Klitschko-Bezwinger:Boxer Fury: Du musst ein Clown sein

Klitschko-Bezwinger: Tyson Fury: Plötzlich Weltmeister. Natürlich dank Gott.

Tyson Fury: Plötzlich Weltmeister. Natürlich dank Gott.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Tyson Fury tanzt, singt, verhöhnt Wladimir Klitschko - und schnappt ihm die Titel weg. Ist das der neue Überboxer?

Von Saskia Aleythe, Düsseldorf

Es gibt einen Ort, an dem schon jedem die Knie weich geworden sind, wenn er gegen Wladimir Klitschko antreten musste. Und zwar an der Hallentür. Wenn die Einmarschmusik läuft, der Gegner hinausschreiten muss, die Tausenden Klitschko-Fans plötzlich ganz laut sind und das Duell mit den Fäusten naht - da wird jeder Sprücheklopfer plötzlich ganz klein. Tyson Fury am Samstagabend: Er tänzelt zum Ring, zeigt sogar kleine Pirouetten und singt seinen Einlaufsong mit. Im Ring angekommen dehnt er sich ausgiebig, Ausfallschritt links, Ausfallschritt rechts. Das war albern und grotesk - und Furys Weg zum WM-Titel.

Drei Gürtel trägt er nun auf einmal, ihm ist gelungen, was elf Jahre niemand geschafft hatte: Der 27-Jährige besiegte den ewigen Wladimir Klitschko. "Das war meine Nacht", sagte Fury nach dem einstimmigen Punktsieg. Er ist der verdiente Sieger aus diesem Duell. Aber auch ein neuer Überboxer?

Es gibt diverse Videos von Tyson Fury. In dem einen spaltet der Mann aus Manchester mit seinem Schädel eine Wassermelone und knabbert gefräßig darin herum. Ein anderes zeigt ihm bei einem Kampf vor ein paar Jahren, wo er sich mit seinem rechten Haken selbst trifft. Dann gibt es noch Bilder, wie er sich als Batman verkleidet mit einem Joker-Statisten prügelt, ein Schauspiel auf einer Pressekonferenz vor dem Klitschko-Kampf. Wer oder was Tyson Fury wirklich ist? Ziemlich unberechenbar, auch im Ring.

Als Fury auf die Welt kam, wog er gerade mal ein halbes Kilo, er war ein Frühchen, nur sechs Monate im Bauch seiner Mutter. Wie er sich damals ins Leben gekämpft habe, das hätte ihn an Mike Tyson erinnert, verriet sein Vater mal, deshalb die Namensauswahl. Die Eltern hatten keinen festen Wohnsitz, auf Twitter nennt sich Fury "Gipsy King", Zigeunerkönig. Der Vater prügelte sich auf Faustkämpfen ohne Handschuhe, später saß er eine Gefängnisstrafe ab, er hatte einem Gegner ein Auge ausgestochen. Fury jr. verbrachte auch mal ein Wochenende im Gefängnis - weil er nach einem Verkehrsdelikt den Gerichtstermin verpasst hatte.

Der Kampf gegen Klitschko war Furys 25. Auftritt im Profiboxen, bis auf Dereck Chisora war da kein namhafter Gegner dabei, ein WM-Kampf schon gleich gar nicht. Nun ist er also weiterhin unbesiegt, 18 Mal streckte er seine Gegner per K. o. nieder. Am Samstagabend war er davon weit entfernt, viel ausgeteilt wurde nämlich nicht. Fury zappelte und zuckte sich von Runde zu Runde, das war ungeheuer effektiv - da er Klitschko um acht Zentimeter überragte und die längeren Arme schwingen kann, hielt er ihn sich so gut vom Hals. Der kennt diese Taktik ganz gut: Es ist seine eigene. Diesmal war er der kleinere, der nicht rankommt. "Ich habe nicht die richtige Distanz gefunden", gab Klitschko zu. Aber auch Fury befand: "Ich konnte ihn auch kaum treffen, er hat gut geboxt, er hat es mir schwer gemacht." Na immerhin.

Fury blieb sich treu

Das Bemerkenswerteste war an Fury aber etwas anderes: Er blieb den ganzen Kampf über der verrückte Widersacher von Klitschko. In den ersten Runden schlenkerte seine linke Hand provokativ neben der Hüfte, die rechte irgendwo neben seinem Kinn. Deckung? Braucht er nicht. Wenn Klitschko ihn doch mal mit der Faust streifte, grinste er nur. Und bat den Ukrainer, beim nächsten Mal doch fester zuzuschlagen. Der Höhepunkt dieser Häme: Fury legte die Hände zwischendurch ganz auf den Rücken. Und fand nach dem Sieg auch noch genügend Luft, um seiner Frau ein Ständchen zu singen. Wladimir Klitschko stand betreten daneben.

"Gott hat mir diesen Sieg geschenkt. Mein ganzes Leben war 27 Jahre lang nur auf diesen Tag ausgerichtet, das ist Bestimmung", sagte Fury nach dem Kampf. Seine Verbindung zum Allmächtigen ist ihm wichtig. Womit er im Vorfeld am meisten verstört hatte, waren seine kruden Ansichten zu Homosexualität und Abtreibung. Der Weltuntergang nahe, prophezeite Fury in der Daily Mail, weil diese beiden Sachen schon legalisiert seien. Würde nun noch Pädophilie erlaubt werden, käme der Teufel.

So sehr er sich als gottesgläubigen Menschen inszeniert, so gerne lässt er auch alle am Familienleben teilhaben: Zwei Jahre lang hätte er mit seiner Frau an einem dritten Kind gearbeitet, sagte Fury auf der Pressekonferenz, nun sei sie tatsächlich schwanger. "Das ist die Sahne auf dem Kuchen." Der Kuchen ist nun auch ein größerer, nicht nur wegen der millionenhohen Kampfbörse, sondern auch weil Fury mit einem wohlhabenden Verwandten auf sich selbst gewettet hatte: 283 000 Euro brachte ihm das zusätzlich. Feiern wollte er trotzdem nicht: "Ich habe das Trinken aufgegeben, die Partys, die sogenannten besten Dinge des Lebens - der ganze Mist interessiert mich nicht mehr." Im weißen Porsche verschwand er aus Düsseldorf.

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