Braunschweiger Sieg gegen Hannover:Mehr als ein Spiel

Eintracht Braunschweig - Hannover 96

Kämpfen, ziehen, diskutieren: Braunschweig war im Derby eindeutig überlegen.

(Foto: dpa)

Bei der Hochsicherheits-Partie in Braunschweig spielt Hannover 96, als habe man Angst vor dem Abstiegskampf - und gerät genau deshalb tief hinein. Die Eintracht hingegen ist dem Klassenziel dank des 3:0 nahe wie nie. Im zweiten Sonntagsspiel verpasst Hoffenheim einen Erfolg in Berlin.

Wer am Sonntagmittag am Braunschweiger Bahnhof aus dem Zug stieg, der musste den Eindruck gewinnen, mitten in einem Kriegsgebiet gelandet zu sein. Zahlreiche gut gepolsterte und noch besser bewaffnete Sondereinsatzkommandos der Polizei teilten den Fußgängerverkehr. Die gelb-blauen Menschen wurden nach links geschickt, die rot-schwarzen nach rechts.

Wer keine dieser Farben trug und sich einfach nur verloren umschaute, wurde umgehend verhört. Bekanntlich fand am Sonntag in Braunschweig nur ein Fußballspiel statt. Aber weil es sich dabei um das sogenannte große Niedersachsen-Derby zwischen der Eintracht und Hannover 96 handelte, und weil die Niedersachsen sich zuletzt als deutlich heißblütiger erwiesen hatten als man das im Rest der Republik vermutet hätte, wurde es ein Hochsicherheitsspiel unter Extrembedingungen.

Vielleicht war es kein Wunder, dass die Braunschweiger Sportler mit diesen Bedingungen deutlich besser zurecht kamen. Sie stecken seit Beginn dieser Spielzeit im Tabellenkeller fest, sie sind extreme Situationen gewohnt. Die Spieler aus Hannover sind diesem Keller in den vergangenen Wochen ja eher gemütlich entgegengesickert. Spätestens nach dieser 0:3-Niederlage im Derby wird es aber auch für sie extrem. Vor allem: "Wie wir das Derby verloren haben, ist eine Katastrophe", klagte Manager Dirk Dufner. "Das müssen wir erst einmal verarbeiten und die Köpfe frei kriegen."

Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht hatte die versammelten Niedersachsen unmittelbar vor dem Anpfiff noch einmal dazu aufgerufen, sich weniger um ihre sorgsam gepflegte Abneigung zu kümmern und sich stattdessen auf ein tolles Fußballspiel zu freuen. Die gut 2000 Gästefans dürften sich aber bald gefragt haben, was Lieberknecht eigentlich meinte. Von einem tollen Spiel konnte nämlich nicht die Rede sein, jedenfalls nicht aus Sicht von Hannover.

Die Elf von Tayfun Korkut trat auf, als ob sie Angst vor dem Abstiegskampf hätte. Die Braunschweiger wirkten dagegen eher so, als ob sie großen Spaß daran hätten, überhaupt noch am Abstiegskampf teilnehmen zu dürfen. Die Fans veranstalteten eine blau-gelbe Konfettiparty, wie sie die Liga in dieser Farbkombination selten gesehen hat. Und die Spieler wollten in Sachen Euphorie in nichts nachstehen. Nach 14 Minuten tankte sich Ken Reichel zur Grundlinie durch und bediente Domi Kumbela, 1:0.

Sekunden später vergab Glatzenmann Damir Vrancic die Chance, die Führung auszubauen. Das übernahm fünf Minuten später der rührend emsige Havard Nielsen mit einem Linksschuss, bei dem Hannovers Keeper Ron-Robert Zieler alles andere als Rührung empfand. "Das ist Enttäuschung pur", berichtete Zieler von der Stimmung in der 96-Kabine: "Der Stachel sitzt tief."

Klammert man die vereinzelten Bengalo-Feuer aus der Braunschweiger Kurve mal aus, die vom vernünftigen Teil des Partyvolkes mit Pfiffen bedacht wurden, so stellte sich danach zumindest so etwas wie Normalität ein. Hannover hatte den Ball, Braunschweig gewann die Zweikämpfe.

Bei der Produktion von Fehlpässen waren sich beide Teams ebenbürtig. Braunschweig musste es nicht besser machen, Hannover konnte offenbar nicht. Einzig der junge Leonardo Bittencourt schien auf Seiten der Gäste gewillt zu sein, etwas Zählbares mit nach Hause zu nehmen.

Korkut nahm sich nach der Pause ein Beispiel an seinem Kollegen Lieberknecht, er brachte auch einen Glatzenmann: Jan Schlaudraff ersetzte im Angriff Artjoms Rudnevs, von dem bis dahin gar niemand gemerkt hatte, dass er überhaupt da war. Angriffslustiger wurde 96 dadurch aber auch nicht. Stattdessen wurde es wieder auf der anderen Seite spannend, als der Ball im Strafraum gegen die Hand von Christian Schulz prallte. Schiedsrichter Gagelmann verzichtete aber auf einen Elfmeter-Pfiff, da verging auch den Braunschweiger Fans kurzfristig die Partylaune.

Die war aber schnell wieder zurück, als Hannovers Abwehrspieler André Hoffmann das Kunststück vollbrachte, ein rotwürdiges Foul zu begehen, obwohl das Spiel gerade unterbrochen war. Korkut sagte dazu: "Es war einfach so, dass uns der unglückliche Spielverlauf in große Schwierigkeiten gebracht hat." Wobei der Coach dem Spielverlauf sicher Unrecht tut, wenn er ihn jetzt als Alleinschuldigen hinzustellen versucht. Jan Hochscheidt jedenfalls erzielte dann noch das 3:0 für elf Braunschweiger (89.) gegen zehn Hannoveraner. Die Braunschweiger haben jetzt nur noch einen Punkt Rückstand auf den 1. FC Nürnberg, zwei auf Stuttgart und Hamburg sowie vier auf Hannover. So nahe waren sie dem Klassenziel lange nicht mehr. "Kämpfen bis zum Ende", sangen ihre Anhänger. Sie meinten das sportlich.

(Text: Boris Herrmann, SZ vom 7.4.2014)

Mittelmaß unter sich

Die Sieglos-Serie von Aufsteiger Hertha BSC geht weiter, die Aufholjagd von 1899 Hoffenheim ist gestoppt: Zum Abschluss des 29. Spieltags der Fußball-Bundesliga trennten sich beide Teams im Berliner Olympiastadion 1:1 (1:1) und verspielten damit wohl ihre letzte kleine Chance auf einen Europapokalplatz. Der Sieger wäre bis auf fünf Punkte an Platz sieben herangerückt, der in dieser Saison eventuell zur Europa-League-Qualifikation reichen könnte.

Das Team von Hertha-Trainer Jos Luhukay blieb dabei zum siebten Mal in Folge ohne Dreier, vor eigenem Publikum konnten die Berliner im Jahr 2014 noch gar nicht gewinnen. Sami Allagui (11.) hatte die Hertha in Führung gebracht, Eugen Polanski (30.) aber noch vor der Pause ausgeglichen.

Mit jeweils 37 Punkten dürfte die Rest der Saison für beide Teams nur noch ein Schaulaufen werden. Weder die internationalen Startplätze noch die Abstiegszone sind in Reichweite. Mittlerweile profitieren die Herthaner allerdings fast ausschließlich von ihrer starken Hinrunde, in der zweiten Halbserie ist der Aufsteiger mit neun Punkten das zweitschlechteste Team der Liga. Für den anvisierten ersten Heimsieg des Jahres hatte Luhukay munter durchgewechselt. Im Vergleich zum 0:2 bei Schalke 04 veränderte der Berliner Coach seine Startelf auf fünf Positionen. Unter anderem stand vor knapp 43.874 Zuschauern im Olympiastadion wieder Thomas Kraft im Tor des Aufsteigers.

Die Anfangsphase gehörte allerdings den Gästen. Das Team von Markus Gisdol gewann im Mittelfeld mehr Zweikämpfe und bestimmte zunächst das Spiel - allerdings ohne zwingend zu werden. Erst nach einigen Minuten kamen die Herthaner besser ins Spiel und gingen in Führung. Nach Kopfballvorlage von Per Skjelbred ließ Sami Allagui den Hoffenheimer Innenverteidiger Jannik Vestergaard ziemlich alt aussehen und verwandelte frei vor Gästekeeper Koen Casteels. Anschließend entwickelte sich ein munteres und teilweise auch hitziges Spiel. Schiedsrichter Felix Brych (München) hatte alle Hände voll zu tun. Nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt hatten, fiel dann der Ausgleich: Mit einem Weitschuss traf Polanski ins Berliner Tor.

Zu diesem Zeitpunkt durchaus verdient. Zumal Thomas Kraft wenig später mit einer Fußabwehr den Rückstand verhinderte und die Gäste mit zunehmender Spieldauer dominanter wurden. Der ansonsten in der ersten Halbzeit blasse Adrian Ramos und erneut Allagui hatten kurz vor der Pause allerdings noch eine Doppelchance.

Die zweite Halbzeit begann, wie die erste endete: Beide Mannschaften spielten nach vorne, allerdings fehlte häufig die letzte Präzision. In der 61. Minute feierte auf Berliner Seite der lange Zeit verletzte Alexander Baumjohann sein Comeback, große Impulse konnte er zunächst aber nicht setzen. Vielmehr vergab der ehemalige Berliner Sejad Salihovic knapp das 2:1 (69.).

Wenig später verletzte sich Casteels bei einem Zusammenprall mit Ramos und musste ausgewechselt werden. Für den Belgier, der mit Verdacht auf eine Unterschenkelfraktur ins Krankenhaus gebracht wurde, rückte Alexander Stolz in der 73. Minute zwischen die Pfosten. Der Bundesliga-Debütant konnte sich in der 87. Minute gegen Ramos und wenig später auch bei einem Freistoß von Ronny auszeichnen und rettete Hoffenheim damit das Remis.

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