Unter der Bedingung, dass Kumbela Torschützenkönig der zweiten Liga werden würde und die Eintracht damit zum Aufstieg schösse, hatte Lieberknecht angekündigt, seinem Spieler eine Urlaubsreise zu finanzieren.

Im Sommer 2012 mag das aus Sicht des Trainers ein vertretbares Risiko gewesen sein. Fakt ist: Lieberknecht hat die Wette verloren. Kumbela sicherte sich mit 19 Treffern die Torjägerkrone, und Braunschweig stieg auf.

Dem Vernehmen nach hat Kumbela seinen Gutschein noch nicht eingelöst. Mal kam eine Verletzung dazwischen, mal eine Aufstiegsfeier, mal eine Reha und schließlich der harte Alltag in der ersten Liga. Der Urlaub wurde angeblich in beiderseitigem Einverständnis auf die anstehenden Wintermonate verlegt. Wobei Lieberknecht bereits vor der laufenden Saison den Wetteinsatz noch einmal deutlich erhöht hatte: "Sollte er sich die Kanone auch in der Bundesliga sichern, spendiere ich ihm ein Leben lang Reisen!"

Auch diesmal scheint das Risiko überschaubar zu sein. Domi Kumbela hat in dieser Saison bislang zwei Mal getroffen. Und mit Blick auf das Auswärtsspiel beim FC Bayern ist auch nicht zu erwarten, dass er am Samstag in der Torjägerliste große Sprünge machen wird.

Eintracht Braunschweig steht am Tabellenende. Das liegt nach breitem Expertenurteil nicht etwa daran, dass diese Mannschaft zu schlecht wäre. Es hängt wohl eher damit zusammen, dass aus ihren guten Ansätzen zu wenige Tore entstehen. Bislang waren es acht Stück in 13 Spielen. Irgendetwas scheint Kumbela (und seinen Kollegen) also zu fehlen, was im vergangenen Zweitliga-Jahr noch da war.

Dieses Irgendetwas ist ein allbekanntes Stürmermysterium. Es ist so schwer in Worte zu fassen, dass selbst sprachbegabte Menschen bislang keinen besseren Fachbegriff gefunden haben als diesen: Kaltschnäuzigkeit.

Dem Hund wird bekanntlich ein Hang zur kalten Schnauze nachgesagt. Dass er es deshalb einfacher hätte, in der Bundesliga Tore zu erzielen, lässt sich statistisch jedoch nicht belegen (Einziges Gegenbeispiel: Hans-Hubert "Terrier" Vogts, 419 Spiele, 32 Tore). Hat man sich aber einmal damit abgefunden, dass die Fußallsprache an dieser Stelle unpräzise ist, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als Braunschweigs Kumbela eine akute Warmschnäuzigkeit zu attestieren.

Es wird den Mann kaum trösten, dass seine Geschichte keinen Einzelfall darstellt. Auf dem Weg von der zweiten in die erste Bundesliga kommt es sogar recht häufig zu auffälligen Temperatur-Schwankungen im Schnäuzigkeitsbereich. Zu den besten Offensivspielern der zurückliegenden Zweitligasaison gehörte auch der Brasilianer Ronny von Hertha BSC. Mit 18 Toren und 15 Vorlagen war er der unumstrittene Aufstiegsheld der Berliner. In diesem Jahr lebt Ronny seinen Heldenstatus zumeist auf der Ersatzbank aus. Sein kaltes Näschen für feurige Freistöße ist nur noch in Ausnahmesituationen gefragt.

Von den drei Toptorjägern der vorvergangenen Zweitligasaison (Alexander Meier, Olivier Occéan und Nick Proschwitz, je 17 Treffer), hat sich lediglich Frankfurts Meier als beständig zielsicher erwiesen. Occéan traf im Folgejahr in der ersten Liga nur ein Mal ins Tor. Proschwitz wechselte von Paderborn zum englischen Zweitligisten Hull City, wo er zwei Treffer zum Aufstieg in die Premiere League beisteuerte.

Auch bei Nils Petersen, dem Cottbuser Zweitliga-Torjäger von 2011 hat man manchmal den Eindruck, als seien die Torhüter größer oder die Tore kleiner geworden, seit er bei den Erstligisten FC Bayern und Werder Bremen arbeitet. Sicher, im sogenannten Oberhaus sind die Abwehrspieler natürlich kaltschnäuziger als weiter unten.

Wer Petersen aber damals in Cottbus beim Sammeln seiner 25 Tore beobachtet hat, der wird den Eindruck nicht los, dass sein Torriecher gleichzeitig ein bisschen warmschnäuziger geworden ist. Michael Thurk, der Sieger von 2010, sitzt derweil beim Drittligisten Heidenheim auf der Bank und rätselt bis heute, warum er damals in Augsburg praktisch auf dem Weg zum nächsten Tor gefeuert wurde.

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Es ist schwer einzuschätzen, weshalb die Schützenkönige der zweiten Liga auf der Suche nach dem weiteren Glück so selten fündig werden. Angesichts der Geschichte von Emanuel Günther erhärtet sich aber der Verdacht, wonach es sich um ein historisches Gesetz handeln könnte. Günther, 59, ist der Rekord-Torschützenkönig der zweiten Liga. Er gewann diesen Titel 1978, 1980 und 1984 im Trikot des Karlsruher SC. Über solche Spieler heißt es in der Regel: "Die ganze Bundesliga hat ihn auf dem Zettel". Günther nahm schließlich ein Angebot des 1. FC Pforzheim an. Und verzettelte sich in der Oberliga.

Es ist, als ob er damit die Richtung vorgegeben hätte für all seine glücklosen Nachfolger auf dem Torjäger-Thron, ob sie nun Leo Bunk (1986), Radek Drulák (1992), Angelo Vier (1997 und 98), Artur Wichniarek (2001 und 02) oder Giovanni Federico (2007) hießen. Dieser Titel scheint jedenfalls ein veritabler Karriere-Killer zu sein. Es ist schon fast zehn Jahr her, als ihn letztmals einer gewann, der später trotzdem noch Weltruhm erlangte. Der Mann hieß Lukas Podolski. Rudi Völler hat das auch geschafft, aber dessen 37 Tore für 1860 liegen über 30 Jahre zurück.

Immerhin, es gibt positive Beispiele, zu denen auch Marek Mintal und Michael Preetz gehören. Wenn Mahir Saglik auf Nummer sicher gehen will, sollte er sich trotzdem etwas zurückhalten. Saglik hat schon neun Mal für Paderborn getroffen. Im Moment führt er die Torschützenliste der zweiten Liga an.

© SZ vom 30.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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