Braunschweigs erster Heimsieg:"Wir sind etwas anders hier, nicht wundern!"

Eintracht Braunschweig - Bayer 04 Leverkusen

Erster Heimsieg seit Jahrzehnten: Die Braunschweiger Spieler lassen sich auf der Ehrenrunde feiern

(Foto: dpa)

Eintracht Braunschweig feiert den ersten Bundesliga-Heimsieg seit 10.410 Tagen - und kaum einer denkt nach Schlusspfiff daran, das Protokoll einzuhalten. Für Bayern- und BVB-Verfolger Leverkusen ist die Niederlage dagegen bitter. Manche Spieler wittern sogar eine Verschwörung.

Mehr als 28 Jahre haben sie gewartet - und nun platzte Eintracht-Präsident Sebastian Ebel fast vor Stolz. Eben hatte Eintracht Braunschweig zum ersten Mal seit mehr als 28 Jahren ein Heimspiel in der Bundesliga gewonnen. Die Pressekonferenz im Stadion war beinahe schon beendet, da schnappte sich Ebel das Mikrofon und sprach Trainer Torsten Lieberknecht vor versammelter Journalisten-Schar an. "Lieber Torsten, ich danke dir und der Mannschaft für diesen Einsatz und die unbändige Leidenschaft. Es ist einfach irre, was ihr leistet."

Das Erfolgserlebnis nach 10.410 Tagen setzte Emotionen frei. "Das war Ekstase pur", jubelte Lieberknecht nach dem 1:0 (0:0) am Samstag gegen Bayer Leverkusen. Wenige Minuten zuvor hatte er die Tränen der Freude kurz nach dem Schlusspfiff auf dem Spielfeld nur schwer zurückhalten können. Beim zuvor letzten Braunschweiger Heimsieg in der Bundesliga am 3. Mai 1985 war Lieberknecht elf Jahre alt.

Auf die Lobeshymne des Vereinschefs antwortete Lieberknecht geschwind. Allerdings wandte er sich an die Medienvertreter aus Leverkusen und erklärte: "Das war unser Präsident. Wir sind etwas anders hier. Nur damit Sie sich nicht wundern."

Obwohl Braunschweig mit nun sieben Punkten gerade einmal den Anschluss an den Vorletzten Nürnberg geschafft hat, ist die Stimmung ausgerechnet vor dem brisanten Duell gegen Hannover 96 am Freitag bestens. "Wir wollen den Derbysieg", forderten die euphorisierten Eintracht-Fans nach dem Spiel immer wieder.

Zehn Spieltage lang hatte der von vielen belächelte Aufsteiger daheim nie gewinnen können und nur vier mickrige Pünktchen gesammelt. Doch am elften Spieltag entlud sich nun auf den Rängen bei Domi Kumbelas verdientem Siegtor in der 81. Minute beim Großteil der 22.720 Zuschauer die Anspannung. "Wir haben bewiesen, dass wir bestehen können", meinte etwa Braunschweigs Karim Bellarabi, der von Gegner Leverkusen nur ausgeliehen ist. "Das gibt Selbstvertrauen", verkündete Mittelfeldspieler Kevin Kratz in Richtung Hannover schon einmal: "Mit breiter Brust werden wir dahin fahren."

An Hannover wollte Lieberknecht dabei noch gar nicht denken. Der 40-Jährige, der nach Kumbelas Tor wie ein Flummi über das Spielfeld gehüpft war, will "nun erst einmal regenerieren" und dann die "unglaubliche Aufgabe" in Hannover angehen.

Leverkusener Verschwörungstheorien

Während die Braunschweiger ausgelassen jubelten, war bei Bayer Leverkusen schlechte Stimmung angesagt. Zum ersten Mal nach acht Spielen verlor das Team von Sami Hyypiä - und das gegen den Tabellenletzten.

Im Gegensatz zu seinen Spielern suchte Hyypiä nach dem 0:1 nicht nach Ausflüchten. Der finnische Coach räumte ein, sich drei Tage vor dem Champions-League-Duell bei Schachtjor Donezk in der Fußball-Bundesliga schlicht verzockt zu haben. "Ich stehe hinter meiner Entscheidung. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber das können wir jetzt nicht mehr ändern", sagte Hyypiä, der beim bislang erfolglosen Aufsteiger sein etatmäßiges Offensivtrio Sidney Sam, Heung-Min Son und Stefan Kießling zunächst auf der Bank gelassen hatte. Auch Nationalspieler Lars Bender blieb nach auskuriertem Muskelfaserriss zunächst draußen.

"Die letzte Überzeugung, der letzte Wille hat gefehlt", bemängelte Hyypiä: "Braunschweig hat mehr Willen gezeigt."

Anstatt diese Tatsache anzuerkennen, spannen einige Bayer-Profis zwei Wochen nach dem Phantomtor von Hoffenheim im Braunschweiger Kabinengang Verschwörungstheorien. "Das hat auf jeden Fall mit der Sache vor zwei Wochen zu tun", raunzte Philipp Wollscheid, als er sich nach einem TV-Interview ungehört wähnte, in Bezug auf Schiedsrichter Peter Sippel. Dabei hatte es nur wenige strittige Entscheidungen im Spiel gegeben. Der zur Halbzeit eingewechselte Bender etwa leistete sich drei gelb-würdige Vergehen in 45 Minuten und wurde in der Nachspielzeit zu Recht des Feldes verwiesen.

Dass Schiedsrichter Sippel wegen des nicht wiederholten Spiels in Hoffenheim angeblich für Gerechtigkeit sorgen wollte, indem er besonders streng mit den Gästen war, sah offensichtlich auch Gonzalo Castro so. Seine Pöbeleien waren indes weniger jugendfrei. Leverkusen ging nun der Kontakt in der Tabelle zu Borussia Dortmund (28 Punkte) und Bayern München (29) aber erstmal verloren. "Tja, ein schwarzes Wochenende, ne", meinte Bayer-Sportchef Rudi Völler.

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