Boxerin Rola El-Halabi:Rückkehr nach den Schüssen

Rola El-Halabi

Rückkehr in den Ring: Rola El-Halabi.

(Foto: dpa)

Vor ihrem letzten geplanten Kampf kam ihr Adoptivvater in die Kabine und schoss Rola El-Halabi in die rechte Hand, den linken Fuß, das rechte Knie, den rechten Fuß. Am Samstagabend kehrt die Boxerin in den Ring zurück - dabei geht es nicht ums Geld, sondern um den Seelenfrieden.

Von Benedikt Warmbrunn

Sie haben in den vergangenen Tagen viel über Steaks geredet. Über richtig saftige Steaks, am besten: ganz große saftige Steaks. Über Nudeln haben sie auch geredet, die beiden Boxerinnen Rola El-Halabi und Nikki Adler, so viel haben sie darüber geredet, dass sie zwischendurch alles andere fast vergessen haben. Diese Woche, das war dann für sie nur noch der Freitagabend, das war das Essen: ein großes Steak mit vielen Nudeln.

Es gehört zur Vorbereitung auf einen Boxkampf, dass die letzten Tage geprägt sind von Hunger und Verlangen, bis zum offiziellen Wiegen am Tag vor dem Kampf müssen die Boxerinnen auf jedes Gramm achten. Ein Gramm mehr, ein Gramm weniger, das sind dann so Gedanken, mit denen sie sich ablenken. Adler erzählt, wie angenehm es für sie und ihre Trainingspartnerin El-Halabi war, immer wieder ins Banale zu flüchten. So wollten sie dem Kampfabend an diesem Samstag etwas von seiner Größe nehmen, und sei es nur ein kleines bisschen.

Adler und El-Halabi werden in Ulm in verschiedenen Gewichtsklassen um die Weltmeisterschaft boxen, aber Titel sind an diesem Abend nicht das Wichtigste. Es geht um die Rückkehr von Rola El-Halabi. "Sie hat schon gewonnen, wenn sie in den Ring steigt", sagt Adler.

El-Halabi, 27, wollte zuletzt am 1. April 2011 in einen Boxring steigen. Wenige Minuten vor dem geplanten Kampfbeginn stürmte jedoch ihr Adoptivvater in die Kabine. Er schickte alle anderen raus, dann schoss er El-Halabi in die rechte Hand, den linken Fuß, das rechte Knie, den rechten Fuß. Er wollte sie nicht töten, er wollte sie dafür bestrafen, dass sie ihn als Vater und als Manager verstoßen hatte.

Finanzielles Risiko

Der Adoptivvater ist inzwischen verurteilt worden, zu sechs Jahren im Gefängnis. Der 1. April 2011 hat El-Halabi, 27, jedoch für immer verändert. Mit dem Kampf gegen Lucia Morelli will sie sich auch beweisen, dass sie endlich ihr Leben unter Kontrolle hat. El-Halabi vermarktet sich selbst, sie hat ein finanzielles Risiko auf sich genommen, ohne Fernsehsender für eine Live-Übertragung.

Jeder Zuschauer der nicht kommt, kostet sie Geld; am Freitagmittag waren von 7000 Tickets etwas mehr als 4000 verkauft. Es ist aber nicht das Geld, das El-Halabi antreibt. "Ich wurde richtig aus dem Leben gerissen", sagt sie, "dieser Kampf ist für meinen Seelenfrieden. Ich wollte mir nie vorwerfen können, aufgegeben zu haben."

Seit drei Monaten bereitet El-Halabi sich gezielt auf den Kampf vor, gemeinsam mit Adler, 25, Weltmeisterin im Supermittelgewicht. Drei Monate sind eine lange Vorbereitungszeit, El-Halabi hat sie gebraucht, um ihren Rhythmus zu finden, um alle Bewegungen zu automatisieren, um wieder an ihre Stärken zu glauben. Nach diesen drei Monaten, sagt Adler, sei El-Halabi technisch "echt top", ihre Schlagkombinationen seien "sehr schön anzuschauen".

Auch darum kämpft El-Halabi wieder. Sie kann einfach eine sehr gute Boxerin sein, und wenn es nur für zehnmal zwei Minuten ist.

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