Brasilien: Romário im Parlament:Torjäger auf Lulas Fährte

Romário, der Brasilien einst zum WM-Titel schoss, sitzt plötzlich im Parlament seines Landes und will Politik machen. Dass er davon eigentlich keine Ahnung hat, verschweigt der Volksheld nicht.

Peter Burghardt

Als sich Anfang Februar Brasiliens neues Parlament versammelt hatte, da richteten sich die Kameras vor allem auf einen Mann mit graumeliertem Haar und taubenblauem Anzug. Es war Romário de Souza Farias, 45, der frühere Weltfußballer gab seinen Einstand als Abgeordneter. Die Premiere in der Volksvertretung von Brasilia allerdings schien ihn zu ermüden wie ein Spiel ohne Tore.

Brazilian Rep.-elect former soccer player Romario and Congressman-elect Jean Wyllys wave during the inauguration ceremony for deputies at Brazil's National Congress in Brasilia

Anzug statt Trikot: Romário (rechts im Bild) macht jetzt Politik.

(Foto: REUTERS)

In Bilderserien hielten Fotografen fest, wie dem Politneuling die Lider schwer wurden, wie er gähnte und sich die Augen rieb. Zu seinen Gunsten musste man sich daran erinnern, wie sich Romário auf dem Fußballplatz einmal für Momente des Stillstandes entschuldigt hatte: "Es sieht aus, als ob ich schlafe, aber ich achte auf die Beute", erläuterte der Stürmer einst. Er verglich sich mit einer Raubkatze, seine Beute war der Ball

In den Stadien hatte er sagenhaften Erfolg mit seiner Taktik. Aus einem Armenviertel von Rio de Janeiro brachte es der Angreifer zu einem der erfolgreichsten Torjäger aller Zeiten. Er traf in Serie für Vasco da Gama, Eindhoven, den FC Barcelona, Flamengo, den FC Valencia, dort ließ sich der Freund langer Nächte gerne mit dem Hubschrauber zum Training fliegen.

Er gewann trotz seiner Vorliebe für Discotheken und junge Damen die wichtigsten Trophäen, darunter 1994 die Weltmeisterschaft. Bei der WM in den USA war Brasiliens Nummer 11 außerdem Torschützenkönig und bester Spieler des Turniers. Sein Kosenamen lautet Baixinho, der Kleine, er misst nur 1,69 Meter.

Später erweiterte Romário seine Sammlung daheim in Brasilien sowie in Adelaide, Doha und Miami, womit er alle Erdteile beisammen hatte. Der Veteran wollte 1000 Tore schießen, was ihm nach seiner Rechnung am 20. Mai 2007 auch gelang. Mit 41. Nach seinem 1000. Treffer wurde das Match von Vasco da Gama 20 Minuten lang für Feierlichkeiten unterbrochen. 1000 Tore, das hatte sonst nur Pelé zu bieten.

"Ich will alles zurückgeben"

Die Fifa allerdings erkennt bei Romário bloß 929 Tore an. Bis 2009 spielte der Altmeister auch deshalb weiter, weil er sein Gehalt regelmäßig verjubelte - oder bei dubiosen Geschäften verlor, die ihn wiederholt mit der Justiz in Tuchfühlung brachte. 2001 wurde gar sein Vater Edevair entführt, auf den einst eine Offshore-Firma gelaufen war. Wie er freikam, blieb ungeklärt.

Eine Nacht verbrachte Volksheld Romário gar im Gefängnis, weil er die Alimente für zwei seiner Kinder verweigert hatte. Seine Luxuswohnung am Meer wurde versteigert. Die Zukunft als Politiker erschien ihm interessant, sein Vermögen gab der Kandidat mit 460.000 Dollar an.

Bei den Wahlen im Herbst 2010 bekam der Bewerber der linken Partei PSB 146.859 Stimmen und zog ins Parlament ein. "Ich will alles zurückgeben, was mir der Papa im Himmel gab", sagte Romário, versprach Sportzentren in Favelas und Beistand für Behinderte, seine Tochter leidet unter dem Down-Syndrom.

Er werde sich der Politik widmen und nur noch am Wochenende Fußball-Tennis spielen. "Hier in Brasilia arbeite ich", versprach er, in Rio übernahm er nebenbei den Klub América.

Im Plenum sitzt Romário dort, wo einst der spätere Präsident Lula saß. Bereits bei der zweiten Sitzung blieb sein Platz leer, Romário kickte an Rios Stränden. Am Donnerstag hielt der Novize seine erste Rede, vor 20 der 512 Kollegen. "Ich habe keine Erfahrung mit Parteipolitik", gestand er, "ich brauche eure Hilfe."

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